vincent schrieb:Nein, das ist nicht der Punkt. Es ging mir darum, dass man einen Begriff, ohne Anmerkung einer Vorbelastung, in eine lexikalische Sammlung aufnimmt mit der Bemerkung "Standardsprache"
Genau das wird doch in der von mir verlinkten Quelle angemahnt.
Würdest du die dir offenbar vorliegende Quelle mal hier zugänglich machen? Ich kann das nämlich über books bspw nicht nachvollziehen und es ist ja auch nicht Sinn der Sache, dass ich da hinterhergooglen muss.
vincent schrieb:Sofern der Begriff also in einer kritischen Analyse einer jüdischen Zeitung - der ich jetzt einfach pauschal mal Antisemitismus abspreche (auch wenn das nicht immer der Fall sein muss) - eine Unbedenklichkeit attestiert wird, ist das etwas völlig anderes als sich selber diese Unbedenklichkeit zu attestieren.
Irgendwoher muss man schließlich doch die Bedenklichkeit ableiten.
Die attestieren ja gar keine Unbedenklichkeit, das ist ja nur deine merkwürdige Interpretation des Gesagten.
Freilich steht da nicht "Wer dieses Wort benutzt, ist ein antisemitischer Agitator", wenn du aus diesem Artikel
https://www.juedische-allgemeine.de/kultur/schachern/und diesem Zitat
Die Zürcher GRA-Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus definiert auf ihrer Webseite mit »belasteten Begriffen« das Lexem »mauscheln« als »wie ein Schacherjude handeln«. Judäophobe Sprachmuster wie »Schacher-«, »Wucher-« und »Geldjude« belebte zum Beispiel der Publizist H. K. Lenz (d.i. Wilhelm Heinrich Klenz) – so in Alban Stolz und die Juden: ein zeitgemäßer Beitrag zur Judenfrage für das deutsche Volk (1893), in Der Jude im Handel und Wandel (1894) und im »allen Sprachreinigern gewidmeten« Werk Jüdische Eindringlinge im Wörter- und Citatenschatz der deutschen Sprache (1895), auf das unter anderem Gerd Simon in seinem verdienstvollen Werk Buchfieber. Zur Geschichte des Buches im 3. Reich (2006) kritisch verweist.
allerdings die Aussage herausliest "das Wort wird erst im Verbund mit Jude problematisch", dann muss man ganz immens an deinem Textverständnis zweifeln.
Die schreibt jemand extra einen Artikel zu dem Thema, stellt einen Kontext zu "Judäophober Sprache" her und bezieht sich auch noch auf besagten Hans Peter Althaus und du sagst jetzt, dass man da quasi zu dem Fazit kommt, das sei ein Begriff wie jeder andere....was eigentlich schon durch die Überschrift konterkariert wird.
Vom Handeltreiben zur feilschenden Geschäftemacherei: die Entwicklung eines ganz besonderen jiddischen Verbs
Der Artikel ist selbstverständlich kritisch und nicht eine sinnlose Aneinandereihung von irgendwelcher Sprachgeschichte, die für die Gegenwart völlig unbedeutend ist.
Dieser Argumentation fehlt sowieso jede inhärente Logik. Du erzählst mir quasi der Begriff sei normaler Sprachgebrauch, bei dem höchstens vereinzelt mal irgendein verkorkster Sprachwissenschaftler die Stirn runzelt, und ich mir das alles nur zusammenspinne, gleichzeitig willst du dann aber aus einem Internetartikel herausgelesen haben, dass "jüdische Kronzeugen" diese Unbedenklichkeit nochmal explizit artikulieren....was natürlich völlig unnötig wäre, wenn es sich hier nur um meine Spinnerei handeln würde.
