Eigentlich war sogar schon 2007 dem PP Kassel in den Mordermittlungen im Fall
Hazil Yozgat klar geworden, dass
Temme von LfV Hessen nichts mit dem Mord zu tun hat.
In dem Internetcafè waren ja zum Zeitpunkt der Tat bzw. kurz davor mehrere Personen, die von dem Mord nichts mitbekommen haben - außer ein undefinierbares dumpfes Geräusch. Vermutlich als das Opfer hinter den Tresen sterbend oder tot zusammen sackte. Sie saßen - wie
Temme - in einem Nebenraum mit den Computern, der auch keine Sicht auf den Tatort ermöglichte.
Es gab sogar eine Person, die am Tatort, unmittelbar im Raum, in einer Art hölzernen Telefonzelle telefonierte. Mit dem Rücken zur Türe, die eine Glasscheibe und ein daran befestigtes Plakat enthielt. Diese Person, die am nächsten am Tatgeschehen dran war, hat ebenfalls nur einen dumpfen Schlag gehört, aber weiter telefoniert.
Temme wurde auch sehr schnell von der Polizei als Gast im Café ermittelt. Er hatte seine private E-Mail-Adresse angegeben, um mit fremden Frauen zu chatten, während seine eigene Ehefrau schwanger zu Hause war. Die Zeit des Ausloggens war gespeichert (17.01 Uhr, insg. war er 10 Minuten im Netz). Das war mutmaßlich kurz vor der Tat, deren genauer Zeitpunkt nicht bestimmt werden konnte. Kurz und gut: Für einen LfV-Mann war er sehr dämlich, hätte er eine Beteiligung an dem Mord verdecken wollen.
Florian Fuchs, einer der wenigen Journalisten, die kritisch an die Mär von einer Beteiligung "des Verfassungsschutzes" herangegangen ist, schaffte es sogar,
Temme und seine Frau vor die Kamera zu bekommen. Das war sehr aufschlussreich und nicht sehr schmeichelhaft für die Personalauswahl das LfV.
Jedenfalls erklärte
Temme unwiderleglich, er habe das Geld (50 ct.) für die Internetnutzung auf eine Schale auf den Tresen gelegt und sei gegangen. Die 50 ct. fanden dann später die Ermittler an dem Ort, an dem sie
Temme abgelegt hatte. Im
Zschäpe-Prozess wurde er vom Vorsitzenden
Götzl noch zwei Mal inquisitorisch befragt, aber
Temme beharrte darauf, nichts gesehen zu haben. Und das war eben auch möglich, wenn er unmittelbar nach dem Ausloggen gegangen war und sich nicht noch länger im Nebenraum aufhielt.
Ein Politikum wurde der Fall erst, als die Mordkommission von
Temme geführte V-Leute des LfV Hessen genannt haben wollte. Kriminalistisch waren die Gründe für dieses Wissen nicht sehr überzeugend. Es war mehr ein Kräftemessen zwischen PP Kassel und LfV Hessen, die sich im Zuge der Ermittlungen gegen
Temme immer mehr zerstritten, obwohl das LfV anfangs sogar die Zeitstempel Temmes herausrückte. Jedenfalls erteilte Innenminister
Volker Bouffier dem LfV keine Genehmigung. Das PP Kassel war ziemlich stinkig, aber am Ergebnis änderte das nichts: Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO.
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Das Versagen der Verfassungsschutzbehörden ist ein ganz anderes: Da war das LfV Thüringen, das von einem größenwahnsinnigen Leiter geführt wurde, der den Rechtsextremismus in seinem Zuständigkeitsbereich ignorierte. Stattdessen pamperte man einen bekannten Rechtsextremisten (
Tino Brandt) mit Hundertausenden von DM/Euro, der dafür Märchen erzählte und sich ansonsten an kleinen Kindern vergriff.
Da war das LfV Bayern, dass der in Nürnberg ansässigen BAO Bosporus keine Hilfe leistete, als man dort erstmals auf die Idee kam, die Motive für die Morde könnten ausländerfeindlich sein. Man weigerte sich, die Wohnorte bekannter Rechtsextremisten zum Abgleich zur Verfügung zu stellen.
Dann war da das LfV Sachsen, das jedenfalls nach dem Abtauchen der Drei 1998 Informationen über ihren Aufenthaltsort ignorierte.
Und dann das BfV, dass zwar eine "Aktion Rennsteig" ins Leben gerufen hat, aber keine Koordination der V-Leute vornahm. Usw.
Schließlich war da noch das BKA, das bis 2007 eisern an der Theorie festhielt, es müsse sich bei den Morden um Organisierte Kriminalität, vorzugsweise aus der Türkei handeln. Als die Nürnberger BAO immer offensiver die Alleintäterthese (mit Ausländerhass als Motiv) auch in der Öffentlichkeit vertrat, hielt das BKA an der "OK-These" fest.
Wer wissen möchte, wie der Stand 2007 bei der BAO Bosporus war, dem empfehle ich eine ZDF-Doku aus diesem Jahr.
ZDF Der Fall: Jagd nach dem Phantom Part 1/3
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Sie zeigt sehr realistisch, wie die Polizei versucht hat, den Mördern näher zu kommen. Leider wurden sie dabei ziemlich alleine gelassen. Der "
missing link" nach Chemnitz bzw. Zwickau war von den Ermittlungsbehörden mangels Spuren nicht zu ermitteln. Es gab zwar wenige Hinweise auf "Nazis" (viel mehr auf "Türken" oder "Orientalen"), aber das waren Vermutungen ins Blaue hinein. Ohne Anfasser. Es hätte eines "
Masterminds" bedurft, der die Morde, die Banküberfälle und die seit 1998 Untergetauchten auf einen Nenner bringt. Der hätte m.E. beim BfV oder einem der genannten LfVs sitzen müssen. Den gab es nicht, weil man sich im Kleinklein verlor, der Informationsaustausch lausig war und man dachte, man habe die Rechtsextremisten unter Kontrolle.
Dagegen ist das, was aus dem Podcast zitiert wird, alter Schwachsinn. Alles widerlegt.
Eigentlich schon mit Bundestagsuntersuchungsausschuss I. von 2013. Ab Seite 71 wird minutiös dargestellt, wie v.a. zwischen 1998 und 2001 die Verfassungsschutz- und Ermittlungsbehörden der Länder, aber auch des Bundes, versagt haben. Ab Seite 491 werden dann die Mordtaten und die Ermittlungen im Einzelnen berichtet. Über den explizit ausgeräumten Verdacht gegen Temme ist ab Seite 622 ausführlich berichtet.
Dieser Sachbericht ist von allen Fraktionen gebilligt worden. Dennoch gab es v.a. eine Abgeordnete und eine Partei, die trotzdem seitdem nicht müde wurden, das Gegenteil zu behaupten. Es gibt auch Anhänger in einer weiteren Partei, die zu oft die Tatsachen ignorieren, denen sie selbst mit zugestimmt haben.
Hier der Bericht:
https://dserver.bundestag.de/btd/17/146/1714600.pdf