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Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU)

3.345 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, Skandal, NPD ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU)

05.11.2024 um 13:16
Zitat von Muerto04Muerto04 schrieb:Ich glaube auch nicht an einen Deep State oder Verschwörungstheorien. Nur die Behörden haben hier schlecht gearbeitet, schlecht oder gar nicht miteinander kommuniziert und ich behaupte auch, dass Verfassungsschützer/Behörden mehr gewusst haben bzw hätten wissen müssen, als sie behaupten (siehe Aktenvernichtung) oder sie wussten eventuell von den Morden und haben nicht reagiert (siehe A. Temme).
Zu Temme habe ich mich schon geäußert. Das war ein dummer Zufall.

Wer sich nicht mit Ruhm bekleckert hat, war der Verfassungsschutz. Das reicht von den Unsummen, die das BfV Tino Brandt für falsche Infos hinterhergeworfen hat bis hin zu den LfVs Thüringen (die mit dem irren Präsidenten) und Sachsen (die zwischen 1998 und 2000 durchaus ernstzunehmende Hinweise auf B & M und Zschäpe (Z) bekommen haben).

Das LfV Hessen war zwar 2006 dem Polizeipräsidium (PP) in Kassel bei der Aufklärung sehr entgegengekommen, was Temme wohl in dem Internet-Cafè von Hatil Yozgat zu suchen hatte. Als das PP aber - schon von der Unschuld Temmes überzeugt, noch die V-Leute wissen sollte, die Temme geführt hatte, da entschied der Innenminister (Boufièr), Quellenschutz gehe vor. PP und LfV waren sich eh gar nicht grün, Behördenrivalität kommt also hinzu. Letztlich haben dann die Untersuchungsausschüsse den V-Mann aus dem rechtsextremen Spektrum identifiziert, wie gut das dem bekommen ist, das weiß ich nicht.

Ab 2000 gab es jedenfalls aus Sicht der Verfassungsschutzämter keine Hinweise mehr auf B & M & Z.

Damit kommt die Polizei ins Spiel. Da sowohl die Raubtaten als auch die Morde in verschiedenen Bundesländern begangen worden waren, war die Aufklärung Landessache. Bei den Banküberfällen kam man nicht mal auf die Idee, dass es sich um eine Serie handeln könnte. Bei den Morden ermittelte erst mal jede Dienstelle landesspezifisch vor sich hin. Auf Arbeitsebene half man sich enorm, oft unter Umgehung von Datenschutzregeln und Ministerien (gut so!). Es dauerte, bis erst einmal die bayerischen Morde zentralisiert wurden (in Nürnberg) und später, ab 2006, dort eine BAO mit Beteiligung aller Länder zu den 9 bekannten Morden gegründet wurde.

Dazu gibt es auf Youtube ("Das Phantom") eine ZDF-Doku von 2007, auf die ich schon verlinkt habe. Die BAO arbeitete wirklich gut, tippte erstmals auf Einzeltäter mit Motiv Fremdenhass, aber sie hatten keine Chance auf Aufklärung. Das mitbeteiligte BKA blieb aber in der "Organisationsthese" (also Mafia) hängen. Und das LfV Bayern war auch unkooperativ, als es der BAO um die Aufklärung eventueller Netzwerke ging. Tenor: "Rechter Terrorismus? Kennen wir nicht."

Der Mord an Kiesewetter blieb außen vor, weil man ihn wegen der anderen Waffen nicht der Serie zuordnen konnte. Es gab auch nie DNA-Spuren von B & M & Z an einem der Tatorte.

Die meisten Fehler passierten jedenfalls 1998 bis 2000, als man B & M & Z noch relativ leicht hätte fassen können. Es entsteht der Eindruck, die LfVs wollten nicht, vielleicht um andere V-Leute zu schützen. Die Untersuchungsausschüsse in beiden Ländern haben da sicher noch mehr Infos erbracht, als ich im Kopf habe.

Meine Quelle: Die Berichte der vielen Untersuchungsausschüsse (jeweils der Feststellungsteil, nicht der Bewertungsteil der Parteien).


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Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU)

05.11.2024 um 16:23
Zitat von OriginesOrigines schrieb:Glauben ist das Stichwort. Wer nicht weiß, der glaubt. Die Fakten sind das andere.

Bönhardt und Mundlos (B & M) konnten definitiv nicht wissen, dass Kiesewetter und Arnold zu diesem Zeitpunkt an diesem Ort Mittagspause machen würden. Das wusste nämlich niemand. Vermutlich nicht mal sie selbst, weil es gerade keinen Auftrag gab und sie Zeit hatten. Nicht mal die Zentrale, der per Funk nur der grobe Ort und "Wir machen jetzt mal Mittag" mitgeteilt worden ist. Und - Stichwort Funkdisziplin - erwähnten die beiden Streifenpolizisten nicht ihre Namen. Also selbst wenn B & M den Polizeifunk abgehört hätten, hätten sie nicht wissen können, wer dort Mittag machen würde.
Natürlich kann ich das nicht beweisen und es ist nur meine Meinung.

Und nein, B & M konnten wohl nicht wissen, wo Kiesewetter und Arnold Pause machen würden, wenn sie den Funk abgehört hätten. Sie hätten es aber wissen können, wenn sie das Polizeiauto unauffällig beobachtt hätten und ihnen gefolgt wären. Ich zitiere mal einen Satz vom Tathergang von wikipedia: "Eine Person, die am Vorabend Michèle Kiesewetter und einen anderen Kollegen angestarrt hatte, ähnelte laut Vernehmung dieses Kollegen dem Phantombild, das nach den Erinnerungen des Martin A. erstellt wurde." Vielleicht wurden sie also schon verfolgt und beobachtet. Außerdem hatten B & M sich ein Wohnmobil für glaub ich 3 Tage reserviert und anschließend die Reservierung auf 7 Tage verlängert. Das könnte schon bedeuten, sie wollten sich die Zeit nehmen und Kiesewetter so lange verfolgen, bis sich die Gelegenheit für den Mord ergibt.
Zitat von OriginesOrigines schrieb: Dass B & M moderne P2000 von Heckler & Koch erbeuten wollten war meiner Überzeugung nach ein sekundäres, aber nicht primäres Ziel. Primär wollten sie einen "Skalp", ein Ding, das ihnen spüren ließ, über der Polizei, über dem Staat zu stehen. Sie brauchten diese Waffen nicht wirklich, dafür war das Arsenal im Wohnmobil schon groß genug.
Im Prinzip stimme ich dir da größtenteils zu. Nur glaube ich, sie wollten den Skalp von Kiesewetter und die Mitnahme der Waffen war sekundär bzw eine Art Trophäe (die man vielleicht auch für weitere Morde nutzen könnte).


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Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU)

05.11.2024 um 18:17
Zitat von Muerto04Muerto04 schrieb:"Eine Person, die am Vorabend Michèle Kiesewetter und einen anderen Kollegen angestarrt hatte, ähnelte laut Vernehmung dieses Kollegen dem Phantombild, das nach den Erinnerungen des Martin A. erstellt wurde."
Mal davon abgesehen, dass es weder für den Tathergang noch für das Motiv von Belang ist, auch davon abgesehen, dass das Wohnmobil schon vor der Tat am anliegenden Parkplatz beobachtet worden ist, zudem als Verfolgungsmobil eines Streifenwagens absolut ungeeignet ist, ist zu Martin Arnolds Erinnerungen zu sagen:

Der Mann hatte einen Kopfschuss, lag auf Leben und Tod im Koma. Eigentlich konnte er sich an die paar Minuten vor der Tat nicht mehr erinnern. Man hat ihn dann unter Hypnose befragt. Er hatte vielleicht auf seiner Seite eine Person im Seitenspiegel sich nähern sehen. Kiesewetter soll gerade in ihr Brötchen gebissen und noch eine Bemerkung gemacht haben ähnlich wie: "Oh ne, nicht jetzt, schon wieder einer, der nach dem Weg fragt!"

Und dann Nacht.

Die nach einem Blick in den Seitenspiegel (der auch nicht auf den Beifahrer ausgerichtet war) schemenhaft unter Hypnose gesehene Person ließ eigentlich kein Phantombild zu. Arnold wollte aber unbedingt helfen. Die Kollegen wollten ihm helfen. Das Phantombild wurde meines Wissens nach nie in Umlauf gebracht. Das Protokoll der Befragung unter Hypnose ist kaum erträglich.

Arnold konnte meines Wissens nach nie wieder als Polizist arbeiten. Er wurde nie vor den Untersuchungsausschüssen als Zeuge befragt. Als Opfer wird er zumeist vergessen, da es kein vollendeter Mord war.


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05.11.2024 um 23:17
Zitat von OriginesOrigines schrieb:LfVs Thüringen (die mit dem irren Präsidenten)
War das nicht der absolute Spinner, der mit dem Fahrrad durch die Gänge gefahren sein soll und der der spontanen Festivität (Party, auch anlasslos unabhängig fester Jahrestermine im Kalender) zugeneigt war? H. Roewer der Name?

Wenn man Artikel zu ihm sucht und sich den Wikipedia-Artikel anschaut wird klar, warum das ein absoluter Sauhaufen bzw. ein sauschlecht geführder Laden zu der Zeit gewesen sein muss - bei dem Führungsgebaren der Zeit kein Wunder.

Es erklärt teilweise irgendwo warum einzelne Behörden, zumindest die in Thüringen (mehr als andere dann; wo es sonst ein Rechtskorsett oder so gewesen sein mag, kam hier noch zusätzliche personelle Inkompetenz hinzu) ineffektiv, respektive nicht so effektiv gewirkt haben, wie sie ggf. hätten wirken können.

https://www.sueddeutsche.de/politik/thueringer-verfassungsschutz-im-nsu-skandal-es-war-dunkel-ausserdem-war-ich-betrunken-1.1407991
(oder)
https://www.spiegel.de/panorama/verfassungsschutzchef-roewer-erstattet-anzeige-gegen-mitarbeiter-a-845391.html

Ich merke gerade, ich wollte besonders erschreckende Stellen aus den Artikeln zitieren aber sah dann, dass ich schon dabei war den Großteil der Artikel zu kopieren. Ergo verweise ich auf die Artikel in Gänze.

So ein Verhalten würde man (heute) in keiner Behörde jedweder Art auf Landes- und Bundesebene von der Führungsebene erwarten bzw. feststellen. Vermutlich auch nicht kommunaler Art. Aber scheinbar war das damals zumindest in Thüringen möglich.

Wenn sich so eine eigentlich wichtige Landesbehörde schon so selbst gelähmt oder torpediert hat mit so einem "inkompetenten Fürsten" an der Spitze, dann gibt das zumindest diversen Implikationen über den Zustand der Behörde an sich Raum. Ich meine rechtliche Befugnisse und "best practices" als der äußerste Rahmen hin oder her, da hat man schon vom Lesen dieser einzelnen Leitungs-Absurditäten ein visuelles Bild des Chaos vor Augen, das sich dann wohl quer hindurch gezogen haben muss?

