Thema soziale Medien und Dauer-Erregung gewisser Gruppen am Beispiel von einem Livestream zu Karneval(Es dürfte hier noch am ehesten reinpassen weil es Überschneidungen zur AfD geht, was Sympathie usw. angeht)
Etwas verstörend: Ich schaue, weil es als Vorschlag kam (weil ich wohl öfter auch auf solche Kanäle schaue und was dort an Narrativen und Standpunkten für Verbreitung finden) in einen Livestream von "Utopia TV", einem Kanal, den man wohl in ein konträres oder eher rechtes Spektrum packen kann.
Der Livestream? Karneval in Köln. Als jemand der es selbst ein bisschen feiert schaue ich also rein auch wenn ich schon weiß wohin die unterschwellige Reise beim Kanal und Zielpublikum geht.
Allein schon der Titel, Zitat:
Köln LIVE ❗Wie sicher ist Karneval? Rosenmontagszug 🎉 Fasching 🎊 mit Nancy Faeser 🤡 & Herbert Reul 👺
Der Kanalbetreiber filmt bzw. streamt hierbei stationär einfach nur den Umzug. Der Chat: Voller einschlägiger Reizinhalte des Zielpublikums. Auch bevor sich gerade Nachrichten über einen vermeintlichen Terroranschlag oder eine Amokfahrt in Mannheim auch im Chat verbreiteten, ging es da sehr einschlägig rund im Chat.
Nur ein Auszug (Chat ist eher doller in Summe):
Original anzeigen (2,3 MB)Das fällt mir immer wieder auf was das Thema Echokammern angeht. Bestes Gegenbeispiel: Twitch-Streams (Twitch ist eine Streamingplattform, falls man von der hier noch nie gehört haben sollte) habe ich heute und die Tage zuvor zu Karneval geschaut. Normale Content-Creator/Streamer die in Düsseldorf/Köln im Straßenkarneval umherlaufen. Der Chat dort auch bei tausenden Zuschauern: Wie eine ganz andere Welt. Man genießt die Atmosphäre, witzelt über Situationskomik und was gerade passiert. Und muss nicht ständig in den Doomer-Modus fallen und politische Inhalte projizieren und reinhauen.
Der Chat wie bei oben genannten Kanälen? Dauer-Erregung. Dauer-Reiz. Ständiges projizieren der eigenen Ideologiepunkte und Politikinhalte. Der Chat, die Leute mental, die kommen fast gar nicht zu einer relativen Ruhe. Selbst bei ruhigen Szenen des Straßenkarnevals muss ständig Ideologie projiziert werden, wenn ständig was von "ah alles schön bunt!" im sarkastischen Sinne (man sieht einfach nur ein semi-buntes Straßenbild was Kleidung und Kostüme angeht), oder "Nur AfD kann uns retten!" (blaues Herz-Emoji anbei), oder "Ich verstehe nicht warum alle Menschen so blind sind" (Implikativ: "...und wir aber nicht, wir haben die Weisheit/Wahrheit eimerweise gefressen."), "Sieht aus wie der Booster-Marsch XD" und und und.
Schon vor den vorhin erfolgten Meldungen zu Mannheim war der Chat so drauf - als es im Chat bekannt wurde, ging es natürlich dann mehr nur noch darum. Während man das irgendwo nach nachvollziehen könnte ist unabhängig davon schon meiner Meinung nach krass, was mit den Leuten mental abgeht. Gefühlt ständig Puls oder Triggerpunkt.
Ein anderes Beispiel war ein semi-bekannter Content Creator aus Berlin der sich auch Demos anschaut und politisch auch in eine ähnliche Richtung schlägt. Der ist extra aus Berlin auch nach Köln für den Karneval gefahren, lief einfach nur rum. Nichts Besonderes passierte. Das Publikum wieder dauer-gereizt im Doomer-Modus. Alles so schlimm und böse und und und.
Finde nur ich das bestürzend oder überraschend? In welchem mentalen Zustand der dauerhaften Erregung man sein muss wenn man nicht mal bei ruhigen oder feiernden Szenen mal dahingehend abschalten kann, so scheint es? Ich hatte selbst in der Verwandtschaft so einen Fall, der musste - manche hier kennen das bestimmt, wie 'der eine Onkel' - zu allen Familienfesten auch immer mit einschlägiger Politik und Frustbekundungen anfangen.
Geht das nur mir so, dass es überrascht, fast auch ein bisschen Angst macht? Wütend oder emotional engagiert werden wir alle bei unterschiedlichen Themen.
Warum ich das aber erwähne und auch hier reinstelle: Diese Art der Dauer-Erregung halte ich für gefährlich, weil es in einzelnen Fällen auch noch weiter in eine ungesunde Radikalisierung bzw. Extremisierung mündet, die manche dann zu Taten forciert, die dem StGB unterliegen, die anderen Menschen schaden. Und weil es halt Extremisten in politischen Parteien begünstigt - wie in der AfD.
Es ist auch zugleich, wenn man den Blick auf Social Media in diese Kreise wagt, ein Prima Barometer. Auch wenn das (noch) eine relative Minderheit sein mag lohnt sich ein Blick auf diese Entwicklungen. In den USA wurden ja auch Hardliner/Populisten am Ende mehrheitlich gewählt und befähigt. Das hatte immer einen Startpunkt und einen Wachstumsprozess beinhaltet, also sollte man da immer vorsichtig sein und auch die Stimmung jener Gruppen im Blick behalten, respektive sich damit auseinandersetzen.
Dennoch fand ich es trotz meiner Vorerfahrungen doch krass wie etwas beängstigend, in welcher Frequenz dort Punkte vorgetragen wurden - man begibt sich mental und argumentativ quasi ständig in Rage und Dauer-Angst zugleich.