Sorry, bisschen mehr Text, muss dazu ausholen.
DerThorag schrieb:Nach einigen Stunden Ablenkung, kommen mir Fragen auf, die vielleicht nicht so einfach zu beantworten sind.
Warum akzeptieren wir das erhöhte Sicherheitsmaßnahmen eine Rolle bei Jahrmärkten und Weihnachtsmärkten spielen müssen?
Warum akzeptieren wir das es auf dem politischen Rücken ausgetragen wird?
Warum akzeptieren wir das Fundamentalismus unsere Sicherheit beherrscht?
Warum bekommen wir es nicht das wir FakeNews den Mittelfinger zeigen?
Sind wir mittlerweile zu blöd um zu einen gemeinsamen Konsens zu kommen, ohne das sich einen politische Richtung die Hände reibt?
Warum muss akzeptiert werden, wie es @Bones gesagt hat, es ist eine "Neue Zeit"?
Das Ist mir zuviel Akzeptanz und zu wenig Aktionismus. Und das nicht erst seit gestern.
Yari schrieb:Ich kann deine Gedanken verstehen.
Man möchte das grausame Geschehen einfach nicht akzeptieren, sowie die Beschränkungen und Sicherheitsmaßnahmen! Man möchte sich sicher fühlen jederzeit und überall in Deutschland. Welcher Mensch würde sich das nicht wünschen 🤷🏻♀️
Hättest du denn Ideen, wie dieser "Aktionismus" aussehen könnte?
Also auch unabhängig vom Magdeburger Fall.
Was könnten wir tun, damit es keinen Terror oder Amok mehr gibt?
Das Problem ist: Es ist hochkomplex.
Das klingt jetzt erst mal schwammig, kaum griffig für viele, die frustriert sind (ich bin es auch!) und die sich Besserung wünschen. Ich glaube aber, wenn ich jetzt so darüber sinniere, dass es einen Grund gibt - zumindest in unserer diversifizierten (auch politisch, im Sinne der Parteienlandschaft) warum es in der Gesellschaft teils eben leichter ist, Symptome als Ursachen zu bekämpfen. Warum Politiker und Verantwortliche in der Exekutive, so sie denn legal und politisch gewollt (Primat der Politik und so) dann können und sollen, lieber mehr Betonblocker und Polizisten, sofern sie die überhaupt über haben (Personalmangel in den Polizeien und so...) aufzustellen. Warum Politiker im Waffenrecht etwa lieber auf Aktionismus setzen indem sie wieder wild am Waffenrecht und Klingenlängen rumschnibbeln oder Waffenrecht verschärfen, obwohl teils das Personal in den Waffenbehörden fehlt um überhaupt bestehendes Recht und Kontrollen von Legalwaffenbesitzern besser zu gewährleisten. Ist halt oft billiger und leichter.
Oder Terror usw. Wir sind als Land mitten in Europa und mitten in der EU so offen wie ein Scheunentor. Seit Jahrzehnten wegen Reisefreiheit usw. So geht es aber jedem anderen Land in der EU was ggf. nicht zufällig auch an den EU-Außengrenzen liegt und da stärkere Schutzmaßnahmen und Reisebeschränken zumindest entlang der Außengrenze hat (wie Polen etwa Richtung Belarus, Italien wiederum ist dafür massivste Anlaufstelle für Migration trotz 'Wassermassen' um sich). Wenn ich an Lageberichte/Erzählungen denke wie oft man de-facto illegal bzw. irregulär einreisende Migranten aufschnappt... eigentlich fast täglich oder spätestens alle 2-3 Tage. Und das ist ja nur die "Hellziffer" wo Leute erkannt, also gemeldet oder selbst von der Polizei gefunden werden. Die Dunkelziffer ist dann +X.
Dann Thema Behördenstärke. Stärke im Sinne von wie viele Ressourcen und Rechte (Möglichkeiten, Handlungsspielraum) haben die Behörden. Gerade in einem Rechtsstaat ein wichtiges Thema. Was dürfen und sollen, sollen Behörden dürfen?
Hier kann man direkt sagen, gerade im Rahmen eines Rechtsstaates aber auch mit unserer Historie: "Es ist kompliziert" - wir leisten uns aus wiederum diversen komplexen Gründen nicht so wirkfähige Behörden wie in vergleichbaren demokratischen Ländern (nein, es muss nicht immer der krasse Vergleich zur Autokratie sein). Oftmals ist es so, dass uns ausländische verbündete Staaten helfen müssen, Dinge aufzudecken. Das ist teilweise international normal weil nicht alle alles sehen, gefühlt ist das nach Jahren des Verfolgen des Themas aber bei uns gefühlt überdurchschnittlich so - was schlecht ist. Wir könnten eigentlich im rechtsstaatlichen Rahmen noch sicherlich mehr oder besser sein, können oder wollen aber nicht nachhaltiger dahinkommen. Oder schneller. Warum erwähne ich das? Weil "stärkere" Behörden die mehr dürfen auch theoretisch mehr verhindern können oder im Zweifel bei mehr Ressourcen nicht abwägen müssen und lieber doch auf Nummer Sicher gehen und Maßnahmen fahren, statt dass sie untergehen oder abbrechen müssen.
