Optimist schrieb:Für mich klingt das so: jedem wird entsprechend seiner Fähigkeiten und Energie etwas abverlangt.
Und nicht nur das. Jeder erhält sogar nach diesem seinem Vermögen unterschiedlichen Lohn. Da ist einer, der möchte viel erwirtschaften, kann aber nicht so gut wie ein anderer, der zwar nur halbherzig bei der Sache ist, aber ein gutes Händchen für hat und deswegen Unmassen schafft. Und der Chef? Der sieht nur, was vor Augen ist, schaut jedoch nicht das Herz an, und entlohnt die Leute reineweg nach den Werken. Und zwar unterschiedlich. Klar hätte der vierte Knecht ausdrücklich erwähnt werden müssen, der zwar wollte, aber nicht konnte. Hät mich schon interessiert, ob der auch nur eine Puseratze von Irgendwas zum Dank erhalten hätte, oder ob sein Lohn nur darin bestanden hätte, kein Heulen und Zähneklappern abzufassen. Aus anderen Stellen erschließen? Wie das? Wenn ich daneben das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg lese, wo einige den ganzen Tag schuften, andere erst in der letzten Stunde engagiert werden, und am Ende erhalten alle für die unterschiedliche Arbeit den selben Lohn, dann kann ich nicht nur den ungeschriebenen vierten Knecht des anderen Gleichnisses nicht erschließen, dann kann ich das ganze, das dastehende Gleichnis von Lukas11 nicht erschließen. Gibt es im Himmel Unterschiede? First-Class-Plätze bis hin zu Arme-Leute-Abteilen?
Nee, hier paßt etwas ganz gewaltig nicht mit den anderen Stellen der Bibel zusammen.
Letztlich ist dieses Gleichnis nur eine Spielart des "wer viel hat, dem wird auch viel gegeben, wer aber nichts hat, dem wird das, was er hat, weggenommen" (z.B. Matthäus25,29). Eine Rechnung übrigens, die gar nicht aufgehen kann: jemandem von nichts noch etwas wegzunehmen. Um eine saubere Rechenbarkeit geht es also überhaupt nicht, wie auch an vielen anderen Stellen, wenn gesagt wird, daß das Getreide dreißigfältig Frucht bringt, sechzigfältig und hundertfältig. Man könnt zwar fragen, wieso unterschiedlich und was nu 30, 60 und 100 im Konkreten zu bedeuten hätte, aber gemeint ist das ganz gewiß nicht. Hier aber, in diesem lukanisch überlieferten Gleichnis, da geht es um saubere Berechnungen und Bilanzen und Bezahlungen. Hier geht es um ein exaktes Ausrechnen von Gerechtigkeit, ja um ein dem anderen Vorrechnen. Im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg, oder in dem vom verlorenen Sohn, da werden ja gerade die berechnenden Anfragen abgelehnt! "Aber ich hab doch den ganzen Tag geschuftet, und der nur die letzte Stunde, wieso kriegt der ebenfalls nen ganzen Denar?" - "Aber ich bin Dir immer treu gewesen, nicht wie dieser da, der Dir untreu wurde und jetzt erst wiederkehrte, wieso kriegt der ne geile Fete und ich nicht?" Jesus geht es nicht um exakte Berechenbarkeit, ja er lehnt sie ausdrücklich ab.
Ja, seine Jünger sind genau deswegen von Jesus so entsetzt, wenn er die guten Werke nicht sauber aufrechnet und danach dann den Platz im Himmel berechnet. Als der reiche Jüngling zu Jesus kam und nach dem Reich Gottes fragte, und nachdem Jesus vom Halten der Gebote sprach und den Jüngling fürs komplette Einhalten lobte, da stellte er nur noch eine letzte Forderung, an der der Jüngling dann scheiterte. Und damit das Himmelreich verspielte. Nein, nach Jesus bringt Vieltun nicht mehr ein als Wenigtun, Jesus verteilt keine Logenplätze und billige Ränge im Himmel. Vielmehr fordert er so lange, bis alle scheitern. Alle gehen leer aus. "Wer kann dann noch errettet werden", so die entsetzte Frage der Jünger.
Nein, die berechnenden Gleichnisse klingen so gar nicht nach Jesus. OK, teilweise klingen die Gleichnisse nach ihm, aber der Teil mit dieser Berechenbarkeit von Gerechtigkeit, der tut es nicht. Und manchmal frage ich mich, ob diese Gleichnisse dann überhaupt von Jesus stammen, bzw. in dieser konkreten Form. Sie wurden ja nicht sofort aufgeschrieben, sondern erst viele Jahre später, wurden bis dahin mündlich überliefert, immer weiter gegeben, neu erzählt und wieder gehört. Von eben den Jüngern, die mit Jesu Radikalität so ihre Probleme hatten. Was, wenn hier (bewußt oder unbewußt) manch Gleichnis interpretiert wurde, damits "richtig gerecht" oder "verstehbar" wurde, wobei die Vorstellung dessen, was "gerecht" und "verständlich" ist, natürlich von den Überlieferern stammt? Die Forschung jedenfalls stellt diesse Frage schon seit langem.
Wenn ein Gleichnis die Chance hat, so ein Fall von "Gemeindebildung" zu sein, dann dieses Lukanische. Am Ende kommt eine Gerechtigkeitsberechnung raus, die gar nicht mehr zur Unteilbarkeit des Himmels oder der Liebe Gottes paßt. Man achte auch darauf, daß die Kritik des Knechtes an dessen Herrn gar nicht wirklich zu Gott paßt. Egal, ob dieser Gott nun hartherzig ist und ungerecht verteilt etc., jedenfalls lebt dieser Gott nicht davon, andere für sich schuften zu lassen. Wenn dieser Gott von Leuten was zu tun fordert, dann nicht, um sich selbst zu bereichern, höchstens, weil er willkürlich ist, hartherzig, die Leute gern leiden sehen will und was man sonst alles einem persönlich verhaßten Gott vorwerfen möchte. Aber "den Gewinn anderer selbst einstecken"??? Nee, dieser Vorwurf paßt nicht zu einem Gotte, der paßt nur zu einem Herrn mit Knechten, also zur Bildhälfte des Gleichnisses. Hier wird also etwas erzählt, das die
vergleichende Situation zwar realistisch ausmalt, aber nicht zum
Verglichenen paßt. Ist das ursprünglich? Kann das ursprünglich sein am Gleichnis? Auf jeden Fall ist es nichts, das am Gleichnis "auszulegen" wäre! Null Botschaft, sozusagen. (Stimmt nich ganz, aber das ist an dieser Stelle hier nicht relevant.)
Nein, das Gleichnis läßt sich nicht mit den anderen Bibelstellen ordentlich erklären und stimmig machen. Und es erzählt nicht die Gerechtigkeit, von der Jesus spricht. Hier wird kleinlich gerechnet.