Am Schlimmsten finde ich aber die Stelle aus dem SZ-Artikel. Wenn diese vermeintliche Zeugenaussage stimmt, dann ist es nicht mal das Schlimmste, so einen Saustall gehabt zu haben. Sondern, dass Versuche der Besserung bzw. Kritik daran an höhere Stellen quasi mit Strafe einher gingen (man scheint heute strukturell weiter zu sein, insgesamt):
"Als ich einen Beschwerdebrief über die Praxis im Amt an den Innenminister schrieb, wurde ich im Anschluss mit sieben bis acht Verfahren überzogen. Man hat mich zum Amtsarzt geschickt, um meine geistige Gesundheit zu überprüfen."

"Nach Weihnachten 1999 hat mir Roewer Hausverbot erteilt. Danach war ich bis 2005 bei vollem Gehalt zu Haus. Am Anfang hab ich mich zuerst nicht so wohlgefühlt, aber nach einiger Zeit dann doch gut daran gewöhnt."
Quelle: SZ-Artikel oben




Wenn man allein die Verhältnisse im Thüringer Landesamt sich mal auf der Zunge zergehen lässt, dann zerschellt schnell die kryptisch-obskure Idee eines "Deep State", der wissentlich und mit Kalkül schützend eine Hand über den NSU gehalten haben soll.

Weil diese olle Verschwörungstheorie ja lange hartnäckig kolportiert wurde. Nein, es scheint erschreckend trivialer: Strukturelle und personelle Inkompetenzen der Zeit, ggf. gepaart mit situativen Umständen, nicht optimalem interbehördlichem Austausch sowie vereinzelt Kompetenzgerangel sowie einer Prise Unglück, die zusätzlich vermutlich ihren Teil in Summe dazu beitrugen, dass das eine zum anderen kam bzw. nicht eher oder effektiver aufgedeckt werden konnte.

Ich glaube man war damals einfach interdisziplinär nicht so gut aufgestellt. Neuere Technik, neue Mindsets und Personalkörper in diversen Behörden sowie Druck durch Gesellschaft und Politik (zur Besserung hin) und last but not least eine bessere internationale Zusammenarbeit sind wohl nun eher an der Tagesordnung, auch wenn scheinbar gewisse Behörden immer noch rechtlich Raum für Besserung sehen. Aber so ein Scherbenhaufen wie damals in Thüringen scheint wohl nicht mehr wirklich möglich oder wahrscheinlich. Ein Trost, wenngleich halt dafür erst viel schiefgehen musste um nachhaltig etwas besser zu werden.

Wobei es ja augenscheinlich dennoch weiterhin 'illustre' (ehemalige) Behördenleiter geben mag. Kein Plan wie Maaßen sein Amt geführt hat (vmtl. nicht so wie dieser Roewer) aber sein Abgang und Werdegang danach spricht ja irgendwie auch für sich...


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Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU)

06.11.2024 um 08:08
Zitat von WardenWarden schrieb:War das nicht der absolute Spinner, der mit dem Fahrrad durch die Gänge gefahren sein soll und der der spontanen Festivität (Party, auch anlasslos unabhängig fester Jahrestermine im Kalender) zugeneigt war? H. Roewer der Name?
Ja, genau der. Er trat auch vor dem Bundestagsuntersuchungsausschuss als Zeuge auf. Entweder war er betrunken oder auf Koks - oder Beides.

Dabei war er berufen worden, das LfV auf Vordermann zu bringen. Da waren Ende der 1990er nämlich fast ausschließlich ehemalige NVA- und Vopo-Angehörige beschäftigt. Dazu gehörte auch Interdisziplinarität. Rower stellte Berge an Politologen und Historiker ein, die dann lust- und kenntnislos irgendwelche sinnlosen Gutachten erstellten. Tenor: In Thüringen ist alles OK.

Dann gab es auch noch den Referatsleiter im BfV, "Lothar Lingen" der Deckname. Er meinte kurz nach dem 4. November 2011 Akten zur Operation "Rennsteig" (das war die Sache mit Tino Brandt) schreddern zu müssen. "Verschlusssache peinlich". Der eigentlich kompetente und integre Präsident Fromm trat deshalb 2012 zurück, weil seine Weisung vom November 2011, nichts zu vernichten, hintergangen und er belogen worden war.

Die vernichteten Akten (die zum NSU kaum Bezüge aufwiesen) konnten übrigens nahezu vollständig durch Spiegelakten rekonstruiert werden. Das ist normal in Behörden, dass weitere zuständige Referate nahezu identische Akten führen.

Fromm folgte Maaßen nach, was die Sache nicht besser machte. Noch Jahre später wurden in Safes des BfV Akten zum NSU und sogar eine Pistole gefunden. Maaßen hätte diese Mitarbeiter am liebsten im Hof des BfV "ans Kreuz genagelt" (O-Ton). 2018 musste er zurücktreten, weil er seine Zugehörigkeit zum AfD/Querdenker/Schwurbler/Rassisten-Lager nicht mehr verbergen konnte. Deshalb war von 2012 bis 2018 verlorene Jahre im Kampf gegen den Rechtsextremismus.

Erst Maaßens Nachfolger, Haldenwang, brachte das BfV wieder in die Spur. Das hatte auch was mit seinem zurückhaltenden Charakter und strikt sachlichen Auftreten zu tun.

Mein Eindruck: Viele Mitarbeiter der Nachrichtendienste sind in vielerlei Hinsicht ähnlich paranoid und bekloppt, so wie die Verschwörungstheoretiker auf der anderen Seite.

Seit 2011 hat sich aber Einiges getan. Sowohl die LfVs als auch das BfV wurden intern neu aufgestellt. Das ganze kranke V-Mann-System wurde gesetzlich geregelt und das Verhältnis zwischen Bund und Ländern neu geordnet. Schließlich versucht man auch, mehr Transparenz herzustellen, indem die Präsidenten der Dienste öffentlich von Abgeordneten befragt und Berichte veröffentlicht werden können.


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Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU)

06.11.2024 um 14:04
Zitat von OriginesOrigines schrieb:Aber auch in anderen Fällen (z.B. Rostock oder Kassel) schienen die Taten in ihrer konkreten Gestalt mehr spontan denn langfristig geplant gewesen zu sein.

Da es für keines der Morde direkte Zeugen gab bleibt die konkrete Tatausführung natürlich im Dunkeln, das ist ja das grundlegende Problem in der Aufklärung vom NSU-Komplex das es an den verschiedensten Stellen noch immer zu viele „schwarze Löcher“ gibt. So ganz spontan aus heiterem Himmel können die Taten aber nicht gewesen sein wenn man z. B. berücksichtigt das Mundlos und Böhnhardt nur zwei Tage vor dem Mord an Halit Yozgat erst Mehmet Kubasik in Dortmund erschossen haben. Es erscheint mehr als unwahrscheinlich dass die beiden, quasi aus einer Laune heraus, entschieden haben mal kurzerhand noch jemanden zu ermorden. Ähnliches gilt für den Mord an Mehmet Turgut in Rostock wo auch noch mannigfaltige Fragen offen sind. Das ist ja auch das was die Opferfamilien bis heute umtreibt, die Frage warum gerade ihre Angehörigen ermordet wurden, nach welchen Kriterien man sie ausgewählt hat usw.

Zitat von OriginesOrigines schrieb:Schließlich ist z.B. der LfV-Mann Temme nachweislich im Sekundenbereich vor oder (wahrscheinlicher) nach der Tat gegangen und hat noch 50ct. Internet-Gebühr auf den Tresen gelegt. Das spricht nicht dafür, dass der Tatort vorher beobachtet oder sonstwie "ausbaldowert" worden ist.

Da die „Causa Temme“, gerade in den Kreisen von Opferhinterbliebenen, Nebenklagevertretern, Linken und Verschwörungstheoretikern, eine Endlosschleife ist kann man es gar nicht oft genug wiederholen: Der im Tatzeitraum anwesende Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz Hessen, Andreas Temme, hat mit einer hohen Wahrscheinlichkeit das Internetcafe bereits VOR dem Mord an Halit Yozgat verlassen und ist somit unschuldig!

Vergleicht man die beiden möglichen Zeiträume, als Temme noch im Internetcafe anwesend war und nachdem er bereits gegangen ist, lässt sich einwandfrei feststellen dass der Zeitrahmen nachdem Andreas Temme gegangen ist der größere von beiden ist. Korrelierend kommt noch hinzu dass die spezifische Aussage einer der anderen Zeugen am Tatort klar dafür spricht dass sich der Mord erst ereignet hat nachdem Temme das Cafe bereits verlassen hat. Last but not least gibt es weder für das LfV Hessen, noch für Temme überhaupt ein plausibles Motiv warum sie in den NSU-Komplex verwickelt sein sollten. Etwas Gegenteiliges konnte bis zum heutigen Tag von niemandem bewiesen werden!

Und auch für eine mögliche Tatortausspähung im Vorfeld des Mordes an Halit Yozgat gibt es Indizien:

aa) Hinweise auf vorangegangene Ausspähungen des Tatortes durch Fund von Stadtplänen

Im Brandschutt der Frühlingsstraße 26 in Zwickau wurde eine Grundrissskizze vom Internet-Café in der Hölländischen Straße in Kassel aufgefunden. Die Skizze ist nicht zweifelsfrei einzuordnen. Auf den Vorhalt, dass die Skizze des Internet-Cafés in Kassel trotz der richtigen Adresse nicht ganz stimmig ist, hat der Zeuge KHK Grimm ausgeführt:

„Ja, drin gewesen sein, würde ich auf jeden Fall sagen, weil das, was stimmt an der Skizze, die wesentlichen, ich sage mal, Lagen - der Telefonkabinen, ich meine, ein Kühlschrank auf der rechten Seite plus der Tresen eben -, denke ich, erfordert schon mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit eine unmittelbare Präsenz in diesem Raum. Dass der hintere Teil komplett fehlt, würde ich erklären, dass die Täter oder der Autor der Skizze nie dahinten war und folglich das auch nicht irgendwie skizzieren konnte. Und in Verbindung - das war ja das Prägnante - mit der Anschrift des Tatortes auf der Rückseite oder Vorderseite – […] dieses Zettels plus die überwiegende Zuordnung zu Funkkanälen von Polizei und Rettungskräften würde ich schon sagen, dass das eindeutig zusammenhängt und der oder die Täter am Tatort waren vorher.“

Abschlussbericht des NSU-Bundestagsausschuss II, Seite 899


Zitat von OriginesOrigines schrieb:Denn sie waren nicht gut ausgerüstet. Das spricht für eine gewissen Spontanität. Kiesewetter wurde mit einer alten Weltkriegswaffe (9mm) erschossen, Arnold mit einer relativ schwachen Waffe (7,65mm). Deswegen überlebte er den Kopfschuss.

Kurze Korrektur und Anmerkung: Das Kaliber der TT-33 beträgt 7,62mm nicht 7,65mm, das war das Kaliber der CZ83. Auch überlebte Martin Arnold nicht weil das Kaliber der Tokarew zu schwach gewesen wäre sondern wahrscheinlich weil er gerade im Moment der Schussabgabe den Kopf in Richtung des Angreifers gedreht hat. Man muss sich von diesem falschen Gedanken lösen das eine Schusswaffe nur weil sie älteren Entwicklungsstandes ist deshalb automatisch schlecht oder unzuverlässig sei. Solange der technische Zustand einwandfrei ist sind eine Tokarew oder Radom genauso tödlich wie eine Pistole westlicher Bauart.

