Momentan sorgt ein aktueller Artikel der Süddeutschen Zeitung ja nicht nur in der NSU-Thematik für ein wenig Aufmerksamkeit, da darin jedoch auch auf den NSU-Prozess Bezug genommen wird, ein paar Anmerkungen an dieser Stelle:
Der Münchner Richter Manfred Götzl hat den wichtigsten Prozess der deutschen Nachwendezeit geleitet, den NSU-Prozess, und er ist nach 438 Verhandlungstagen als unangefochtener Herr des Verfahrens aus dem Gerichtssaal geschritten: Kein Befangenheitsantrag hat ihn aus der Bahn geworfen, keine Überraschung ins Schlingern gebracht, und am Ende hat auch der Bundesgerichtshof das Urteil gehalten.
Man darf davon ausgehen, dass das für Götzl die letzte, die wichtigste Bestätigung seiner Arbeit war. Der Beweis dafür, dass er recht hatte. Allenfalls der Hinweis des Bundesgerichtshofs, dass das NSU-Urteil mit seinen 3025 Seiten schon ein wenig ausufernd geraten sei, könnte einen winzigen Schatten auf Götzls Werk werfen. Ein winziger Schatten zu viel, wenn man Götzls Hang zum Perfektionismus kennt.
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Er ist bis zur Detailversessenheit akkurat, was ihn allerdings nicht davon abhält, immer wieder eigenwillige Entscheidungen zu treffen: Im NSU-Prozess etwa ließ er einen Neonazi, den engsten Vertrauten der Terrorzelle, glimpflich davonkommen. Auch einem hessischen Verfassungsschützer, der während eines NSU-Mordes am Tatort war und darüber gelogen hatte, glaubte er am Ende - nachdem er ihn fünf Mal nach München ins Gericht hatte kommen lassen.
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/manfred-goetzl-nsu-mord-1.5759373 |
Das ist nicht überraschend! Die Beweislage war bereits schon vor Prozessbeginn sehr hoch und hat sich während des Prozess nur noch umso mehr verfestigt weshalb das Urteil am Ende, was die Schuld von Zschäpe betraf, dann eigentlich fast nur noch eine formaljuristische Feststellung durch das Gericht gewesen ist. Daran haben auch die gesamten Stör- und Verzögerungsversuche sowohl von den Zschäpe-Verteidigern als auch den Szene-Anwälten absolut nichts geändert! Vor allem Zschäpes damaligen Erstanwälten ist ihr Mandat, welches das Potenzial gehabt hätte das Mandat ihres Lebens zu werden, regelrecht um die Ohren geflogen und sie sind mit ihrer Verteidigungsstrategie grandios gescheitert!
Die politische Brisanz des NSU-Prozesses ist sicherlich auch mit der Grund gewesen weshalb Manfred Götzl als Vorsitzender Richter dafür bestimmt worden ist da er bereits schon zuvor für seine revisionsfesten Urteile bekannt war. Das erklärt auch die enorme Länge der schriftlichen Urteilsbegründung denn die politische Losung gebot es das der Prozess nicht nur um jeden Preis stattfinden sondern insbesondere auch rechtskräftig abgeschlossen werden musste. Diesem eisernen Prinzip wurde alles untergeordnet indem man alles Erdenkliche unternahm um einen potenziellen Revisionsgrund von vornherein auszuschließen oder unmöglich zu machen. Unter diesem Aspekt ist auch die sehr unempathische mündliche Urteilsbegründung vom Juli 2018 zu betrachten.
Ganz ähnlich sind auch die gerichtlichen Entscheidungen im Prozess zu sehen. Natürlich erscheint es total widersprüchlich wenn ein Gericht mehrfach einen Zeugen vorlädt, und dieser in den Befragungen auch alles andere als glaubwürdig erscheint, man dann zum Schluss aber doch plötzlich genau dieser Person Glaubwürdigkeit bescheinigt. Das Problem bestand darin dass das OLG sich hier in einer Zwickmühle befand. Entweder ging es der Sache nach und verstieß damit gegen das gesetzliche Beschleunigungsgebot mit allen möglichen Konsequenzen oder aber Götzl und der Senat lehnen es ab dem detailliert nachzugehen müssen dann allerdings dem Zeugen Glaubwürdigkeit attestieren. Temme stand schließlich nicht unter Anklage sondern sollte lediglich als Zeuge über einen bestimmten Sachverhalt befragt werden und darüber hinaus gab und gibt es bis heute nicht den geringsten Beweis für eine Verwicklung in die eigentliche Mordtat! Das kann an dieser Stelle gar nicht stark genug betont werden!
Dass dieser SZ-Artikel ausgerechnet auch noch von Annette Ramelsberger verfasst wurde macht die Sache nicht gerade besser, im Gegenteil. Weil Ramelsberger gilt neben ihrem ehemaligen Kollegen Tanjev Schultz eigentlich als eine der profiliertesten Kennerinnen der NSU-Thematik innerhalb der SZ und man sollte eigentlich meinen als auch erwarten können das es gerade so jemand besser weiss. Weil auch Temme vermeintliche Anwesenheit am Tatort noch während des Mordes ist sowohl unbewiesen wie unwahrscheinlich und das wiederum weiß Ramelsberger ganz genau und trotzdem wird es - wie so oft - falsch dargestellt.