Dann Thema Recht an sich. Asyl, Migration, Strafrecht, Justizkapazitäten, Abwägungen. Also wer darf/soll mit welchen Gründen oder Qualifikationen kommen, wie gehen wir mit Problemfällen rechtlich um, wann muss jemand theoretisch gehen und wird er dann auch effektiv praktisch gegangen?
Wie gehen wir eigentlich unabhängig von Migrationsstatus mit "mental health" (mental-seelischer Gesundheit) um, wie gehen wir mit Fällen um wo Leute unabhängig ihrer Herkunft kippen, welche Möglichkeiten des Eingriffs haben Behörden und Institutionen ab wann und zu welchem level, um Leute ggf. im positiven wie negativen Sinne aus dem Verkehr zu ziehen bzw. ihnen resoluter helfen zu können?
Ich habe jetzt einige Themenblöcke wie
- Recht/Legislative
- Reisefreiheit auch grenzüberschreitend ohne feste dauerhafte sondern nur sporadische und mobile Personenkontrollen
(damit einhergehend eben auch abstrakt "Import" externer Konflikte sowie sozialer Konflikte, gibts genug Beispiele für)
- Wirkfähigkeit der Behörden und Justiz
reingeworfen und vermutlich trotzdem nur an der Spitze des Eisbergs gekratzt was den großen Themenblock "Innere Sicherheit" angeht. Bevor der Post hier erst mal noch riesiger wird, zusammengefasst ist es einfach ein sehr komplexes Themenfeld, ein sehr vielschichtiges in dem sehr viele Faktoren und Aspekte ineinandergreifen oder sich partiell tangieren.
Um erst mal an ein persönliches Fazit zu kommen: Wir müssten schauen, dass wir parallel zur Symptombekämpfung auch wiederum mehr in die Ursachenbekämpfung kommen. Hier scheiden sich aber dann auch teils politisch-ideologisch massiv die Geister. Für Populisten ist die Lösung sinngemäß wahlweise Generalverdacht und / oder zumindest Abschieben aller "Ausländer" die sich im Entferntesten verdächtig machen oder Straftäter werden. Das ist so deren Vorschlaghammerlösung, aber meist auch deren alleinige Lösung.
Ich denke, wir müssten an vielen Baustellen parallel arbeiten. Wichtig ist gerade im Terrorkontext, dass wir Radikalisierungsprävention und Deradikalisierung wo möglich stärken. Das beste Attentat, der beste Anschlag ist einer der nie stattfindet, weil in der Fallkonstellation die Leute nie zu Extremisten und Terroristen wurden. Hier synonym das Gleiche für mentale Gesundheit und Amoktaten auch im Falle von Psychosen usw. Auch in Behörden müsste sich ein bisschen was ändern inkl. Befugnisse oder so aber das ist dann wieder mehr die reaktive Symptombekämpfung.
Auch in der Gesellschaft müssten sich Dinge ändern, auch im Diskurs. Wir müssten theoretisch wieder etwas ruhiger und sachlicher auch im Diskurs werden und weniger in den Hang zum Populismus oder der Endzeitstimmung und Verzweiflung fallen, weil das dann meist zu übereifrigen überhasteten Lösungsprinzipien neigt, die oft schmerzlicher sind als wenn man Dinge ruhiger, nüchterner und früher angeht.
TL;DR: Es gibt leider nicht die eine Lösung - es müsste ganz viele kleine, mittelgroße und große Lösungsansätze und Optimierungen geben die auch nicht sofort sondern eher langsam oder so umsetzbar sind. Wir müssten als Gesellschaft und in der Rechtsprechung/Gesetzgebung in gewisser Weise konsequenter/härter werden aber idealerweise sollten wir zugleich nicht in den Populismus oder Extremismus abdriften, sollten vom Mindset her ein offenes Weltbild möglichst wahren, müssten abstrakt gesehen auch wieder mehr zu unseren Mitmenschen finden statt in Parallelwelten und Egoismus abzudriften. Denn in jenen kann man etwaige Feindbilder leichter etablieren. Und da ist abstrakt dann auch der Weg zur Gewalttat irgendwo leichter als wenn man seine Mitmenschen mehr respektiert. Auch mit anderem Aussehen bzw. anderer Herkunft/Ethnie.
Überlegt es euch mal: Viele Leidenstaten passieren doch letztendlich wegen Hass und Gruppendenken ("die" und "wir") und ein so krasses auseinanderdriften zwischen diesen Identitäten, dass akute zu bekämpfende Feindbilder entstehen.