Zitat von OriginesOrigines schrieb:Das reicht von den Unsummen, die das BfV Tino Brandt für falsche Infos hinterhergeworfen hat [...]

Kurze Korrektur: Nicht das BfV sondern das LfV Thüringen unter Roewer. Tino Brandt war zu keinem Zeitpunkt jemals V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz, dort hat man ihm – zu Recht – nie getraut!


Zitat von Muerto04Muerto04 schrieb:Und zufälligerweise dabei noch eine M. Kiesewetter erschiesst, die aus Oberweißbach/Thüringen kommt und somit unmittelbar aus der räumlichen Nähe des Thüringer Heimatschutzes stammt. Dann noch die Verbindungen ihres Onkels als Polizist/Ermittler in die rechte Szene/Rotlichmilieu von Thüringen, 2 ihrer Kollegen waren bei den European white Knights of the Ku Klux Klan und ihr Vorgesetzter bei Uniter. Dazu die Zeugenaussagen, mehrere blutverschmierte Personen gesehen zu haben, die sich fluchtartig in Tatortnähe bewegt haben.

Die Bundesanwaltschaft als auch die BAO „Trio“ des Bundeskriminalamtes haben in ihnen umfangreichen Ermittlungen keinen Hinweis darauf gefunden (und bis heute auch sonst niemand!) das Michele Kiesewetter gezielt ermordet werden sollte. Sowohl ihre Herkunft als auch die möglich Verbindung zu ihrem Onkel wurden einschlägig überprüft aber es haben sich keinerlei Anhaltpunkte dafür ergeben dass hier das Motiv für ihren Tod begründet ist. Gleiches gilt für die beiden Kollegen von Kiesewetter und deren Mitgliedschaft im EWK-KK K was bereits VOR dem Mord bekannt wurde und sich die Gruppierung auch bereits VOR dem Mord aufgelöst hat. Diese ganze KKK-Geschichte ist ohnehin viel mehr Schein als Sein gewesen. Am wenigsten Substanz haben diese dubiosen Zeugenbeobachtungen von denen bis heute a) niemand konkret sagen kann was diese Zeugen tatsächlich beobachtet haben, b)die Beobachtungen völlig inkonsistent sind, c) bis heute niemand die Identität dieser vermeintlich Personen benennen kann, d) eine Verwicklung dieser angeblichen Personen in den Mordfall überhaupt nicht bewiesen ist!

Siehe dazu auch:Spoiler
4.1. Unterlassene Veröffentlichung von Phantombildern

Die Soko „Parkplatz“ fertigte insgesamt 14 Phantombilder aufgrund von Zeugenaussagen an, die am Tattag in weiträumigerer Nähe zum Tatort blutverschmierte Personen beobachtet haben wollen. Nach Angabe des ersten Leiters der Soko „Parkplatz“, dem Zeugen F. H., vor
dem Untersuchungsausschuss erfolgte die Anfertigung der Phantombilder nach Aufnahme der entsprechenden Zeugenaussagen zunächst vorsorglich, da man deren Relevanz für die weiteren Ermittlungen noch nicht abschätzen konnte. Im November 2010 kam es des Weiteren zur Erstellung eines Phantombilds mit dem zweiten Tatopfer, dem Geschädigten M. A. Leiter der Soko „Parkplatz“ war zum damaligen Zeitpunkt der Zeuge A. M., der vor dem Untersuchungsausschuss aussagte, dass nach Einschätzung der Soko „Parkplatz“ neben dem Phantombild des Geschädigten A. zwei weitere der 2007 erstellten Phantombilder veröffentlicht werden sollten. Dabei handelte es sich zunächst um die von den Zeugen „VP 22“, einer Vertrauensperson der Kriminalpolizei Heilbronn, der von der Staatsanwaltschaft Vertraulichkeit zugesichert wurde, und dem Ehepaar K. erstellten Phantombilder. Da zwischenzeitlich ein neues Phantombild durch die Zeugin W. erstellt wurde, hat sich die Soko entschieden, dieses aufgrund des engeren örtlichen und zeitlichen Zusammenhangs anstelle des Phantombilds des Ehepaars K. zur Veröffentlichung vorzuschlagen. Der Anlass der gewünschten Veröffentlichung sei laut Zeugen A. M. gewesen, dass – trotz widersprüchlichen Aussagen der Zeugen – „etwas Bewegung reingebracht“ und neue Hinweise generiert werden sollten. Die Staatsanwaltschaft lehnte das Begehren der Soko „Parkplatz“ auf Veröffentlichung der Phantombilder nach Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens über M. A. ab.

Die Nichtveröffentlichung der Phantombilder von Heilbronn durch den sachleitenden Staatsanwalt M. entsprach nach Überzeugung des Ausschusses den rechtlichen Vorgaben des § 131 b der Strafprozessordnung. Der rechtlich erforderliche hinreichende Verdacht, dass eines der 14 Phantombilder einen Tatverdächtigen zeigt, war nicht gegeben.

Der Zeuge M. stellte dem Ausschuss hierzu nachvollziehbar seine wesentlichen Erwägungen dar. Demnach sind Zeugenwahrnehmungen „das schlechteste aller Beweismittel“. Bei einer solchen Wahrnehmung lägen die Fehlerquellen vor allem im Bereich der Interpretation und der Erinnerbarkeit von realem Geschehen. Daher sind bei einer solchen Verwertung in einem Ermittlungsverfahren hohe Anforderungen gestellt. Diese Aussagen müssten im Detail auf Konstanz, Widerspruchsfreiheit und mögliche weitere Defizite überprüft werden. Ziel einer solchen Überprüfung sei nicht, Lügner zu identifizieren, sondern Fehler in der Wahrnehmung, beispielsweise durch Erinnerungslücken oder Erinnerungsüberlagerungen zu identifizieren. Weiter erläuterte der Zeuge M. für den Untersuchungsausschuss plausibel, dass nur in den ersten Tagen nach der Wahrnehmung mit einer einigermaßen zuverlässigen Erinnerungs- und Wiedergabefähigkeit zu rechnen sein kann. Nach längstens einem Monat liegen beim Zeugen nur noch 10 Prozent reproduzierbare Wahrnehmungen vor. Auch aus dieser Erkenntnis der sog. Ebbinghausschen oder Strongschen Gedächtniskurve sieht der Zeuge M. die Aussagen der VP 22 oder von Frau W. als nicht glaubhaft an, da sich diese in einer immer größer werdenen Zeitspanne an immer mehr Details zu erinnern glaubten.

Die Beobachtungen der VP 22 sind im Laufe der Vernehmungen immer konkreter geworden. Die VP 22 hat sich im Vergleich zu früheren Angaben teilweise widersprochen. Die VP 22 beschrieb die von ihr beobachtete blutbefleckte Person zunächst anhand ihrer Kleidung, den Haaren und der getragenen goldenen Uhr. In späteren Vernehmungen gab die VP 22 immer mehr Details zu Protokoll. So soll die beobachtete Person zunächst am linken und dann am rechten am Arm eine Tatoowierung gehabt haben. Die Haarfarbe, die zunächst als dunkel beschrieben wurde, wurde in einer späteren Vernehmung auf wenige weiße Haare korrigiert.

In der Gesamtschau ist es für den Ausschuss mehr als unplausibel, dass die von der VP 22 beobachtete Person an dem Mordanschlag beteiligt ist. Dies würde ein völlig irrationales Täterverhalten voraussetzen. Zwischen der Tat auf der Theresienwiese und dem von der VP 22 beobachten Sprung der Person in ein dunkles Fahrzeug liegt mehr als eine halbe Stunde. Die vernommene VP 22 gab in ihrer polizeilichen Vernehmung zunächst an, dass sie die Beobachtungen um 13.30 Uhr – also vor der Tat auf der Theresienwiese – gemacht habe. Eine abschließende Bewertung der Glaubhaftigkeit der Aussage der VP 22 kann der Ausschuss aufgrund divergierender Aussagen der Zeugen nicht treffen. Während der Zeuge M. angab, der VP 22 sei es „nur ums Geld gegangen“, sah der Zeuge KHK K. B. die VP 22 als glaubhaften Zeugen, der keinen Grund gehabt habe, die ermittelnden Beamten anzulügen.

Die Zeugin W. beobachtete am 25. April 2007 am Ausgang der Theresienwiese einen dunkelblonden Mann, den sie der Herkunft nach optisch nach Osteuropa einordnete. Dieser Mann sei blutbefleckt gewesen und sei in einen dunklen PKW gesprungen. In einer weiteren Vernehmung im Jahr 2009 konkretisierte die Zeugin W. ihre Angaben und berichtete nun, der Mann sei in ein hellbeiges Fahrzeug mit Mosbacher-Kennzeichen gestiegen. Dieses Kennzeichen erwähnte sie in dieser Vernehmung erstmalig. Wie bereits ausgeführt, wertete der Staatsanwalt diese Aussage aufgrund der dargelegten wissenschaftlichen Erkenntnisse der Erinnerungsfähigkeit von Zeugen ebenfalls als unwahrscheinlich. So erstellte die Zeugin W. im Jahr 2007 ein erstes Phantombild. Dieses bezeichnete sie aber als unzureichend. Allein die Haarpartie sei korrekt dargestellt. Im Jahr 2009 erkannte die Zeugin W. das von ihr erstellte Phantombild nicht wieder. 2011 wurde das Phantombild unter Anweisung der Zeugin W. überarbeitet. In diesem Schritt korrigierte die Zeugin das Phantombild. Darunter wurde auch die Haarpartie des Bildes drastisch verändert. Eben dieses Merkmal der korrekt dargestellten Haarpartie, hatte die Zeugin bei der Erstellung im Jahr 2007 besonders betont. Der Zeuge M. führte überzeugend aus, das sich auch hier keine belastbaren Informationen generieren ließen, die den Vorraussetzungen einer Phantombildveröffentlichung genügen würden.

Die Aussage des Ehepaars K. lässt sich mit den Aussagen der Zeugen M., der VP 22 sowie eines anonymen Rentners durchaus zusammen führen. Jedoch wäre auch diesbezüglich nach Meinung des Ausschusses ein völlig irrationales Täterverhalten zu Grunde zu legen. Nach den polizeilichen Ermittlungen flog der erste Polizeihubschrauber frühestens gegen 14.31 Uhr im Bereich des Wertwiesenparks. Die Wahrnehmungen der Zeugen können sich also erst ab diesem Zeitpunkt zugetragen haben. Die Täter müssten sich nach der Tat auf der Theresienwiese gegen 14 Uhr über eine halbe Stunde Zeit für die Flucht zum Wertwiesenpark gelassen haben, um dann bei Entdeckung des Hubschraubers plötzlich panisch in die Büsche zu springen. Dies erscheint dem Ausschuss sehr unplausibel – auch unter dem Aspekt, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Täter nach der Tat blutverschmiert waren und sie dadurch ein extrem hohes Entdeckungsrisiko eingegangen wären. In ihrer Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss sprach die Zeugin K. erstmalig davon, dass sie am Tattag im Heilbronner Wertwiesenpark noch einen zweiten Mann gesehen haben will, der sich verdächtig verhielt. Sie gab an, dass dieser Mann einen schwarzen Rucksack bei sich trug und ebenfalls schnell in ein Gebüsch am Fahrradweg verschwand. Diese erstmals acht Jahre nach der Tat geschilderte angebliche Beobachtung hält der Ausschuss für unglaubhaft.

Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschuss Baden-Württemberg I, Seite 889/890


Zitat von Muerto04Muerto04 schrieb:[...] und ich behaupte auch, dass Verfassungsschützer/Behörden mehr gewusst haben bzw hätten wissen müssen, als sie behaupten (siehe Aktenvernichtung) oder sie wussten eventuell von den Morden und haben nicht reagiert (siehe A. Temme).

Wer etwas behauptet der muss es auch beweisen können ansonsten ist es nämlich wertlos! Bis heute gibt es nicht den geringsten Nachweis für ein Vorwissen des Verfassungsschutzes oder einer anderen staatlichen Behörde oder Dienst bezüglich des NSU. Der ständige Verweis auf das Schreddern von Akten ist ohnehin ein Zirkelschluss denn es wird dadurch ein Umstand vorausgesetzt/vorweggenommen welcher überhaupt erst noch zu beweisen wäre! Es konnte bis jetzt auch nicht nachgewiesen werden das auch nur eine der vernichteten Akten jemals einen konkreten NSU-Bezug gehabt haben! Im Gegenteil, gerade die Veröffentlichung der sogenannten „NSU-Akten“ in Hessen 2022, hat deutlich gezeigt das für mehr als 5 Jahre(!) ein absurder und unnötiger Affentanz darum aufgeführt wurde da diese Akten nichts aber auch gar nichts belastendes enthalten haben das in irgendeiner Weise die offizielle Darstellung zum NSU konterkariert! Dafür jedoch haben sie jedoch Andreas Temme massiv entlastet denn wie nun jeder selber nachlesen konnte enthielten diese Akten überhaupt nichts Konkretes zu seiner Person noch zu seiner zufälligen Anwesenheit im Internetcafe oder dem Mord an Halit Yozgat.

Zitat von Muerto04Muerto04 schrieb:Ich zitiere mal einen Satz vom Tathergang von wikipedia: "Eine Person, die am Vorabend Michèle Kiesewetter und einen anderen Kollegen angestarrt hatte, ähnelte laut Vernehmung dieses Kollegen dem Phantombild, das nach den Erinnerungen des Martin A. erstellt wurde."

Und ich zitiere mal eben aus dem NSU-Untersuchungsausschuss Baden-Württemberg I: Spoiler
Schließlich erfüllt auch das Phantombild des Geschädigten M. A. die rechtlichen Voraussetzungen für eine Veröffentlichung nicht. Eine Erinnerungsfähigkeit des Geschädigten M. A. ist zwar nicht unmöglich, aber nach Sicht des Ausschusses aufgrund der Schwere der Hirnverletzungen nahezu ausgeschlossen. Die vom Ausschuss vernommenen Sachverständigen Dr. Heinz-Dieter Wehner, Dr. T. H. und Dr. R. S. sahen einhellig eine mögliche Erinnerungsfähigkeit von M. A. als ausgeschlossen an, da aufgrund des durch die Schussverletzung verursachten Traumas die unmittelbaren Wahrnehmungen direkt vor und nach der Tat medizinisch nicht im Gehirn des Opfers abgespeichert werden konnten. Auch die Zeugin Dr. A. B., die beim Geschädigten M. A. die Hypnosebefragung durchgeführt hatte, hielt die vom Gutachter Dr. H. beim Geschädigten festgestellte retrograde Amnesie für nachvollziehbar. Der Ausschuss kommt auch durch die Aussage des Zeugen K. zu keiner anderen Einschätzung der Erinnerungsfähigkeit. Der vom Zeugen K. geschilderte Fall G., bei dem ein Opfer mit einem Kopfschuss einen Überfall überlebte und das Phantombild des Geschädigten zur Überführung der Täter führte, ist nach Meinung des Ausschusses von den Voraussetzungen und Auswirkungen her nicht vergleichbar mit der Tat in Heilbronn. Dies ergibt sich aus den vom Zeugen M. dargelegten Urteilsgründen des Landgerichts Heilbronn vom 4. April 1995. Der Geschädigte G. konnte im Gegensatz zum Opfer M. A. die Täter über mehrere Minuten beobachten und er erlitt durch den Schuss keine Verletzung des Gehirns.

Der Ausschuss hält es allerdings für nicht sachgerecht, dass der Gutachter Dr. T. H. die ablehnende Haltung des Staatsanwalts M. bereits aus den übergebenen Unterlagen ersehen konnte. Die Gefahr einer Beeinflussung der objektiven Begutachtung des Geschädigten durch einen Sachverständigen war zumindest theoretisch gegeben, wenngleich der Ausschuss keine Anhaltspunkte dafür hat, dass der Gutachter Dr. H. sich tatsächlich hierdurch beeinflussen lassen hat.

Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschuss Baden-Württemberg I, Seite 890/891



Zitat von WardenWarden schrieb:War das nicht der absolute Spinner, der mit dem Fahrrad durch die Gänge gefahren sein soll und der der spontanen Festivität (Party, auch anlasslos unabhängig fester Jahrestermine im Kalender) zugeneigt war? H. Roewer der Name?

Korrekt, derselbe Helmut Roewer welcher auch barfuß durchs Amt gelatscht ist, Saufabende mit jungen Universitätsabsolventen, welche von ihm stante pede in leitende Position „befördert“ wurden, abgehalten hat, sich schon mal als Erich Ludendorff verkleidete, Bunga-Bunga Partys mit dem weiblichen Personal feierte, sich und von sich selbst im NSU-Untersuchungsausschuss Bundestag I behauptete er sei eine „Spitzenkraft“… Jeder der mal den Gasser-Bericht gelesen hat dem stehen danach buchstäblich die Haare zu Berge weil man sich denkt so was kann doch in einer deutschen Behörde, und dann auch noch eines welches für die innere Sicherheit zuständig ist, nicht Realität sein aber es ist tatsächlich so geschehen! Das wirft ein kurzes Schlaglicht auf die katastrophalen Zustände in den 90er Jahren in neuen deutschen Bundesländern und erklärt, neben einer ganzen Reihe anderer Faktoren, wie es zum Erstarken der rechtsextremen Szene kommen konnte und warum die Fahndung nach dem Terrortrio nach ihrem Untertauchen 1998 scheiterte.


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Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU)

06.11.2024 um 15:06
Zitat von MauserMauser schrieb:Kurze Korrektur
Vielen Dank für die Korrekturen und Präzisierungen. Ich habe aus meiner Erinnerung geschrieben, da verrutscht schon mal das eine oder andere Detail.

Zu jedem dieser Morde ließe sich etwas sagen und fragen.

Ein Detail ist mir z.B. hängen geblieben: Im Geschäft eines der Opfer (ich glaube es war Bulgarides) war gut sichtbar eine Videokamera angebracht. M & B haben diese entweder nicht bemerkt oder ignoriert. Es war eine Attrape bzw. die Kamera war nicht angeschlossen. Das konnten M & B eigentlich nicht wissen. Hm.

Ob es jemals die Vermutung gab, dass sie bei ihren Taten vermummt waren, das weiß ich nicht mehr. Bei den Überfällen waren sie es.

Zum Unglücksraben Temme: Das PP Kassel war nach mehrwöchigen Ermittlungen gegen Temme überzeugt, dass er nichts mit der Tat zu tun gehabt hat. Auf Grundlage seiner Login- und Logout-Daten im Internet konnte der Zeitpunkt ziemlich genau rekonstruiert werden, nämlich kurz vor oder nach der Tat. Zuletzt wurde er ja von Götzl im Prozess gegen Zschäpe & Co. extrem (stundenlang an zwei Terminen) in die Mangel genommen. Er blieb dabei, dass er Yozgat nicht gesehen hat, als er aus dem Cafè ging.

Weder lebendig (vor der Tat), noch danach tot hinter den Tresen. Es wurde insistiert und insistiert, er bestritt, die Leiche gesehen zu haben - die er hätte sehen müssen, wenn er die 50ct. auf den Tresen gelegt hat. Also ist er vorher gegangen und Yozgat war gerade nicht zu sehen. Oder er hat eine traumatische Verdrängung hingelegt, schlicht ausgeblendet, was er gehen hat. Hm. Ich glaube ihm jedenfalls, auch weil es mit den Ermittlungsergebnissen übereinstimmt.


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06.11.2024 um 20:30
Zitat von OriginesOrigines schrieb:Ein Detail ist mir z.B. hängen geblieben: Im Geschäft eines der Opfer (ich glaube es war Bulgarides) war gut sichtbar eine Videokamera angebracht. M & B haben diese entweder nicht bemerkt oder ignoriert. Es war eine Attrape bzw. die Kamera war nicht angeschlossen. Das konnten M & B eigentlich nicht wissen. Hm.

Nicht Boulgarides sondern im Kiosk vom Mehmet Kubasik. Es gab dort zwar eine Überwachungskamera aber diese war nicht angeschlossen worden, der Grund dafür ist unbekannt. Sebastian Scharmer, der Familienanwalt, sieht darin einen Beleg dass der Tatort vorher ausgespäht worden sein muss und deshalb weitere Mittäter oder zumindest Mitwisser existieren. Dem kann man sich anschließen oder auch nicht denn es besteht genauso gut die Möglichkeit das Mehmet Kubasik schlichtweg einfach vergessen hat die Kamera anzuschließen oder es noch vorgehabt hat. Ob dies den Mord verhindert hätte ist fraglich denn bei der extremen Risikobereitschaft welche Mundlos & Böhnhardt bei ihren Morden ohnehin an den Tag gelegt haben ist es durchaus denkbar dass sie die Tat auch bei aktiver Überwachungskamera ausgeführt hätten.

Was Temme, den Mann zur falschen Zeit am falschen Ort angeht so kann man an dieser Stelle auch ruhig mal sagen das er selber Schuld daran trägt das er in der breiten Öffentlichkeit keinerlei Glaubwürdigkeit besitzt. So wie er sich in seinen Vernehmungen durch die Polizei, der Befragung durch mehrere NSU-Untersuchungsausschüsse und bei seinen Aussagen im NSU-Prozess präsentiert als auch verhalten hat kommt das absolut nicht überraschend! Dieses ständige Abwiegeln, die häufige Angabe sich nicht erinnern zu können, die oftmals verschachtelten Antworten selbst bei gewöhnlichen Fragen und noch vieles mehr erweckt einfach den Eindruck dass da jemand Theater spielt.

Erschwerend kam für ihn noch hinzu dass er selber davon ausgehen musste den Tatort erst nach dem Mord verlassen zu haben so wie es medial immer wieder kolportiert wurde und bis heute wird. Genau das ja hat zu diesem inneren Zwiespalt bei Temme geführt sich einerseits nicht daran erinnern zu können etwas gesehen, gehört oder gerochen zu haben aber andererseits für sich keine plausible Erklärung dafür zu haben wie das sein kann wenn er doch zum Tatzeitpunkt noch vermeintlich anwesend war. All das ändert jedoch nichts an der kriminalistischen Perspektive und die ist nach Faktenlage eindeutig, ich hatte das hier bereits mal im Detail aufgeschlüsselt: Beitrag von Mauser (Seite 165)


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06.11.2024 um 22:40
Zitat von OriginesOrigines schrieb:Seit 2011 hat sich aber Einiges getan. Sowohl die LfVs als auch das BfV wurden intern neu aufgestellt. Das ganze kranke V-Mann-System wurde gesetzlich geregelt und das Verhältnis zwischen Bund und Ländern neu geordnet. Schließlich versucht man auch, mehr Transparenz herzustellen, indem die Präsidenten der Dienste öffentlich von Abgeordneten befragt und Berichte veröffentlicht werden können.
Man ist halt von der "Black-Box" und "im eigenen Sud baden/leben" Mentalität weggekommen. Gehört mutmaßlich aber mehr dazu. Wenn ich das nur oberflächlich verfolgte oder mit diversen Leuten gesprochen hab die im Umfeld umherwaberten oder wiederum Leute kennen dann kriege ich den Eindruck, dass verschiedene Dinge wg. (notwendigem) Druck geändert wurden.

