Optimist schrieb:und nun brauch man einen neutralen hebräisch-kenner , der entscheiden will/ kann ob es "DEN" oder "mich" richtig übersetzt heisst.
Auch wenn ich nicht neutral bin:
Im hebräischen Text steht:
wehibbitu 'elai 'et 'aschär-daqaru
we- heißt "und"
hibbitu heißt "sie werden betrachten / werden blicken (auf)"
'el ist eine Präposition "auf", "hin" zu u.ä.
-ai ist die Pronominalendung für "mich"
'et könnte "mit" heißen, könnte aber auch die Akkusativpartikel sein
'aschär ist eine Relativpartikel, kann mit dem umgangssprachlich veralteten, unsauberen "wo" übersetzt werden (der, wo gesagt hat); sprachlich unschön, aber treffend wiedergegeben als "wovon gilt, daß" / "von dem gilt, daß"
daqaru heißt "sie haben durchbohrt"
Das ergibt "sie werden blicken auf mich, von dem gilt, daß sie (ihn) durchbohrt haben".
Daran paßt allerdings nicht das 'et". Als Präposition ergibt das keinen Sinn, und als Akkusativpartikel beißt es sich mit der Präposition 'el. Entweder folgt das Objekt des Verbes mit einer Präposition oder mit der Akkusativpartikel, aber nicht mit beidem. Zwar ist das 'aschär daqaru syntaktisch ein zweites Objekt zum "sie werden blicken" (inhaltlich wird damit das erste Objekt erläutert), aber auch da müßte es sich in gleicher Weise wie das erste Objekt an das Verb anschließen. Also entweder zweimal 'el, oder zweimal 'et. Ohne das 'et wäre der mit 'aschär angefügte Satz kein zweites Objekt, sondern einfach nur ein Nebensatz, eine Ausführung zum Objekt.
Der kritische Apparat (Zusatzinfos zu den diversen Handschriften) der Biblia Hebraica Stuttgartensia erwähnt zu 'elai 'et, daß es hierzu ne abweichende Lesart gebe, erwähnt jedoch eigenartigerweise nicht, wie diese lauten würde und in welcher Handschrift sie vorkomme. Außerdem schlägt der Apparat noch als Konjektur (angenommene ursprüngliche Textgestalt) vor, statt 'elai 'el nur ein einfaches 'äl- zu lesen (oder ein 'äl- meinendes poetisches 'äle-). Damit ergäbe sich "sie werden blicken auf (den), von dem gilt, sie haben (ihn) durchbohrt".
Somit steht im hebräischen Text also, daß der Redende durchbohrt worden sei, allerdings in einem wie es scheint unkorrekt erhaltenen Satz ('et zu viel). Ob es eine abweichende Lesart in einer Handschrift gibt, kann ich nicht prüfen. Aber die Stuttgarter Textkritiker immerhin schlagen einen ursprünglichen Text vor, in dem die Person des Durchbohrten unbestimmt bleibt (wiewohl nicht notwendig ein anderer als der Redende gemeint sein muß).
Die Septuaginta, die antike griechische Übersetzung des AT, liest zur Stelle "pros me", kennt also das 'elai, das "auf mich". Abweichende Lesarten bei verschiedenen Septuagintahandschriften werden im textkritischen Apparat der von Rahlfs editierten Septuaginta nicht angegeben. Richtig ist, daß in Johannes19,37 kein "me" steht. Der Satz bei Johannes ähnelt dem Septuagintasatz überhaupt nicht (andere Verben, andere Präpositionen), ist also keine Übernahme des Septuagintatextes, sondern eigene Übersetzung.
AT-Zitate im Johannesevangelium freilich sind kein verläßlicher Hinweis darauf, was im AT nun wortwörtlich steht. So zitiert Johannes12,40 aus Jesaja6,10
Jesaja:
Mache das Herz dieses Volkes fett, mache seine Ohren schwer[hörig], und verklebe seine Augen: damit es mit seinen Augen [nicht] sieht und mit seinen Ohren [nicht] hört und sein Herz [nicht] einsichtig wird und es [nicht] umkehrt und Heilung für sich findet!Johannes:
Er hat ihre Augen verblendet und ihr Herz verstockt, dass sie nicht mit den Augen sehen und mit dem Herzen verstehen und sich bekehren und ich sie heile.Da wurden die Passagen mit den Ohren ausgelassen, der Akteur ausgetauscht und die Verben nur mäßig genau wiedergegeben.
Daß der Durchbohrte der Redende ist, also Gott, ist nach dem Befund also das Wahrscheinlichste, aber es ist eben nicht über jeden Zweifel erhaben.
Pertti