Schwierige Beweisführung
Für Beobachter des Verfahrens kommt das nicht unerwartet. Schon beim engeren Kreis der Helfer des NSU, die am Oberlandesgericht München auf der Anklagebank saßen, wurde deutlich, wie schwierig die Beweisführung in einem Milieu ist, in dem Schweigen oberstes Gebot und Heimlichkeit das ständige Bemühen aller Beteiligten war.
Spätestens als die Bundesanwaltschaft auch vor dem Bundesgerichtshof nicht mit ihrer Argumentation durchdringen konnte, dass der Freund und Helfer des Terrortrios, Andre Eminger, eine größere Rolle hatte, als das Münchner Gericht geurteilt hatte, wurde mit einer vorläufigen Einstellung der noch offenen Verfahren gerechnet. Zwar sind vorläufige Einstellungen nach § 170 Absatz 2 der Strafprozessordnung nicht das letzte Wort. Doch in der Regel sind sie für die Beschuldigten das Ende des Verfahrens.
Keine gerichtsfesten Beweise
Noch nicht aufatmen können vier weitere Personen, gegen die der Generalbundesanwalt noch immer ermittelt. Darunter ist Susan E., die Frau eines verurteilten Terrorhelfers. Auch das "Strukturverfahren" der Bundesanwaltschaft läuft noch weiter, in dem die Behörde gemeinsam mit dem Bundeskriminalamt die Struktur der Terrorzelle weiter aufzuklären versucht.
Allerdings scheint es nur noch eine Frage der Zeit, bis auch die vier weiteren Beschuldigten ihre Einstellungsverfügung bekommen. Wer sich intensiver mit dem NSU und der Rolle dieser Personen befasst hat, mag das bedauerlich finden. Rechtlich überraschend ist es nicht, denn eine Anklage braucht nicht nur Vermutungen, so plausibel sie auch erscheinen. Sie braucht gerichtsfeste Beweise. Die haben BKA und Bundesanwaltschaft nicht gefunden.
https://www.tagesschau.de/investigativ/swr/nsu-ermittlungen-helfer-bundesanwaltschaft-101.html |
Ein herber Rückschlag für die Aufklärung im NSU-Komplex, da gibt es nichts zu beschönigen! Jetzt können sich Nebenklagevertreter, Linke und antifaschistische Organisationen und Gruppierungen wie NSU-Watch & Co. gegenseitig auf die Schulter klopfen und sagen das sie es ja schon immer gewusst haben weil die Behörden ja von Anfang an nie ernsthaft in Richtung eines Netzwerkes ermittelt hätten. Aber ist es wirklich so einfach? ... Natürlich nicht! Rechtsstaatlichkeit bedeutet dass der Staat einen klaren Schuldnachweis erbringen muss wenn er eine Person anklagt weil er sie der Tat XYZ beschuldigt. Dabei zählt es absolut nicht was man denkt, glaubt, mutmaßt, spekuliert, vorstellt, fantasiert, sich wünscht oder für möglich hält sondern einzig und allein Fakten, Tatsachen und Beweise!
Im Falle von Burkhardt zum Beispiel kann man sich schon fragen warum gerade er auf der Beschuldigtenliste war denn außer dass das Terrortrio eine Zeit lang bei ihm untergekommen ist und er Mundlos am Ende seine Identität geliehen hat kann man ihm nichts weiter nachweisen bzw. ist darüber hinaus nichts weiter bekannt. Bei seiner Ex-Freundin Struck gibt es zwar interessante Hinweise auf eine mögliche tiefergehende Verwicklung aber auch hier reicht die Beweislage offensichtlich ebenso wenig aus. Was dagegen Starke/Müller, Dienelt oder Werner angeht so ist es natürlich extrem bedauerlich dass sich deren Rolle wohl nicht mehr klären lassen wird. Gerade bei Dienelt als Hauptmieter des Terrortrios bestehen noch mannigfaltige Fragen genauso wie bei dem sehr umtriebigen Jan Werner und den vielen Strippen die er gezogen hat.
Aber es gilt nun mal das Beweisgebot und ehrlicherweise muss man an dieser Stelle auch sagen dass die Aufklärungsbemühungen der Nebenkläger bisher ebenso wenig erfolgreich verlaufen sind. So gibt es zum Beispiel bis heute zu der Spur um Werner, die einst Nebenklageanwalt Yavuz Narin aufgebracht hatte, offenbar keine neuen Erkenntnisse. Man kann ja kritisch zu den Ermittlungen von Bundesanwaltschaft, Bundeskriminalamt & Co. stehen aber Fakt ist nun mal das von alternativer Seite - in den mittlerweile über 10 Jahren seit der Selbstenttarnung des NSU - auch keinerlei nennenswerte Erfolge erzielt worden sind die eine Aufklärung in diesem Komplex vorangebracht hätten...
Ironischerweise stärkt dieser Einstellungsbeschluss, und damit Negativum was die Aufklärung anbelangt, in gewisser Weise doch die Sichtweise der Bundesanwaltschaft. Weil es zeigt damit - wieder einmal - das die Netzwerktheorie im NSU-Komplex doch sehr unwahrscheinlich ist. Letztendlich gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder haben sie wirklich nichts gewusst weil sie in die entscheidenden Prozesse nicht eingebunden waren oder aber sie waren so dermaßen hyperkonspirativ das man ihnen bis heute eine Mittäterschaft, Mitwisserschaft, Beihilfe oder Unterstützung zu Mord, Terror und Raub kriminalistisch wie juristisch einfach nicht nachweisen kann. Es liegt jetzt an jedem selbst zu entscheiden was er für richtig oder wahrscheinlich hält genauso wie es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe bleiben wird den NSU-Komplex vollumfänglich aufzuklären!