  • Interne Bereinigung von den größten Störfaktoren, z.B. wie man gewisse Dinge tat
  • Bessere strukturelle Aufstellung, 'checks n' balances'
  • Rechtlich bessere Aufstellung und Mindsetwandel im Denken der Führungsebenen
  • Und ggf. auch ein klein bisschen, ähnlich der Zeitenwende für BMVg/BW, langsam besseres Standing in zuvor desinteressierten oder kritischen Kreisen der Gesellschaft (dafür wiederum mehr Ablehnung bei Rechtsaußen)


Denke, die Politik hat auch nach NSU bzw. nach etwaigen Optimierungen den Wert dieser Behörden besser erkannt, wo man vorher eher stiefmütterlich jene behandelt oder betrachtet haben könnte. Man hat (so zumindest mein Eindruck wenn ich mich im vorparlamentarischen Raum und nem Ministerium mal umhöre) doch Fortschritte gemacht.

Sinngemäß von der chaotischen Bummsbude, die sich selbst im Weg steht (gut, ist jetzt auch explizit auf Thüringen in den 90ern bezogen, aber nehme ich dennoch, weil Teil davon wg. Föderalismus usw, als Negativbeispiel) bis hin zu einer optimierteren und mehr wertgeschätzten, professioneller agierenden Entität, so wie es eher sein sollte um halt die diversen Extremismen und Terrorformen besser aufklären und somit selbst oder via Polizei/Justiz bekämpfen zu können.

Aber selbst dann muss man anerkennen, dass wir (schreiben eigene Medien und teils internationale Medien sowie öffentlichkeitsbekannte ex-CIA Leute wie "John Sipher" etwa auf Social Media wie Twitter/X) im internationalen, selbst rein europäischen Vergleich immer noch durch eine strukturell-rechtliche Komponente gelähmt werden und halt nie so gut sein können wie vergleichbare westliche demokratische Länder, respektive immer auf die Hilfe anderer angewiesen sein werden. Glaube, das ist so gesehen normal - wir wären dann aber im Vergleich überdurchschnittlich auf die Hilfe anderer angewiesen.

Naja, war jetzt mehr allgemein bezogen aber die (Un-)Fähigkeit diverse deutscher Behörden wirkt sich halt auf die vorzeitige Bekämpfung von Komplexen wie dem NSU maßgeblich auf. Denn solche Komplexe kommen immer wieder, werden teils immer wieder verhindert. Da darf man sich keiner Illusion hingeben, in den Startlöchern stehen immer Formen eines "NSU", nur mit anderen Schwellen, Abwandlungen, Namen oder Triggerpunkten.


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07.11.2024 um 07:27
Zitat von MauserMauser schrieb:Dieses ständige Abwiegeln, die häufige Angabe sich nicht erinnern zu können, die oftmals verschachtelten Antworten selbst bei gewöhnlichen Fragen und noch vieles mehr erweckt einfach den Eindruck dass da jemand Theater spielt.
Also ich halte Temme für ein kleines Licht, das schlicht - und schlicht überfordert - war. Seine Biographie zeigt das schon, auch sein naives Verhalten am Tattag wie auch im Zuge der Ermittlungen. Für die Tätigkeit als V-Mann-Führer war er eigentlich weder geeignet noch qualifiziert. Und seine Vorgesetzten ließen ihn auch ziemlich im Stich, fallen wie eine heiße Kartoffel.

Es dauerte ja gerade mal zwei Wochen, da hatte das PP Kassel anhand von Computer- und Providerdaten den Klarnamen von Temme und seine Zugehörigkeit zum LfV ermittelt.

@Warden

Die Dienste sind von der Politik auch mit gewaltigen Zuwächsen beim Personal ausgestattet worden. So massiv, dass die Stellen gar nicht besetzt werden konnten und BfV und BND Werbung in S-Bahnen schalten mussten. Prompt wurden auch die Gebäude in Köln und Berlin zu klein (zumal die Kölner BfV-Zentrale aus den 1980ern durch und durch marode ist).

Zudem werden die Datenmengen, die verarbeitet werden müssen, immer gewaltiger. Denn die Befugnisse (Quellen-TKÜ usw.) wurden ausgeweitet, können aber gar nicht bewältigt werden. V.a. im Bereich Islamismus (schon die vielen arabischen Dialekte sind ein Problem). Aber auch die Spionageabwehr wurde seit der NSA-Geschichte und erst recht jetzt mit Russland aufgestockt.

Haldenwang hat zudem die von Maaßen hinterlassene "Extremismus"-Abteilung wieder in Rechts- und Linksextremismus getrennt und den Rechtsextremismus wie politisch erwartet viel stärker aufgestellt.

Ein Problem bleibt: "Das Trennungsgebot".

Ich halte es als Prinzip für unabdingbar, genauso wie die Existenz der Dienste. Aber sie sollen reine Informationsbeschaffer ohne polizeiliche Exekutivbefugnisse sein. Sie dürfen also nicht festnehmen, beschlagnahmen, durchsuchen (nicht mal eine Wohnung verwanzen) und Ermittlungsverfahren einleiten. Sie müssen das an die Polizei oder die Staatsanwaltschaft weiter geben, wenn es so weit ist. Nur die dürfen dann Exekutivmaßnahmen einleiten.

CDU-MdB Binninger hat immer wieder ein deutsches FBI gefordert, also eine Behörde, die Inlandsgeheimdienst und Polizei zugleich ist. Ich halte davon nichts. Das etwaige Plus an Effizienz wird mit der Gefahr von Missbrauch und mangelnder Kontrolle erkauft. Die McCarthy-Ära oder die Watergate-Affäre führten dazu, dass das FBI alle missliebigen Personen bespitzelte (bis hin zu Künstlern wie Charles Chaplin oder John Lennon) und Personendossiers mit teils intimen Inhalten anlegte.

Das größte Problem ist aber das veränderte digitale Kommunikationsverhalten. Da braucht es Techniker und Analysten - und keine Agenten mit Schlapphut. Vielleicht auch eine NSA, die die Daten für alle Dienste zentral erhebt und aufbereitet.

Noch ein paar Worte zur Forderung, den Verfassungsschutz abzuschaffen: Das würde unweigerlich zu einer Geheimpolizei führen, die Exekutivbefugnisse hätte. Denn irgendwer muss ja die Extremisten und Spione in diesem Land überwachen. Und wer sollte es dann tun? Nein, das Trennungsgebot ist sinnvoll.


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08.11.2024 um 12:08
Kein Prozess gegen mutmaßliche Terrorhelferin – Beschwerde eingelegt

Hat die beste Freundin der Rechtsterroristin Beate Zschäpe, Susann E., die Terrorgruppe NSU unterstützt? Davon ist die Bundesanwaltschaft offenbar überzeugt: Die Behörde hat nach SPIEGEL-Informationen sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden eingelegt, Susann E. keinen Prozess wegen des Vorwurfs der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung zu machen.

Das Gericht hatte Ende Oktober entschieden, nur die Anklage wegen des Vorwurfs der Beihilfe zur besonders schweren räuberischen Erpressung zuzulassen. Sie verwiesen den Fall zur Verhandlung an das Landgericht Zwickau.

Eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft bestätigte dem SPIEGEL, dass die Karlsruher Behörde sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung des Dresdner Senats eingelegt hat. Bleibt das OLG Dresden auch nach der Beschwerde der Bundesanwaltschaft bei seiner Entscheidung, muss der Bundesgerichtshof entscheiden, wegen welcher Vorwürfe E. der Prozess gemacht wird.

https://www.spiegel.de/panorama/justiz/nsu-kein-prozess-gegen-mutmassliche-terror-helferin-beschwerde-eingelegt-a-86cc07fa-03cf-423a-9135-e6f1df0c0e37

Na dann wollen wir mal sehen wie es weitergeht wobei zu hoffen bleibt dass das OLG der Beschwerde stattgibt respektive der BGH dann notfalls anordnet die Anklage, Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, doch noch zuzulassen. Auf der anderen Seite hoffe ich sehr dass die Bundesanwaltschaft dieses Mal wirklich wasserdichte Beweise für ihre Anklage hat so das eine hohe Wahrscheinlichkeit gegeben ist das ein Gericht dem folgt. Weil ein weiterer Fehlschlag in Form einer zu geringen Verurteilung wäre absolut fatal und hätte eine noch viel schlimmere Signalwirkung. Es ist dringend an der Zeit das der Rechtsstaat hier endlich mal ein deutliches Zeichen setzt!


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08.11.2024 um 13:55
Zitat von MauserMauser schrieb:Auf der anderen Seite hoffe ich sehr dass die Bundesanwaltschaft dieses Mal wirklich wasserdichte Beweise für ihre Anklage hat so das eine hohe Wahrscheinlichkeit gegeben ist das ein Gericht dem folgt.
Das mit der "Wasserdichtigkeit" ist immer so eine Sache. So etwas ergibt sich leider oft erst im Prozessverlauf.
Ich finde, es kommt darauf an, dass ein Verfahren nach rechtsstaatlichen Grundsätzen und so fehlerarm wie möglich durchgeführt wird. Das Ergebnis ist selten vorherzusehen und auch gar nicht so entscheidend.


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21.11.2024 um 16:58
Ruhr-Uni Bochum soll Hamburger NSU-Mord aufarbeiten

Die Ruhr-Universität Bochum soll die Geschehnisse und Ermittlungen rund um den Mord an dem Hamburger NSU-Opfer Süleyman Taşköprü wissenschaftlich aufarbeiten. Der von der Hamburgischen Bürgerschaft eingesetzte Beirat „Wissenschaftliche Aufarbeitung des NSU-Komplexes“ habe sich bei der Vergabe des Auftrags für das Studienkonzept der nordrhein-westfälischen Uni entschieden, teilte Bürgerschaftspräsidentin und Beiratsvorsitzende Carola Veit mit. Zur Umsetzung des Auftrags soll der Senat 900.000 Euro bereitstellen.

[...]

Hamburg ist das einzige Bundesland, in dem der NSU gemordet hat und in dem die Taten nicht von einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss untersucht wurden. Im April vergangenen Jahres hatte die Bürgerschaft eine wissenschaftliche Aufarbeitung des Hamburger Falls beschlossen.

