Flybywire schrieb:Das ist doch aufgrund des Zusatzes "oder anderer Ursache" eine rhetorische Frage.
Ich möchte nicht unzulässig einengen oder die Messlatte hochlegen, sondern frage lediglich nach einem rudimentären Ansatz für dieses Szenario.
Flybywire schrieb:Gleichwohl kann man ohne Motiv töten, z.B. Wikipedia: Massenmord in Las Vegas 2017#Motivsuche, wenn man Angstzustände und zu wenig Schlaf hat und antizyklisch lebt und zudem eine Spielsucht hat.
Diesen Fall hatten wir seit 2017 immer wieder, so dass ich mittlerweile aus dem Kopf den Punkt beantworten kann:
- er war Alkoholiker und valiumsüchtig (sehr ungünstige Combo)
- er war spielsüchtig und hat als Vorteilsspieler in Las Vegas gelebt und sich davon finanziert
- vor dem Amoklauf hatte er den Großteil seines Vermögens in dem Casino, in dem er den Amoklauf begangen hat, verloren
- er stand also der Realität gegenüber, dass er in Kürze pleite sein würde und seine Aussichten auf dem Arbeitsmarkt waren als tabletten- und spielsüchtiger Alkoholiker realisterscherweise begrenzt
- er hat daher in den Wochen vor dem Amoklauf Waffen gesammelt und schließlich den Rest seines Vermögens an seine Freundin auf den Philippinen überwiesen
- mit der hatte er aber nicht mehr kommuniziert, sondern die Nacht vor dem Amoklauf mit einer Prostuierten verbracht
- Kindheitstraumata: der Vater war Bankräuber und stand auf der FBI most wanted.
- das Motiv für den Amoklauf war dann laut Untersuchungskommission, dass er durch die Tat berühmt werden wollte - dies beißt sich fundamental mit dem "covert"-Aspekt (der Vertuschung / dem Verschwinden des Wracks) von MH370.
Also nicht falsch verstehen: ich möchte die Messlatte der eindeuitgen Motivlage überhaupt nicht SO hoch setzen, wie hier, sondern es würde ja mal ein plausibler und diskussionswürdiger Ansatz ausreichen.
Flybywire schrieb:Halten wir fest: Es muss kein Motiv geben, auch wenn wir das schwerlich fassen können (https://www.salzburg24.at/news/welt/gerichtspsychiaterin-es-gibt-morde-ohne-motiv-58334968)
Das hast du ja schön gegoogelt, aber vermutlich den Text nie gelesen. Es geht dort nämlich nur um interpersonale Motive, wenn also ein Täter ein konkretes Opfer z.B. aus Rache ermordet. Dort wird vielmehr angesprochen, dass Menschen zufällig und ohne eigenes Zutun Opfer von Morden werden können, d.h. durch einen Amoklaf oder ein Sexualverbrechen.
"Aber solche Delikte gibt es eben", sagte die Expertin. Wenn man an die "School Shootings" denke, würden die Täter immer wieder angeben, sie hätten aus einer "Wut auf die Welt" gehandelt. "Unspezifische Gekränktheit", werde von Tätern nach Tötungsdelikten immer wieder als Hintergrund genannt. Die Opfer befänden sich sprichwörtlich zur falschen Zeit am falschen Ort. Auch bei vielen Sexualdelikten sei das der Fall. Opfer und Täter begegnen dann einander zufällig.
Erkrankung kann ebenso Grund sein
Zunächst nicht Erklärbares sei auch nicht zwingend ein Anzeichen von "Krankheit", betonte Adelheid Kastner. "Es gibt aber auch Tötungsdelikte aus einer Erkrankung heraus", betonte die Gerichtspsychiaterin. Die Möglichkeit, dass Menschen plötzlich ein Tötungsdelikt begehen, ist ein Merkmal des Menschseins selbst. "Das ist auch nicht kulturspezifisch", sagte Adelheid Kastner.
Quelle:
https://www.salzburg24.at/news/welt/gerichtspsychiaterin-es-gibt-morde-ohne-motiv-58334968 (dein Link)
Es ist natürlich völlig klar, dass es bei MH370 keinen interpersonalen Konflikt mit allen oder den meisten Menschen an Bord gegeben haben kann, sondern dieser Fall - falls es eine Einzeltat gewesen wäre - unter den hier angesprochenen Amokaspekt fiele. Für diesen braucht es lediglich zwinged das Motiv, das dann natürlich kein interpersonales ist.
Flybywire schrieb:Nur weil es Dir nicht einleuchtet, kann es ja doch so sein.
Es geht nicht um Einleuchten, sondern darum, dass ein Massenmord, wie eine Amoktat, nie völlig grundlos und aus einer spontanen Entscheidung heraus geschieht. Ob das Motiv für andere nachvollziehbar ist, spielt keine Rolle und das erwarte ich auch nicht.
Flybywire schrieb:Du setzt eine Entführung voraus und schließt dann von dieser (ebenso möglichen) Annahme auf weitere Aussagen. Ist dieses Vorgehen anders als zunächst von einem anderen Szenario auszugehen?
Nein. Aufgrund der vorhandenen technischen Daten kann man mit großer Sicherheit sagen, dass das Flugzeug bei IGARI zunächst entführt wurde (auch wenn es ein letztlicher Pilotensuizid gewesen wäre). Entweder können die Piloten oder Passagiere an Bord das Flugzeug entsprechend unter Kontrolle gebracht haben.
In jedem schlechten ÖR-Krimi und auch sonst fragt ein Kriminalist daher immer nach dem Motiv, wenn es darum geht, mögliche Täter zu identifizieren oder auch zu entlasten.
Insbesondere bei Zahahrie kann man dann sagen, dass die Ermittlungen und die Veröffentlichungen dazu sehr spezifisch waren und auf die einschlägigen Gründe für Suizid eingehen, indem sie diese sämtlich ausräumen. Der zusätzliche Massenmord hätte dann noch eine wesentlich stärkere Motivlage haben müssen. Hinzu kommt, dass sein Verhalten bis einschließlich des letzten Funkspruchs völlig normal war und kein Zeichen von Nervosität zu spüren war (-> er wurde also offenkundig von den dann folgenden Ereignissen überrascht). Das ist mehr als nur sehr ungewöhnlich für jemanden, der angeblich im Begriff stünde, einen Massenmord mit Selbsttötung zu begehen.
Wenn man dagegen verschiedene Szenarien mit geopolitisch motivierten Entführungen durchspielt, kommt man zumindest bei dem hybriden Angriff auf Malaysia und den weiteren Implikationen auf eine klare und nachvollziehbare Motivlage. Im Vergleich wäre also diese zu bevorzugen.
Unzulässig ist es dagegen, von dem zwei Absätze höher geschilderten unwahrscheinlich Szenario fest auszugehen und daraus die Ableitung zu treffen, dass MH370 deswegen einzigartig gewesen sein muss, weil hier historisch gesehen erstmals ein Massenmord mit Suizid ohne Motiv ode psychisische Erkrankung vorgelegen hätte. Denn dass es so war, ist ja alles andere als sicher.