"Es ist zwar Konsens, dass es gar kein Problem gibt....aber wir wollten hier eben nochmal deutlich klarstellen, dass es gar kein Problem gibt"
Völlig abstrus
Wenn ich allein mal "Schachermentalität" google (was der Ausgangspunkt der ganzen Sache war), sind von 10 Ergebnissen 5 folgende
1906 Im Artikel wurden neuerlich antisemitische Stereotype wie Geldgier und Schachermentalität mit einer angeblich skrupellosen [...]
https://books.google.de/books?id=PmL2eDd4GY8C&pg=PA509&lpg=PA509&dq=schachermentalit%C3%A4t&source=bl&ots=kcMMMsNvwx&sig=ACfU3U0XN3-8vfVppmYzFk0V6yA7R9Y2Ew&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwjs1er2zo3nAhXNJFAKHR2qD4MQ6AEwA3oECAYQAQ#v=onepage&q=schachermentalit%C3%A4t&f=false[...]Presse“ war unterstellt, und Ostjuden wurden generell in pejorativen Zusammenhang (Unsauberkeit, Schachermentalität usw.)[...]
https://books.google.de/books?id=8RzoBQAAQBAJ&pg=PA453&lpg=PA453&dq=schachermentalit%C3%A4t&source=bl&ots=WmzNWdQElY&sig=ACfU3U2MBaLEUjlbK25ZtmchDsZeSjdNbw&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwjs1er2zo3nAhXNJFAKHR2qD4MQ6AEwBHoECAgQAQ#v=onepage&q=schachermentalit%C3%A4t&f=false[...]konkreten sprachlichen Äußerungsformen nachzuvollziehen – man beachte nur die Identifizierung von ›jüdischer Schachermentalität‹ [...]
https://books.google.de/books?id=vSA-DwAAQBAJ&pg=PA127&lpg=PA127&dq=schachermentalit%C3%A4t&source=bl&ots=4MDyieuYeY&sig=ACfU3U121yvhhgjuXASKRF2tr1WBhjJ5SQ&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwjs1er2zo3nAhXNJFAKHR2qD4MQ6AEwBXoECAcQAQ#v=onepage&q=schachermentalit%C3%A4t&f=false[...]Jahrhunderts im Kontext antigroßstädtischer Affekte bedeutsam wurden: Berlin wurde mit jüdischer Schacher'mentalität und seelenloser[...]
https://books.google.de/books?id=TGOEBwAAQBAJ&pg=PA208&lpg=PA208&dq=schachermentalit%C3%A4t&source=bl&ots=J5WeyjWMLL&sig=ACfU3U1EHO7b215Ry-5sXJUouK3ieMpRHA&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwjs1er2zo3nAhXNJFAKHR2qD4MQ6AEwCHoECAkQAQ#v=onepage&q=schachermentalit%C3%A4t&f=false[...]Ghetto entstandene Kampf um Brot und Überleben als typisch jüdische "Schacher"-Mentalität dargestellt.[...]
https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezension-sachbuch-der-ewige-jude-11303973.htmlDie restlichen 5 Ergebnisse sind Allmystery, 2 weitere Foren, ein Blog und ein weiteres Buch.
Also nahezu jede (außer 1) ernstzunehmende Quelle bringt das nur im Kontext zu "Jude", die FAZ setzt es sogar in Anführungszeichen.
Zudem (im Kontext der Weimarer Republik)
Demgegenüber operierten die kaschiert- und codiert-antisemitischen Sprechweisen
mit Schlüsselwörtern wie „Börse“, „Schacher“, „Wucher“, „goldene Internationale“, „Berlin-West“, „Weltfinanz“ – Begriffen, die so oft in antisemitischen Kontexten verwendet wurden, dass ihr judenfeindlicher Sinngehalt auch ohne konkreten Verweis auf „die Juden“ verstanden wurde.
https://duepublico2.uni-due.de/servlets/MCRFileNodeServlet/duepublico_derivate_00040371/09_Graefe_Wein_Antisemitismus.pdfHast du dir mal den Abschnitt "Konnotationen" in der dir offenbar vorliegenden Quelle durchgelesen?
Original anzeigen (0,2 MB)https://books.google.de/books?id=yxaFfvn07OQC&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_atb#v=onepage&q&f=falseHier noch für die Unbedenklichkeit, eine eher kontroverse aber "betroffene" Quelle.