Mit der Vergabe an die Uni Bochum gehe die Bürgerschaft nun den nächsten Schritt, „um einen neuen Hamburger Beitrag zur Aufarbeitung des NSU-Komplexes beizusteuern“, sagte Veit. „Die Studie wird sich den komplexen Strukturen des NSU und den Versäumnissen der Behörden anders nähern, als dies bisher in parlamentarischen Ausschüssen und Gremien bundesweit und in Hamburg möglich war.“

Mit der Fertigstellung des Gutachtens werde in drei Jahren gerechnet. Bis dahin soll es bereits Zwischenberichte geben.

https://www.sueddeutsche.de/politik/nsu-aufarbeitung-ruhr-uni-bochum-soll-hamburger-nsu-mord-aufarbeiten-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-241120-930-294035

Auch wenn ich die Einsetzung eines NSU-Untersuchungsausschuss für Hamburg, es wäre der mittlerweile 16(!) geworden, durchaus begrüßt hätte so bin ich doch gespannt darauf was bei dieser wissenschaftlichen Aufarbeitung herauskommen wird. Inwiefern sich diese Arbeit von der Vorgehensweise der bisherigen NSU-Untersuchungsausschüsse abgrenzt, wie effektiv sie sein wird, zu welchem Ergebnis man kommt all das muss sich noch zeigen. Dass es dabei Zwischenberichte geben wird ist schon mal positiv weil es einem einen Einblick und eine Einschätzung vorab ermöglicht wie man sich diese andere Art der Herangehensweise an den NSU-Komplex vorstellen muss.


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21.11.2024 um 18:43
Zitat von MauserMauser schrieb:Mit der Vergabe an die Uni Bochum gehe die Bürgerschaft nun den nächsten Schritt, „um einen neuen Hamburger Beitrag zur Aufarbeitung des NSU-Komplexes beizusteuern“, sagte Veit. „Die Studie wird sich den komplexen Strukturen des NSU und den Versäumnissen der Behörden anders nähern, als dies bisher in parlamentarischen Ausschüssen und Gremien bundesweit und in Hamburg möglich war.“
Ich fürchte, damit wird schon wieder eine Richtung vorgegeben: Der "komplexe NSU-Komplex". Hinter dem Begriff "NSU-Komplex" verbirgt sich ja nicht die relativ simple Struktur einer untergetauchten dreiköpfigen Terror-WG mit Helfern und Helfershelfern. So wie es vor dem Münchner OLG angeklagt und abgeurteilt wurde.

Sondern der Begriff (wie das Zitat) insinuiert "komplexe" Strukturen, die vielleicht denen der RAF gleichen, mit Infrastruktur, Unterstützern, einem Netzwerk, Hierarchien usw. Inklusive das staatliche "Versagen" (wir hatten ja schon darüber gesprochen, "Versagen" sehe ich nur im relativ eng umgrenzten Bereich der LfVs Thüringen und Sachsen, dafür aber umso unübersehbarer - wobei sich auch andere LfVs und das BfV nicht mit Ruhm bekleckert haben).

Ob das eine seriöse wissenschaftliche Analyse von Tat und Tätern einerseits (kriminalistisch/psychologisch) und Behördenhandeln andererseits (verwaltungs-, sozialwissenschaftlich/juristisch) wird, das wird sich zeigen. Dann kann man mal sehen, wie Wissenschaftler theoretisch mit der Tatsache umgehen, dass mehrere Zeugenaussagen glaubhaft Verbindungen Süleyman Taşköprüs zur organisierten Kriminalität (OK) zu belegen schienen - und sogar Namen Verdächtiger aus der OK nannten. Und die türkischstämmige Community ausnahmslos die OK-These teilte. Ähnlich war es ja auch bei den 9 anderen Morden (wobei beim griechischstämmigen Theodoros Boulgarides nur noch Ratlosigkeit herrschte).


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17.02.2025 um 13:13
Die Aufarbeitung des NSU-Komplex hat nun (endlich) auch in Hamburg begonnen:

NSU-Komplex: Beginn der wissenschaftlichen Aufarbeitung

Die Hamburgische Bürgerschaft hat nun ein Forschungsteam mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung des NSU-Mordes in Hamburg beauftragt. Im Rahmen einer Studie sollen die Geschehnisse und Ermittlungen rund um den Mord an Süleyman Taşköprü am 27.6.2001 durch die Terrororganisation NSU in Hamburg durchleuchtet und ein unabhängiges, umfassendes Gutachten erstellt werden.

[...]

Das Konzept sieht vor, dass der NSU-Komplex in Hamburg interdisziplinär untersucht wird. Neben juristischen und kriminologischen Methoden sollen auch qualitative sozialwissenschaftliche Interviews und Analysen der politischen Strukturen in Hamburg helfen, die Ereignisse zu rekonstruieren. Mit zeitgeschichtlichen, strafrechtlichen, verwaltungswissenschaftlichen und polizeisoziologischen Kompetenzen bringt das Forschungsteam Expertise in diversen Disziplinen mit. Damit geht das Vorhaben deutlich über die Möglichkeiten eines Untersuchungsausschusses hinaus.

[...]

Carola Veit, Bürgerschaftspräsidentin:
„Gut vorbereitet geht die wissenschaftliche Aufarbeitung jetzt endlich los: Die Forschenden erhalten vollumfängliche Akteneinsicht, ganz wie ein Untersuchungsausschuss. Ich bin unserem Verfassungsschutz und unserer Polizei dankbar für ihre Kooperationsbereitschaft. Das ist ein bisher in der Landespolitik einzigartiges Projekt. Ich bin froh, dass wir nun diesen neuen Weg gehen. Damit soll deutlich werden, dass die Opfer nie vergessen werden. Die Aufarbeitung soll dazu beitragen, dass sich rechte Gewalttaten und der NSU-Terror in Hamburg nicht wiederholen. Alle Bürger:innen sollen sich in unserer Stadt sicher fühlen, die Bürgerschaft stellt sich dieser Verantwortung. Das sind wir den Opfern und ihren Angehörigen schuldig. Gleichzeitig bietet der neue Blickwinkel auf Hintergründe und Zusammenhänge die Chance, Erkenntnisse für die Zukunft zu gewinnen."
Constantin Goschler, Prof und Sprecher des Wissenschaftsteams:
„Wir sind dankbar für das große Vertrauen, dass die Hamburger Bürgerschaft einer wissenschaftlichen Aufarbeitung entgegenbringt. Wir sind keine schneidige Untersuchungsausschussvorsitzende, Super-Cops oder hellseherische Profiler, die nun bislang unentdeckte Tatspuren und Hintermänner oder -frauen aufdecken können. In anderer Hinsicht sind wir aber durchaus Fallanalytiker: Unser Fall, den wir interdisziplinär zu lösen suchen, sind die polizeilichen Ermittlungen und die strafrechtliche Aufarbeitung in Hamburg, die selbst zu unserem Untersuchungsgegenstand werden. Diese sind ebenso im stadtgeschichtlichen Zusammenhang wie im Kontext der bundesweiten Auseinandersetzung mit den NSU-Morden zu interpretieren.“
Daniela Hunold, Prof:
„Spezifische Organisationskulturen bei Polizei und Verfassungsschutz können zu stereotypen Vorstellungen von Tatverdächtigen führen. Aber staatliche Behörden agieren auch niemals im luftleeren Raum. Wie behördliches Handeln mit stadtspezifischen Bedingungen wie sicherheitspolitischen Programmatiken und dem öffentlichen Meinungsklima in Hamburg miteinander korrespondierten und somit zu gewissen Pfadabhängigkeiten in der Ermittlungsarbeit zum Mord an Süleyman Taşköprü führten, werden wir im Rahmen unseres Forschungsprojekts genauer untersuchen. Die breite Unterstützung durch die Hamburger Bürgerschaft sowie den beteiligten Behörden und die besondere Interdisziplinarität des Projektteams sind hervorragende Voraussetzung für eine gelungene wissenschaftliche Aufarbeitung des NSU-Mordes in Hamburg.“
Charlotte Schmitt-Leonardy, Prof:
„Die Forschungsgruppe beginnt ihre wissenschaftliche Aufarbeitung mit einem starken, überparteilichen Mandat und hat das Privileg, an die Arbeit der politischen Untersuchungsausschüsse auf Bundes- und Länderebene sowie die Erkenntnisse aus dem NSU-Strafverfahren anknüpfen zu können. Die besondere Chance liegt hier im interdisziplinären Ansatz: wir schauen aus den verschiedenen Perspektiven unserer Disziplinen auf die immer noch offenen – und damit für Hinterbliebene und Gesellschaft schwer zu verarbeitenden – Fragen und sind uns auch deshalb der Möglichkeit blinder Flecken bei der bisherigen Aufarbeitung sehr bewusst. Unser Fokus liegt auf den systemischen Aspekten, die zur Herausbildung und Verstetigung der falschen und irreführenden Ermittlungshypothesen („OK-Hypothese“, „Einzeltäter-Narrativ“ usw.) geführt haben. Erst wenn wir die strukturellen Defizite der Vergangenheit wirklich begreifen, minimieren wir die Wiederholungsgefahr für die Zukunft.“
Wolfgang Seibel, Prof:
„Warum versteiften sich die polizeilichen Ermittlungen aller Mordkommissionen in fünf Bundesländern auf eine Hypothese, die sich als haltlos erwies? Das ist eine Schlüsselfrage unserer Untersuchung. Gemeinsam werden wir die organisatorischen, aber auch sozialen und kulturellen Dynamiken innerhalb von Polizei, Staatsschutz und Justiz bei den NSU-Ermittlungen in den Blick nehmen. In unserer interdisziplinären Untersuchungskommission vereinen sich zeitgeschichtliche, strafrechtliche, verwaltungswissenschaftliche und polizeisoziologische Kompetenzen.“
https://www.hamburgische-buergerschaft.de/service-/pressemitteilungen/pm-nsu-komplex-aufarbeitung-1022084

Na dann wollen wir doch mal sehen was dieser spezielle 'hamburgsche' Weg mit sich bringt und ob sich daraus neue, vielfältigere, andere oder gar bessere Erkenntnisse generieren lassen als durch einen "herkömmlichen" NSU-Untersuchungsausschuss. Mit einer veranschlagten Dauer von drei Jahren sind sie auch deutlich schneller als ein etwaiger Ausschuss mit einer Laufzeit von fünf Jahren.


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07.03.2025 um 21:55
Der Spiegel hat noch nicht bekannte Details aus der Befragung von Zschäpe durch das Bundeskriminalamt 2023 veröffentlicht:

Beate Zschäpe hat in bislang nur auszugsweise bekannten Vernehmungen neue Details über die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) preisgegeben. Laut einem Bericht des "Spiegel" schilderte sie unter anderem, dass ihre Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt regelmäßig zu Silvester ihre Waffen getestet hätten. Wegen des Feuerwerks sei das Schießen in dieser Zeit weniger aufgefallen. Die Tests hätten jedoch oft Frustration ausgelöst, da "fast alles Schrott" gewesen sei, so die wegen Mittäterschaft an den NSU-Morden zu lebenslanger Haft verurteilte Zschäpe.

Das sei Zschäpes Aussagen nach auch der Grund für den Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter im Jahr 2007 in Heilbronn gewesen sein. Zschäpe erklärte, dass die Tat dazu gedient habe, an zwei zuverlässige Polizeiwaffen zu gelangen. Entgegen den bisherigen Annahmen soll nicht Mundlos, sondern Böhnhardt Kiesewetter erschossen haben. Böhnhardt habe sich später damit gebrüstet, im Gegensatz zu Mundlos "ins Schwarze getroffen" zu haben.

