Rechtsextremismus - Ernst der Lage so hoch wie nie
20.02.2020 um 12:00Ich sehe diese Tat in einer Folge mit dem Mord an Walter Lübcke und dem Anschlag auf die Synagoge in Halle in einer Linie.
Da wird vereinzelt triumphiert, dass Staatsorgane der Bundesrepublik eine Partei nicht rechtsextremistisch nennen dürfen, und und und...
Da wird vereinzelt triumphiert, dass Staatsorgane der Bundesrepublik eine Partei nicht rechtsextremistisch nennen dürfen, und und und...
Bundesland Brandenburg. Hier ist deutlich zu sehen, dass die vergangenen fünf bis sieben Jahre nicht nur ein Aufschwung der AfD bedeutet haben, sondern auch für das Spektrum rechts davon, das im offenen Neonazismus angesiedelt ist. Wir merken in dem vom Verfassungsschutz beobachteten Bereich Bewegung und Zuwachs, auch an Gewaltbereitschaft. Es gibt mehr Rechtsextremisten, und zugleich einen größeren Teil, der bereit ist, Gewalt anzuwenden. Und wir müssen mit einiger Sorge sehen, dass sich das auch in staatlichen Sicherheitsapparaten manifestiert. Das ist tatsächlich etwas Neues und Beunruhigendes. Solche Einzelfälle sind aus Bundeswehr, GSG9, Polizei und bis in die Verfassungsschutzbehörden bekannt geworden. Das Bild dazu ist allerdings noch sehr diffus.https://www.pnn.de/wissenschaft/potsdamer-experte-warnt-vor-rechtsterrorismus-das-risiko-bewaffneter-rechter-terrorzellen-ist-hoch/25559508.html
Ist zu befürchten, dass bewaffnete Terrorzellen entstehen können?
Das Risiko ist besonders hoch. Wir haben einen neuen Typus von Täter, was wir in Halle im Oktober 2019 erleben mussten: nämlich die Vergemeinschaftung und Vernetzung über das Internet, auch wenn Planung und Ausführung der Tat erst einmal einem Einzeltäter zuzuordnen sind. Ein Risiko sehe ich besonders, wenn die Möglichkeit solche Hassgefühle auf der Straße zu artikulieren etwas abflaut. Seit rund anderthalb Jahren lassen die Straßenproteste, etwa Pegida, nach. Einzelne, sehr radikalisierte Gruppen suchen nun aber nach Wegen, weiter zu machen. Das befördert erfahrungsgemäß die Zellenbildung, die Gefahr, dass es zum Terrorismus kommt, ist dann besonders groß.
Trügt der Eindruck, dass gegenwärtig rechtes Gedankengut und fremdenfeindliche Anschauungen verstärkt in den öffentlichen Diskurs einsickern?
Die Grenzen der Sagbarkeit sind bewusst verschoben worden – nicht nur von der AfD, sondern auch von bürgerlichen Medien. Auch von den Feuilletons der Leitmedien. Sie sind bewusst verschoben worden, weil man bestimmte Dinge wieder sagbar machen will. Aus unterschiedlichen Gründen, zum Teil ehrenwert zum Teil nicht.
Zum Beispiel?
Nehmen Sie die Diskussion in der „Zeit“, ob man mit Rechten reden muss. Die Frage dabei ist, wie weit man dabei geht, welche Stimmen man dabei akzeptiert, welche nicht. In solchen Debatten ist dann zu hören, ob man denn immer die Belange kleiner Minderheiten beachten müsse, ob man etwa Unisex-Toiletten überhaupt brauche, der normale Deutsche denke doch da ganz anders. Oder schauen Sie sich an, was in Talkshows heute unwidersprochen möglich ist, oder in der Lokalpresse unhinterfragt und unkritische erscheint. Hier sind Standards eingerissen worden. Nehmen sie beispielsweise die Frage, ob man die Herkunft von Straftätern im Polizeibericht auch nennen soll, wenn es dafür keinen sachlichen Grund gibt. Die Brandenburger Polizei benennt das nun ganz offensiv immer. Das halte ich für ein gefährliches Spiel mit dem Feuer. Viele sozialwissenschaftliche Studien, etwa aus dem angelsächsischen Raum, zeigen eindeutig die langfristig schädliche Wirkung: Vorurteile werden stabilisiert oder gar erzeugt, das führt zu Diskriminierung.