Am vergangenen Sonntag war ja der dritte Jahrestag der mündlichen Urteilsverkündung im NSU-Prozess was die antifaschistische Initiative "NSU Watch" zum Anlass genommen hat wieder ihre Sichtweise zu rezitieren und die entsprechenden Artikel aus dem Archiv zu holen. Einer dieser Artikel ist hinsichtlich seines Inhalts an einer Stelle bemerkenswert:
„Ehrenerklärung“ für Temme
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In seiner Konsequenz war das Urteil sicher auch für langjährige Prozessbeobachter*innen überraschend. Dass es dem Gericht nicht um Aufklärung, sondern vor allem ums Abhaken ging, war allerdings spätestens seit denjenigen Beschlüssen klar, mit denen es weitere Beweisanträge zum hessischen Verfassungsschutzmitarbeiter Andreas Temme abgelehnt hatte. Zuvor konnte bei Beobachter*innen der Eindruck entstehen, dass der Senat ein aufrichtiges Interesse hat an der Klärung der offenen Fragen rund um den Verfassungsschützer, der zum Tatzeitpunkt des Mordes an Halit Yozgat am 6. April 2006 am Tatort anwesend war.
Temme selbst wurde im Prozess sechsmal als Zeuge gehört und auch vom Vorsitzenden intensiv und kritisch befragt. Auf Anträge der Nebenkläger*innen der Familie Yozgat wurde eine ganze Reihe von Zeug*innen aus dem hessischen Geheimdienst gehört. Doch in seinen Beschlüssen im Juli 2016 erklärte der Senat Temmes Version der Geschehnisse plötzlich wider alle Ergebnisse der Beweisaufnahme für glaubhaft. Er ging sogar darüber hinaus und gab ohne Not eine Art „Ehrenerklärung“ für den früheren Verfassungsschützer ab, der noch immer im Staatsdienst tätig ist. An diesem Punkt wurde deutlich, dass die Richter*innen nicht an umfassender Aufklärung der Rolle Temmes interessiert waren, sondern der Beweisaufnahme zu Temme aus Opportunitätsgründen, wohl vor allem für die Außenwirkung und zur Schadensbegrenzung, einen gewissen Raum gegeben hatten, sich der offenen Fragen aber möglichst einfach entledigen wollten.
https://www.nsu-watch.info/2018/08/abhaken-statt-aufklaeren-das-urteil-im-nsu-prozess-soll-die-unhaltbare-trio-these-zementieren/
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Gerade die Behauptung das Temme zum Tatzeitpunkt anwesend gewesen sei, welches von vielen Medien leider oftmals zu vorschnell, ungeprüft und kritiklos übernommen wird, ist sehr gewagt da durchaus die Möglichkeit als auch eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht das er den Tatort bereits
VOR dem Mord verlassen hat. Ein Abgleich der Angaben im NSU-Untersuchungsausschuss Hessen I in Kombination mit der Arbeit des Instituts "Forensic Architecture" macht das ziemlich deutlich und löst damit gleichzeitig auch einige der bis heute sehr stark diskutierten kontroversen Fragen. Insofern wäre es richtiger vielmehr nur von einer Anwesenheit im fraglichen Tatzeit
RAUM als einem Tatzeit
PUNKT zu sprechen.
Was den Vorwurf an das Gericht angeht es wolle nur "abhaken" und sich offener Fragen "entledigen" so muss man an der Stelle einfach mal festhalten dass das Gericht an die StPO gebunden ist und Temme nicht als Angeklagter im Prozess geführt wurde sondern als Zeuge welcher über eine bestimmten Sachverhalt Auskunft geben soll. Sollte das Gericht dabei an einem toten Punkt ankommen bei dem eine weitere Befragung zwecklos erscheint so muss die Sache an dieser Stelle beendet werden. Rechtsstaatlichkeit bedeutet das man sich an die entsprechenden Gesetze, Vorschriften und das Beweisgebot halten muss! Gerade Initiativen wie "NSU-Watch" welche sich - nach eigener Darstellung - der Aufklärung verschrieben haben wären gut darin beraten dies endlich zu akzeptieren bevor sie in bester beleidigter Leberwurst Manier zu solchen Einschätzungen kommen nur weil sie mit dem Geschehenen nicht einverstanden sind.
PS: Sitting-Bull schuldet mir übrigens immer noch 100 Besen da das Urteil für Zschäpe im NSU-Prozess das Urteil im Prozess um den Brandanschlag von Salzhemmersdorf bei weitem übertrifft...!