Die Vernehmungen fanden im August und Oktober 2023 über insgesamt fünf Tage im Gefängnis in Chemnitz statt. Der "Spiegel" konnte die Protokolle der mehr als 340 Seiten umfassenden Befragungen rekonstruieren. Den Angaben zufolge schilderte Zschäpe, dass der NSU in den Anfangsjahren eine leerstehende Wohnung in Chemnitz genutzt habe, um sich nach Raubüberfällen vor der Polizei zu verstecken. Zudem sei sie einmal alleine mit dem Zug nach Berlin gereist, um erbeutetes Geld in unauffällige Scheine umzutauschen. Ein Teil des gewaschenen Geldes sei später an Unterstützer in der rechtsextremen Szene weitergeleitet worden.

[...]

In den Vernehmungen hat Zschäpe zudem einen ehemaligen Neonazi und V-Mann als mutmaßlichen Lieferanten von Schwarzpulver für den NSU benannt. Laut "Spiegel" beschuldigte sie Thomas S., ein früheres Mitglied des rechtsextremen Netzwerks "Blood and Honour", der Terrorgruppe Sprengstoff beschafft zu haben. Damit sollen mehrere Anschläge verübt worden sein, darunter der Bombenanschlag in der Kölner Keupstraße 2004 sowie Sprengstoffattentate in Nürnberg (1999) und Köln (2001).

Zschäpe erklärte, dass sie bei der Übergabe nicht dabei gewesen sei, ihre Komplizen Böhnhardt und Mundlos ihr aber erzählt hätten, dass das Schwarzpulver von Thomas S. stamme. Der Mann war von 2000 bis 2011 als V-Mann für das Berliner Landeskriminalamt tätig und hat mittlerweile einen neuen Nachnamen angenommen. Laut Zschäpe habe der NSU das Schwarzpulver über Jahre hinweg aufbewahrt – zunächst in Tupperdosen im Keller, später in einem Glaskolben in der Vorratskammer. Sie gehe davon aus, dass es für sämtliche Anschläge der Gruppe verwendet wurde.

https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/id_100624780/beate-zschaepe-neue-enthuellungen-ueber-nsu-morde-und-waffenlieferanten.html

Nun ja... sehr viel Neues, erhellendes oder wirklich aufklärendes erzählt Zschäpe hier - mal wieder - nicht bzw. wiederholt sie Sachverhalte welche sie bereits zuvor schon ausgesagt hatte. So ist zum Beispiel die Aussage der Mord an der Bereitschaftspolizistin Kiesewetter hätte nur der Beschaffung funktionstüchtiger Waffen gedient ein alter Hut da sie dies bereits bei ihrer ersten Aussage im NSU-Prozess behauptete und es seit damals nicht glaubwürdiger wurde, egal wie oft sie es noch wiederholen mag.

Ähnliches gilt für Starke als den Sprengstofflieferanten denn auch das ist hinlänglich bekannt und nichts Neues. Interessant dabei ist jedoch was Zschäpe damit nicht ausspricht. Indem sie die vermeintliche Herkunft von Sprengstoff alleine einer Person zuschiebt lenkt sie dadurch von möglichen weiteren Lieferanten oder unbekannten Herkunftsquellen ab. Auffällig ist auch das Zschäpe immer nur das wiedergibt was ihre Terrorkomplizen ihr angeblich erzählt haben wollen, das ist auch so ein bestimmtes Verhaltensmuster bei ihr. So redet sie einerseits ihre eigene Rolle klein und braucht andererseits niemand weiteren, Unbekannten, belasten. Auf die ganz zentralen Fragen nach Struktur, Mitgliedern, Organisation, Koordination, Kommunikation im NSU-Komplex gibt Zschäpe nach wie vor keinerlei Auskunft weshalb ihre Glaubwürdigkeit in vielen Aussagen nach wie vor bezweifelt werden kann und darf...


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07.03.2025 um 23:17
Zitat von MauserMauser schrieb:So ist zum Beispiel die Aussage der Mord an der Bereitschaftspolizistin Kiesewetter hätte nur der Beschaffung funktionstüchtiger Waffen gedient ein alter Hut da sie dies bereits bei ihrer ersten Aussage im NSU-Prozess behauptete und es seit damals nicht glaubwürdiger wurde, egal wie oft sie es noch wiederholen mag.
Sie lässt sich aber auch nicht widerlegen. Die unmittelbaren Täter sind tot. Für eine Verbindung zwischen den Opfern und den Mördern gibt es keine Anhaltspunkte. Operative Fallanalysen haben die Ansicht vertreten, den Tätern sei es zwar auch darum gegangen, an die Waffen zu gelangen, dies aber eher als "Throphäe".

Für mich stellt sich die Tat als verhältnismäßig kurzfristig geplant dar. Die Waffen waren osteuropäische Weltkriegswaffen, v.a. in den 1990ern ziemlich leicht zu beschaffen, aber nicht sehr zuverlässig. Das persönliche (Entdeckungs-)Risiko war nicht unerheblich. Bei Luftbildern vom Tatort empfand ich es als Harakiri. Das Hauptmotiv dürfte - klar rechtsextremistisch - gewesen sein, sich gegen, also über den Staat, das verhasste System zu stellen. Es ging darum zwei Polizisten anzugreifen, die gerade "außer Dienst", also in der Mittagspause ware, und deshalb leichter überfallen werden konnten. Und zufällig machten Kiesewetter und Arnold dort Pause, wo auch sonst Polizisten mal Pause machten. Dass die dort Pause machen würde, konnte niemand wissen, das haben sie ungeplant so entschieden.

Gegen die Waffenbeschaffung als primäres Ziel spricht etwas, dass sich die Täter nicht damit beschäftigt hatten, wie eine Polizeipistole im Holster befestigt und gegen unbefugte Wegnahme gesichert ist. Beim Versuch an Kiesewetters P2000 zu gelangen, zerrten sie so mit Gewalt an der Waffe, dass die Sterbende aus dem Auto geschleift wurde. Dagegen spricht auch, dass (zumindest eine) dieser Waffen 2011 in Eisenach zwar im Wohnmobil waren, aber nicht eingesetzt wurden. Aber die Ausstattung mit Waffen nicht ohne waren. Merkwürdigerweise gaben sie mit einer sehr billigen WK-II-MP einen Schuss auf ein Polizeiauto ab, dann blockierte die Waffe. Die nächsten Schüsse dienten dem Suizid.

Überhaupt: Die Mordserie endete mit dem Polizistenmord von Heilbronn, von April 2007 bis Nov. 2011.
Zitat von MauserMauser schrieb:Auf die ganz zentralen Fragen nach Struktur, Mitgliedern, Organisation, Koordination, Kommunikation im NSU-Komplex gibt Zschäpe nach wie vor keinerlei Auskunft weshalb ihre Glaubwürdigkeit in vielen Aussagen nach wie vor bezweifelt werden kann und darf...
Wenn es diese Strukturen, Mitglieder usw. und v.a. den "NSU-Komplex" überhaupt gibt. Ich halte ihn außer den in München Mitangeklagten für eine Chimäre, jedenfalls spätestens, nachdem die Mordserie 2000 mit Enver Simcek Ermordung begann. Ein solcher "Komplex" war auch nicht notwendig, um die Taten zu begehen. Die Opfer waren willkürlich ausgewählt, weshalb es den Ermittlern ja auch auf Biegen und Brechen nicht gelang, Bezüge zwischen ihnen zu finden - außer der Herkunft -, womit man sich dann im OK-Strudel verlor. M.E. mag es Kontakte zu Rechtsextremisten gegeben haben, aber die Morde selbst, so meine Überzeugung, die waren das Werk der beiden Uwes. Das war ihr "Thrill" und ihre Existenzberechtigung und sie brauchten nur ein Wohnmobil, Fahrräder, eine Ceska 83 mit Schalldämpfer und dann ihrer menschenverachtenden Jagd nachgehen zu können.

Alles Schrecklich genug.


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08.03.2025 um 20:58
Zitat von OriginesOrigines schrieb:Sie lässt sich aber auch nicht widerlegen. Die unmittelbaren Täter sind tot.

Andersrum lässt es sich aber genauso wenig nachweisen und Tote kann man leicht belasten! Es ist und bleibt einfach eine Frage der Wahrscheinlichkeit. Wie wahrscheinlich ist es das Mundlos und Böhnhardt nur zum Zwecke der angeblichen Waffenbeschaffung die halbe Republik durchfahren um dort einen Mordanschlag auf zwei Polizeibeamte durchzuführen den sie genauso gut sonst wo hätten durchführen können? Das ergibt einfach keinen Sinn weshalb die Wahrscheinlichkeit weitaus größer ist das noch andere Faktoren hier eine zentrale Rolle gespielt haben (Trophäenwert der geraubten Waffen und Ausrüstungsgegenstände, Namensgleichheit des Tatortes mit dem Anschlagsort in München 1980 usw.). Solange diese Faktoren nicht aufgeklärt sind wird es weiterhin offene Fragen geben doch all das ändert nichts daran das Zschäpes bisherige Aussagen hierzu unglaubwürdig sind.

Zitat von OriginesOrigines schrieb:Die Waffen waren osteuropäische Weltkriegswaffen, v.a. in den 1990ern ziemlich leicht zu beschaffen, aber nicht sehr zuverlässig. [...] Merkwürdigerweise gaben sie mit einer sehr billigen WK-II-MP einen Schuss auf ein Polizeiauto ab, dann blockierte die Waffe.

Jedoch zuverlässig genug um Kiesewetter zu töten und auch Arnold beinahe ins Jenseits zu befördern… Die Tatwaffe in der Ceska-Serie, CZ83, ist auch ein typisches Exemplar einer sogenannten „Ostblockwaffe“ aber funktioniert hat sie dennoch einwandfrei und konnte selbst nach dem Wohnungsbrand in Zwickau noch vergleichsbeschossen werden. Daher nochmal: Solange der technische Zustand einwandfrei ist oder die Waffenmechanik nicht blockiert sind Handfeuerwaffen aus den Weltkriegen oder östlicher Bauart genauso verlässlich wie jene Modelle westlicher Bauart. Bestes Beispiel dafür ist wohl aktuell der Ukrainekrieg wo z. T. noch Maschinengewehre eingesetzt werden die über 100 Jahre(!) alt sind. Die Pleter 91 stammt übrigens nicht aus dem 2. Weltkrieg sondern wurde 1991 während des Kroatienkrieges entwickelt, ist also jüngeren Ursprungs. Das sie kurz nach der ersten Schussabgabe versagt hat lässt eher auf einen schlechten Zustand schließen als auf die Waffe als solches. Rein aus dem Alter oder der Herkunft einer Waffe kann man nicht per se unbedingt ein Qualitätsmerkmal ableiten.

Zitat von OriginesOrigines schrieb:Wenn es diese Strukturen, Mitglieder usw. und v.a. den "NSU-Komplex" überhaupt gibt. Ich halte ihn außer den in München Mitangeklagten für eine Chimäre [...]Ein solcher "Komplex" war auch nicht notwendig, um die Taten zu begehen. [… ] M.E. mag es Kontakte zu Rechtsextremisten gegeben haben, aber die Morde selbst, so meine Überzeugung, die waren das Werk der beiden Uwes.

