Realsatire - Die kurze Geschichte des völligen Schwachsinns
Die Deutsche Apotheker Zeitung, bekanntlich nicht die kritischste Instanz im Universum (die ~1x die Woche eine Homöopathie-Artikelchen raushaut) hat mal wieder etwas Raum für Heularien geboten.
Im Artikel "Homöopathie-Hersteller fürchten Einschränkungen für Quecksilber" geht es um eine sich Arbeit befindliche EU-Verordnung, die Reduktion von Quecksilber-Emissionen zum Ziel hat und hierfür Ein- und Ausfuhren von [Hg-] Rohstoffen und Erzeugnissen restriktiver handhaben will.
Ihr könnt euch den Artikel getrost sparen, denn im Grunde ist er in sich widersprüchlich und ein Fall für die Tonne.
So heißt es im einführenden Abstract:
Die EU sieht die Freigabe von Quecksilber als globale Bedrohung und will die Verwendung des Metalls deutlich einschränken. Hiergegen protestieren Hersteller homöopathischer Arzneimittel: Einige Präparate kämen ohne Quecksilber nicht aus. Sie argumentieren, die benötigten Mengen seien verschwindend gering.
und später
Diese Entscheidung trifft auf Ablehnung bei Herstellern homöopathischer Arzneimittel: Wenn die Herstellung, der Handel und die Verwendung von Quecksilber weiter eingeschränkt werden, wird die Zubereitung und der Verkauf verschiedener homöopathischer Präparate deutlich erschwert oder sogar verhindert. Auch in der anthroposophischen Medizin wird das giftige Metall in geringen Mengen verwendet.
Auch die Potenzierung, also die in der Homöopathie durchgeführte Verdünnung der Ursprungssubstanzen, garantiere Sicherheit. „Angesichts des sehr hohen Verdünnungsgrads von homöopathischen und anderen traditionellen Arzneimittel ist Quecksilber in verschwindenden Mengen vorhanden“, erklärt der Verband. Auch große Firmen benötigten nur wenige Gramm.
Zwar bleibt die Herstellung und der Ex- oder Import von Quecksilber-haltigen Arzneimitteln weiterhin erlaubt, doch ab dem 1. Januar 2021 würde der Handel mit Quecksilber nach Ansicht des AESGP zu stark eingeschränkt. „Als eine Konsequenz würde der Export der Rohmaterialen wie auch von Zwischenprodukten an Firmen außerhalb der EU behindert und die Verfügbarkeit von homöopathischen Arzneimitteln und anderen traditionellen Produkten, die Quecksilber enthalten, würde abnehmen“, erklärt der Dachverband.
Hervorhebung meinereiner
Soll kapieren wer will.
Herstellung bleibt zwar erlaubt, doch der Handel würde eingeschränkt (bei Hg-haltigen Produkten die kein oder bei Niedrigpotenzen nur verschwindend geringe Menge Hg enthalten!!) Was soll der Krampf also?
Das erfahren wir am Ende des Artikelchens. Es geht [mal wieder] um eine Extrawurst.
Er [Anm. der Mensch von AESGP] plädiert für Ausnahmeregeln. Es sei „von größter Wichtigkeit, sicherzustellen, dass es auch zukünftig für Hersteller homöopathischer Präparate möglich sein wird, ausreichende Mengen von Quecksilber und Quecksilberverbindungen zu erhalten“, erklärt der Verband. Daher sei es entscheidend, dass die Stoffe weiterhin im- und exportiert werden können – „damit die neue und weitere Entwicklung homöopathischer Arzneimittel mit Quecksilber nicht gefährdet wird“.
Festhalten:
Der Typ von der AESGP, der kurz zuvor die Menschheit mit dem Verweis auf die "wenigen Gramm" beruhigte, fordert nun Sicherstellung "ausreichender Mengen". Hä?
Quecksilber für Forschungszwecke (wie auch für Zahnmedizin) bleiben gemäß dem Entwurf ohnehin außen vor, die "Entwicklung" (die wrde ich ohnehin mal zu gern sehen) kann putzmunter weitergehen.
Das Geheule verfolgt lediglich den Zweck, dass eine "homöopathische Ausnahme" zustande kommt, um dann damit hausieren gehen zu können.
Zum Schluss wurde es dann doch noch spannend:
Auch mehrere CDU-Abgeordnete im Europaparlament wie der Gesundheitspolitiker Peter Liese haben sich für Änderungen eingesetzt, die Ausnahmeregeln für homöopathische Arzneimittel vorsehen. In der nächsten Sitzung des EU-Ausschusses für öffentliche Gesundheit (ENVI) soll über die Änderungsanträge abgestimmt werden.
Dieses Amendments-Papier ist ziemlich aufschlussreich. Neben dem erwähnten Peter Liese finden sich da noch weitere Vertreter seiner Fraktion, die eine Ausnahme von
"homeopathic and anthroposophic
medicinal products"
fordern. Jens Gieseke, Ingeborg Gräßle, Norbert Lins, Birgit Collin-Langen, Michel Dantin und Renate Sommer (alle CDU)
Auch Gesine Meissner und Ulrike Müller (beide FDP) fordern eine Homöopathie-Ausnahme. Niemand sonst fordert etwas entsprechendes. Weder die sonst immer im Verdacht stehenden Grünen noch sonstige Politiker aus dem In- und Ausland.
Die franz Christdemokraten Michel Dantin, Grossetete, Delahaye schlagen eine Änderung vor, die HG-haltige Medikamente mit
nachgewiesenem Nutzen ("proven benefits to health") vor der Neuregelung ausnimmt.
Ital Sozialdemokraten klingen ähnlich ("providing demonstrable significant health benefits").
Homöopathische Schmerzen haben mal wieder nur die Deutschen. Niemand sonst will eine homöo Ausnahme in der Regelung haben.
Das ist beschämend und vielsagend (wo hockt die homöo. Industrie/Lobby?)
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2016/08/23/homoeopathie-hersteller-fuerchten-einschraenkungen-fuer-quecksilberhttp://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+COMPARL+PE-585.758+01+DOC+PDF+V0//EN&language=ENhttp://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52016AE1268&from=DE