Danke
@Warden für deinen ausführlichen Beitrag.
Ich würde dem gerne ein Beispiel aus dem Alltag anfügen:
Einer Bekannten, die in den 90ern zum ersten Mal Marokko bereisen wollte, wurde der Rat eines mit dortigen Gepflogenheiten vertrauten mitgegeben, sie möge direkten (und schon gar längeren) Augenkontakt mit Männern möglichst vermeiden, da dies als Aufforderung zum GV aufgefasst werden könne.
Allgemein kann man beobachten, daß die Erziehung in gewissen Kulturkreisen das Senken des Blickes als Geste des Respekts ansieht und erwartet.
Bei uns wird ein Kind, das geschimpft wird und wegsieht, aufgefordert: "Schau mich an, wenn ich mit dir rede!"
Unter Erwachsenen wird Wegschauen als "verdruckst" angesehen, man hat etwas zu verbergen, ist unaufrichtig etc.
Spricht man mit jemandem, egal, ob Mann oder Frau, sieht man ihm offen ins Gesicht.
Das ist nicht überall so, ein Kind aus entsprechendem Kulturkreis, das während einer Standpauke den Blick hebt, riskiert eine Ohrfeige und ein zu langer Augenkontakt in der Fußgängerzone resultiert eben in einer Schlägerei oder gar Vergewaltigung.
Klar, Dinge ändern sich mit der Zeit, man könnte lernen, sich anpassen, doch so einfach ist das eben nicht.
Ich habe desöfteren darüber nachgedacht, wie ich mich verhalten würde, müsste ich plötzlich in einem mir fremden Kulturkreis zurechtkommen. Es gibt immer über lange Zeit geprägtes Verhalten, daß man schwer bis gar nicht umprogrammieren kann bzw. mitunter auch gar nicht will, da man es als besser ansieht, sich vielleicht über mehrere Generationen schwer erkämpft hat.
Bei der erzwungenen Konfrontation werden die Konflikte nicht ausbleiben, aus Unwissenheit auf beiden Seiten, aber auch aus mangelnder Einsicht.
Erschwerend hinzu kommt noch, daß wir es ja nicht nur mit zwei Kulturen zu tun haben, sondern mit vielen, von denen sich etliche noch nichtmal untereinander einig sind (Paschtunen/Hazara bspw. oder zahlreiche afrikanische Stämme).
Da wird es schwierig bis unmöglich, in jeder Situation blitzschnell die angebrachte Verhaltensweise parat zu haben.
Wir haben uns den Einheitsgedanken hart erkämpft, sind noch nicht mal ganz fertig mit "Ossis" gegen "Wessis" und fangen jetzt nochmal von vorne an mit Leuten, die zum Teil gar keinen Wert darauf legen, gut mit uns auszukommen. Nicht alle, aber anscheinend genügend, daß es zu massiven Problemen führt.
Mich interessieren dabei v.a. die Stimmen der entsprechenden Landsleute.
Bezeichnend fand ich die Aussage eines Marokkaners, der, frisch angekommen, bei der Wohnungssuche sagte: "Ich möchte nur unter Deutschen leben, mit meinen Landsleuten will ich nichts mehr zu tun haben."