Im Kern stimme ich dir hier zu. Das Gesabbel von Nebenklagevertretern, Linken, Antifaschistischer Initiativen und Vereinen bezüglich eines bundesweit agierenden Terrornetzwerkes mit X Mitgliedern welche alle bis ins letzte Detail eingeweiht waren ist natürlich blanker Nonsens! Aber das bedeutet nicht dass es nicht eine informelle Unterstützung von außen gegeben haben kann. Gerade was die Tatortauswahl bzw. Tatopfer betrifft steht ja die große Frage im Raum wie die Zwickauer Terrorzelle gerade darauf gekommen sind weil so manche Lokalisation für Ortsfremde nicht mal eben so schnell zu finden ist. Es ist daher durchaus denkbar dass es lokale Hinweisgeber gab ohne dass diese konkret zu wissen brauchten ob überhaupt etwas passieren wird genauso wenig wo, was, wie, wann und durch wen es eventuell geschehen wird. Das bekannte Prinzip von „Need to Know“ – jeder weiß nur so viel wie er unbedingt wissen muss. Und je weniger jemand eingeweiht ist desto weniger kann man etwas verraten und desto sicherer ist man selbst vor strafrechtlicher Verfolgung weil das ja erst mal juristisch nachgewiesen werden muss. Letztendlich bedarf es aber auch hier weiterer Aufklärung um dieser wie auch der vielen weiteren offenen Fragen im NSU-Komplex nachzugehen.


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Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU)

08.03.2025 um 22:05
Zitat von MauserMauser schrieb:Solange diese Faktoren nicht aufgeklärt sind wird es weiterhin offene Fragen geben doch all das ändert nichts daran das Zschäpes bisherige Aussagen hierzu unglaubwürdig sind.
Man mag Zschäpe als unglaubwürdig einstufen, ihre Aussagen sind insoweit glaubhaft. Das heißt nicht, dass sie wahr sind.

Zschäpe kennt durch den Prozess die Sachverhalte und über ihre Anwälte auch die Akten und damit die Erkenntnisse oder Theorien der Behörden zu den einzelnen Taten. Wenn sie kooperativ erscheinen und für sich Gutes tun will (Haftentlassung auf Bewährung - sie sitzt jetzt seit 13 Jahren in Haft und möglichst keine anschließende Sicherungsverwahrung), wird sie also genau das sagen, was zum Stand der offiziellen Wahrheitsfindung kompatibel ist, ohne sich selbst zu belasten. So war auch schon ihre Aussage vor dem OLG gestrickt (wobei das OLG ihr nicht geglaubt hat - mit einer sehr problematischen juristischen Konstruktion von "Tatherrschaft", die der BGH aber akzeptiert hat).

Ihren Aussagen wird also nie etwas wirklich Neues zu entnehmen sein.
Zitat von MauserMauser schrieb:Die Tatwaffe in der Ceska-Serie, CZ83, ist auch ein typisches Exemplar einer sogenannten „Ostblockwaffe“ aber funktioniert hat sie dennoch einwandfrei und konnte selbst nach dem Wohnungsbrand in Zwickau noch vergleichsbeschossen werden.
Die Ceska stammte aus Stasi-Beständen und war eine "Nobel-Waffe", weil sie für bzw. mit dem Schalldämpfer produziert worden war.

Das Problem an den in Heilbronn verwendeten Waffen war: Sie waren irrsinnig laut. Sehr viele Zeugen hörten die Schüsse, v.a. weil gleich um die Ecke an der "Theresienwiese" zur Tatzeit ein Volksfest aufgebaut wurde. Zudem hatten sich die Uwes mit ihrem Wohnmobil (das konnte nach 2011 aufgrund der Daten der sofort eingeleiteten Ringfahndung identifiziert werden) auf dem angrenzenden Parkplatz niedergelassen (von Zeugen am Tag vorher beobachtet). Das spricht nicht für eine akribisch vorbereitete Tat, erst recht nicht im Zusammenhang mit dem Oktoberfest.

Stattdessen dürften sie von dort aus beobachtet haben, dass am Tatort Polizisten häufiger Rast machten. Zuletzt am Vortag. Sie konnten aber nicht wissen, dass Kiesewetter und Arnold dort Mittagspause machen würde. Niemand konnte das wissen. Die beiden Polizisten entschieden sich spontan dafür, als gerade kein Einsatz anstand.
Zitat von MauserMauser schrieb:Das Gesabbel von Nebenklagevertretern, Linken, Antifaschistischer Initiativen und Vereinen bezüglich eines bundesweit agierenden Terrornetzwerkes mit X Mitgliedern welche alle bis ins letzte Detail eingeweiht waren ist natürlich blanker Nonsens! Aber das bedeutet nicht dass es nicht eine informelle Unterstützung von außen gegeben haben kann. Gerade was die Tatortauswahl bzw. Tatopfer betrifft steht ja die große Frage im Raum wie die Zwickauer Terrorzelle gerade darauf gekommen sind weil so manche Lokalisation für Ortsfremde nicht mal eben so schnell zu finden ist. Es ist daher durchaus denkbar dass es lokale Hinweisgeber gab ohne dass diese konkret zu wissen brauchten ob überhaupt etwas passieren wird genauso wenig wo, was, wie, wann und durch wen es eventuell geschehen wird. Das bekannte Prinzip von „Need to Know“ – jeder weiß nur so viel wie er unbedingt wissen muss. Und je weniger jemand eingeweiht ist desto weniger kann man etwas verraten und desto sicherer ist man selbst vor strafrechtlicher Verfolgung weil das ja erst mal juristisch nachgewiesen werden muss. Letztendlich bedarf es aber auch hier weiterer Aufklärung um dieser wie auch der vielen weiteren offenen Fragen im NSU-Komplex nachzugehen.
Wie und warum die Auswahl der Opfer erfolgte, haben die beiden Uwes meiner Ansicht nach mit ins Grab genommen. Genauso auch die "Pausen" in der Mordserie, einmal zwischen 2001 und 2004 und dann ab 2006 bzw. nach dem Polizistenmord 2007. Mir kommt das alles sehr erratisch und wenig systematisch vor. Sie kurvten zwar mit ihren Wohnmobilen durch die Republik, nutzen BahnCards, machten Urlaub, überfielen 15mal Banken, aus unerfindlichen Gründen zumeist vor der Haustüre, allein 8mal in Chemnitz. Aber systematisch ist da nichts. Auch diese Überfälle selbst sind rätselhaft, vor 2011 kam die Polizei nicht mal auf die Idee, es könnte sich um eine Serie oder die selben Täter handeln. Der Überfall in Eisenach passierte, obwohl sie noch zigtausende Euro in ihrem Wohnmobil und zu Hause in der von Zschäpe niedergebrannten Wohnung in Zwickau hatten.

Ich denke, wir müssen da psychologisch ran, nicht vom großen Plan ausgehen. Über die emotionale/soziale Dynamik des Trios wissen wir kaum etwas, darüber erzählt auch Zschäpe nichts Glaubhaftes (außer dass sie gemobbt wurde und willenloses Werkzeug in den Händen der Uwes gewesen sei).

Ein "Need-To-Know"-Prinzip erfordert eine Organisation und Hierarchien. Da mag bei der RAF funktioniert haben, bei Rechten kennen wir so was nicht. Ich gehe allerdings davon aus, dass das engere Umfeld zumindest die Finanzierung des Lebens im Untergrund dem Grunde nach ahnte, vielleicht auch von Terrorakten. Aber mit dem ersten Mord an Enver Simcek mussten sie dicht machen. Das musste ihr Geheimnis bleiben. Insofern müssten sie Helfer gezielt im Unklaren gelassen haben, was Ziel ihrer Reisen bzw. Besuche war, vielleicht getarnt als Beschaffung von Alias-Papieren, Treffen usw.

Ein überschaubares Netzwerk, das das Leben im Untergrund absicherte, das gab es und das wurde ja auch ermittelt und strafrechtlich verfolgt.

Aber ich halte das Risiko für absurd groß, Nazi-Kumpels in Heilbronn zu besuchen, sich von denen Rastplätze von Polizisten mitteilen zu lassen und dann so eine Nummer abzuziehen. Oder meinetwegen in Kassel mit Yozgat. Das ist einfach aus krimineller Sicht Harakiri und - das gilt für den ganzen rechtsextremen Bereich - V-Leute waren nie auszuschließen, die Rechten nehmen die Kohle und quatschen einfach gerne. Die berichteten zwar den LfVs oder dem BfV zumeist nur Müll, aber ich hätte an Stelle der Uwes niemanden ins Vertrauen gezogen.

Sie hatten Zeit, sie hatten Geld, sie hatten Waffen, sie hielten sich für Helden und sie hatten einen wirksamen modus operandi (Fahrräder). Wenn man im Durchschnitt ein mal im Jahr einen Terrorakt und einen Banküberfall hinlegt, dann bleibt viel Motivation und Zeit für die Vorbereitung. Das war ja ihr "Job", Terroristen im Untergrund zu sein. Sie brauchten für ihre Morde und Banküberfälle kein Netzwerk. Das brauchten sie nur zur Absicherung ihrer Legende, ihrer Papiere, Verträge, Handys, Anmietungen usw.


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Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU)

09.03.2025 um 08:31
PS:
Zitat von OriginesOrigines schrieb:Das brauchten sie nur zur Absicherung ihrer Legende, ihrer Papiere, Verträge, Handys, Anmietungen usw.
Und zur Beschaffung ihrer Waffen. Woher die kamen, blieb im Gegensatz zur Ceska 83 größtenteils im Dunklen. Wobei sie da auch selbst fleißig waren, sie hatten offenbar sowohl im Wohnmobil als auch in der Frühlingsstraße mehrere eigene Schussvorrichtungen gebastelt.
Zitat von OriginesOrigines schrieb:Über die emotionale/soziale Dynamik des Trios wissen wir kaum etwas, darüber erzählt auch Zschäpe nichts Glaubhaftes
Das gilt auch für die politisch/ideologische Entwicklung in den Jahren im Untergrund. So sehr sie sich als Untergrundkämpfer gefühlt haben mögen, eine stringente ideologische Grundlage scheint mir zu fehlen.

Klar, "führerloser Widerstand" blabla, aber mit welchem Ziel? Politisch motivierter Terror muss als Solcher erkennbar sein, auch beim "führerlosen Widerstand". Doch niemand erkannte ihre Taten als politischen Akt. Das nach dem Helbronner Mord hergestellte Video (von 2007, ein Foto vom Trauerzug für Kiesewetter ist dort gezeigt, wie auch am Tatort von den Tätern gemachte Fotos der Opfer wie Yozgat), ist als politisches Statement armselig. Wollten sie so die Welt vor dem Untergang retten? Gesinnungsgenossen mobilisieren?

Im Gegenteil: Gerade angesichts dieses zynischen Videos erscheinen mir die Tötungen umso mehr als schlichte Hassverbrechen, letztlich örtlich und zeitlich ziemlich willkürlich, als "Thrill", zum "Aufgeilen", zur Selbstvergewisserung, ein Widerstandskämpfer zu sein. Und damit die Rechtfertigung für ihr Leben im Untergrund.

Arm ist das alles.


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