Auch wenn ich eine blödsinnige "Die Betroffenen"-Diskussion ablehne.
https://books.google.de/books?id=KjvGDQAAQBAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_atb#v=onepage&q=Schacher&f=falsevincent schrieb:Das träge dann wie gesagt vermutlich auf alle mögliche zu.
Also kann man sich quasi wie der letzte Antisemit artikulieren solange das niemand versteht?
Und "Wo soll das alles noch enden???" betrachte ich nicht als ernstzunehmendes Argument.
vincent schrieb:Hier ist doch ein entscheidender Unterschied der eigenen Verwendung des Begriffs im jiddischen Sprachgebrauch im Gegensatz zu der von Anfang an fremdbestimmten, abwertenden Bezeichnung wie meuscheln oder eben auch Neger, offenkundig
Nö, der Unterschied besteht höchstens darin, dass man das Wort nicht erfunden hat...nicht ganz.
vincent schrieb:Es wäre doch absurd, etwas jüdisches bzw. jiddisches zu leihen, ob mit Gewalt oder nicht, zu verunstalten und dann, Jahrzehnte später diese eigen verursachte Veränderung damit aus der Welt zu schaffen, indem man das jiddische selbst aus der Welt schafft.
Da muss man nichts aus der Welt schaffen. Würde das in seinem eigentlichen Sinn gebraucht, hätte damit ja kein Mensch ein Problem...jedenfalls könnte man das nicht valide begründen.
Dass man aber von Antisemiten geprägten Sprachgebrauch einfach völlig unreflektiert weiterverwendet und sich dann darauf beruft, dass das doch vermeintlich gar niemand wisse und damit doch niemand was Böses meine, will mir nicht ganz einleuchten.
Das sind übrigens dieselben Argumente wie bei "Neger", "Mohr" usw....in jeder Hinsicht.
Das hier genauso
vincent schrieb:Es geht doch vielmehr um die Bedeutung, wie sie heute antizipiert werden kann, nicht von einigen wenigen Historikern, sondern von dem allgemeinen (Empfänger)Kreis.
Solange man das verneint, ist es offenbar in Ordnung.
vincent schrieb:Insofern ist der moralische Zeigefinger hier eher an sich selbst gerichtet, weil mMn überhaupt keine antisemitische Botschaft aus dem Wort hervorging, man ein Problem erschafft und sich selbst damit sein Gewissen beruhigen will, weil man ja was gegen Antisemitismus getan hätte.
Ah...
Ja, das ewige Totschlagargument. So kann man noch jede Kritik an Antisemitismus zerreden, indem man einfach behauptet, das konstruiere entsprechende Person auf Basis eigener Komplexe.
Wieso lese ich das eigentlich nicht zum ersten Mal von dir?
Obwohl sowas natürlich auch in jeder Rassismus-Diskussion auftaucht.
Ganz küchenpsychologisch, ist es allerdings natürlich auch bezeichnend, wenn sich Personen in derartigen Diskussion hauptsächlich dadurch hervortun, den Gegenstand der Kritik obsessiv zu relativieren, wegzureden oder zu veralbern.
vincent schrieb:Wäre es tatsächlich ein Problem, dann müsste man aktuelle Anmerkungen, Beispiele, kritische Analysen finden, die es klar ansprechen.
Non sequitur
Außerdem tut man das ja, wenn man denn möchte. Die werden von dir ja nur umgedeutet, relativiert oder ihnen die Bedeutungslosigkeit attestiert.
vincent schrieb:Die Brücke zu Kaff ist doch recht deutlich.
Ne, so gar nicht. Wenn ich mir den folgenden Abschnitt durchlese, ist das so hart konstruiert, dass es mir schwer fällt, das überhaupt als diskussionswürdig zu betrachten.
Wäre das tatsächlich der Fall, bin ich mir sicher, dass das irgendwer sinnvoll herleiten kann...so allerdings ist es lediglich absurd.