Atrox schrieb:Puh...wenn man mal denen den Hintern so pudern wollen würde, die den Bums am Laufen halten...Depressionen, Stigmatisierung und Existenzängste sind nicht exklusiv in den unteren Einkommensgruppen bzw. bei Leistungsbeziehern zu finden.
Willst Du diese Folgen etwa relativieren oder verharmlosen?
Ich gebe Dir mal ein Beispiel, wie das bis zum letzten BGH-Urteil lief und in Teilen heute auch noch möglich ist.
Das Strafgesetzbuch sieht bei einem mittelschweren verurteilten Fall und einer höheren Geldbuße den Schutz eines Existenzminimums vor, ähnlich wie bei einem geschützten P-Konto darf ein entsprechend fester Betrag nicht gepfändet werden.
Versäumte ein Hartz 4 Empfänger einen Termin konnten Sanktionen für volle 3 Monate erfolgen, die das eh schon knappe monatlich Budget pro Monat um etwa mehr als 130 Euro minderte. Für ein einfaches Terminversäumnis wurdest Du mit guten 400 Euro "Strafe" belegt, zusätzlich noch die Probleme, die Durch den Geldmangel entstanden.
Dies konnte auch passieren, wenn man einen Grund für das Versäumnis nachreichte. Bestand die Sanktion, konnte sie nicht einfach rückgängig gemacht werden, es bedurfte einem Widerspruch und letztendlich einer Klage vor dem Sozialgericht. In besonders krassen Fällen war eine Obdachlosigkeit nicht nur vorprogrammiert weil 100% für drei Monate sanktioniert werden konnten. Solche Vollsanktionen wurden sogar von nachweislich "oben" angeordnet, zusätzlich eine Streichung eines möglichen Darlehens um die härtesten Folgen z.B. Mietschulden evtl. etwas abmildern zu können. dazu und etwas mehr, kann man im folgenden Artikel nachlesen.
https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/hartz-iv-empfaenger-jobcenter-stecken-klienten-in-kurse-um-eigene-ziele-zu-erreichen/21112464.htmlWer dieses System noch nicht hinterfragt hat, sollte es mal tun. Denn seit Agenda 2010 und den Hartz-Gesetzen sind nicht nur Bezieher der Grundsicherung betroffen. Der ganze Mittelstand ist unter Druck geraten und verliert schleichend durch das Drücken der Löhne seine Ersparnisse und Rücklagen. Auch Renten können massiv betroffen sein, denn durch die niedrigen Löhne oder ganze Ausfälle fließt eben auch weniger in die Rentenkassen. Und wer tatsächlich mit noch zu viel Geld arbeitslos wird oder damit aus dem ALG1 fällt, der verliert bis zum Erreichen der Bedürftigkeit (Lebensalter mal 150 € ) auch wenn es schlecht läuft noch den letzten Rest seiner Ersparnisse. Treffen einen dann unter Hartzbezug noch gravierende Sanktionen, dann ist völlig Schicht im Schacht. Und auch wenn man noch ein entsprechendes Darlehen erhält, hat man durch die Rückzahlungen entsprechend in den Folgemonaten weniger.
Gerne darf das jeder für sich mal durchspielen wie er sich mit ab 50 in so einer Situation wieder findet. Es ist nicht ausgeschlossen ab diesem Alter noch einen Job zu finden. Doch dauert die Arbeitslosigkeit in diesem Alter doch aller persönlicher Bereitschaft und mitwirkung, vielen Bewerbungen länger, dann braucht es schon viel Glück einen aufgeschlossenen Arbeitgeber zu finden.
Das BGH Urteil kam viel zu spät. die Hartz 4 Gesetze hätten schon sehr viel früher auf Verfassungsmäßigkeit und Erreichen der eigentlichen Zielsetzung, Menschen wieder in ausreichend Lohn und Brot zu bringen überprüft werden müßen. Es hat geschlagene 14 jahre gedauert bis sich ein mutiges gericht erfolgreich an den BGH wenden konnte.
Die Sanktionspraxis war komplett kontraproduktiv, extrem demotivierend wenn nicht sogar einem möglichen Erfolg gegnüber schädlich. Das BGH hat zum Glück einige Punkte entschärft.
Die in unserer Verfassung garantierte Menschenwürde ist eben nicht von einer peguniär produktiven Arbeit bedingt, sondern steht jedem Menschen per se durch seine Geburt und Existenz zu. Nach einer sehr eigenwilligen Interpretation der in den Voranhörungen anwesenden Vertreter des Gesetzgebers mussten sich einige unangenehme und kritsche Fragen dazu gefallen lassen.
Die Realtivierungen und teils menscherverachteneden Äusserungen hier, können einen schon ziemlich ratlos zurück lassen.