Abahatschi schrieb:Ist mir nicht klar, wie denn? Straftäter weiterhin bestrafend, oder nicht?
Mit 'nem Gemisch aus Angst, Abscheu und Wut, denke ich. Aber von diesem Gemisch hängt nicht unmittelbar ab, wer im Rahmen der von dir objektiv gedachten Rechtsordnung intersubjektiv zum Straftäter erklärt wird, sondern vom Überlebensinteresse des Staates. Der wird Maßnahmen ideologisch legitimieren müssen, die zwar von Notstand zu Notstand völlig verschieden sind, aber stets eine der Bevölkerung eingeschriebene Konformität erfordern. Der Rest ist Sache diverser in Aussagen enthaltener Wertorientierungen. Viele, die aversiv auf die LG reagieren, dürften zum Beispiel relativ leicht davon zu überzeugen sein, dass es im Falle massenhafter Aufstände und Plünderungen den flächendeckenden Einsatz von Gummigeschossen und Blendgranaten bräuchte, oder sogar mehr.
Abahatschi schrieb:Ich dachte wer nicht der Notstandsgesetzen in der Pandemie ist ein Querdenker, rechter Demokratiefeind.
Du meinst bei Linken? Vor allem die haben doch die ultimative Identitätskrise in der Pandemie erlebt. Überleg' mal wie viele Plena, die sich vermeintlich gegen den Staat stellen, an die staatlichen Auflagen gehalten und sich aufgrund dieser staatlichen Verordnungen gar nicht mehr getroffen haben. Das sorgt in der Szene bis heute für massive Spannungen. Die Querdenker:innen sind bei denen aber nicht deswegen in den Fokus geraten, sondern weil man mitbekommen hat, dass rechte Gruppen dort geschickt zu rekrutieren lernen.
Abahatschi schrieb:Irgendwie unlogisch, warum soll es eine Massenmigration geben wenn hier keine Wasser mehr sein sollte? Kommen die Menschen jetzt her weil es hier schlecht oder schlechter wird?
Weil Land knapp und Hitze lebensfeindlich wird. Die Städte fallen schneller, als du sie bauen kannst. Außerdem musst du globale Versorgungskrisen relational denken, nicht absolut. Während der ersten Phosphatkrise z.B. wird ja nicht einfach überall gleichzeitig der staatliche Bestand an Düngemitteln abnehmen, sondern entsprechend der geopolitischen Machtordnung hierarchisch verteilt.
Abahatschi schrieb:Keine Ausbildung oder Arbeitger,
dann wirst Du zum Klimakleber.
Ich hoffe das war einfühlsam genug.
Das war sehr plakativ und wahrscheinlich eher falsch. Die dürften von der Position her tendenziell der neuen Mittelklasse angehören; die Spannung, die sich hier im Strukturwandel unserer Gesellschaft abzeichnet, also jene zwischen neuer und alter Mittelklasse sein. Da gibt's wissenschaftliche Zeitdiagnosen zu, z.B. von Andreas Reckwitz.
Do-X schrieb:Also handeln sie nicht naiv, sondern rein intuitiv im geistigen Ursprung ,,christlicher Werte".
Ja genau, so würde ich das auch sagen.
Do-X schrieb:Mal zur privaten Mobilität zurückkommend. Es ist doch so, dass sicher viele Menschen lieber heute als morgen ihren Wagen abstoßen würden. Die Infrastruktur Deutschlands gibt es aber nachwievor nicht her. Du vergisst, dass auch Privatpersonen andere Verpflichtungen haben, die ohne Auto gar nicht bewerkstelligt werden könnten. Wieso entschuldigt man eigentlich immer die dienstliche Mobilität? Entweder alle oder keiner!
Du sprichst die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit an und hast damit völlig recht. Ich mache nur geltend, dass wir trotz sozialer Zwänge einsehen müssten, dass die Infrastruktur insgesamt zu reorganisieren ist – und zwar so, dass die soziale Ungleichgewicht abnimmt. Die derzeitige Struktur organisiert das Gegenteil. Sieh' dir z.B. die Arbeitsbedingungen der Busfahrer:innen an.
Do-X schrieb:Na, zumindest hast du mich überzeugt, dass ich mir ,,Immanuel Kant" demnächst im Buchhandel bestelle, weil du das Wort ,,Vernunft" und dessen Ableitung, dass sie angeblich dem Willen folgt, so einleuchtend definiert hast.
Ich bin zwar eher der Ansicht, dass die Vernunft der ,,Einsicht" folgt, aber ist hier OT.
Das ist ja kein Widerspruch; bei Duns Scotus ist das sogar der Beweis: Weil die Vernunft der Einsicht folgt, kann sie keine Selbstursächlichkeit sein, ergo liegt ihre Ursache außerhalb. Sie verhält sich eher wie ein Naturgesetz, als wie ein Willensakt. Insofern braucht es den Willen, damit sich die Vernunft auf etwas richten kann, das sie dann der Einsicht folgend zwingend erkennt.
Gwyddion schrieb:Mangelnder ÖPNV, mangelnde Infrastrukturen, mangelnde Pünktlichkeit der Bahnen usw. sind nur einige Gründe die dies verhindern.
Du argumentierst hier, dass ein Strukturwandel schwierig ist, weil eine Struktur vorherrscht. Ich bin mir nicht sicher, ob das hier selbstevident oder sinnlos ist, aber ich füg' trotzdem hinzu: Verbesserter ÖPNV, verbesserte Infrastruktur, optimale Pünktlichkeit
sind der Vorschlag.
Gwyddion schrieb:Eine reine Unterstellung Deinerseits.
Das stimmt. Sorry dafür.
Heide_witzka schrieb:Du meinst erkennen zu können, dass ich dagegen bin mittels Ordnungswidrigkeiten und Straftaten zu versuchen den Staat zu erpressen?
Gratulation.
Du glaubst zu erkennen, dass sich kein Freund der Maxime bin "Der Zweck heiligt die Mittel"?
Schon wieder ein Treffer.
Du hast bemerkt, dass ich es unsinnig finde, das Eigentum der Mitmenschen zu verschandeln und zu beschädigen, sie zu nötigen, Kunst zu beschädigen etc. obwohl sie gar nicht der eigentliche Adressat sind?
Dreimal ist göttlich, schon wieder ein Treffer. :)
Damit verkürzt du es doch total: Ich meine erkannt zu haben, was ich gesagt habe, nämlich dass du Eigentumsordnung, soziale Normen und herrschende Rechtssprechung naturalisiert und zu deinen Wertmaßstäben erhebst, obwohl selbst dir immer klarer werden dürfte, dass sich aktuell etwas mit eher unklarem Ausgang ändert, das ggf. auch dich betreffen wird. Dir erscheinen law and order als Garanten sozialer Sicherheit, aber die Situation, in der wir uns befinden, ist maßgeblich deren Resultat.
Du wirst diese Ordnung verteidigen, selbst wenn sie dir schadet. Das ist, was ich erkannt zu glauben habe.
Heide_witzka schrieb:Woher hast du dieses umfassende Wissen? Kristallkugel? Ringfinger?
Wirklich beeindruckend.
Aus der Reaktion der Bundesregierung auf die Pandemie; aus der Reaktion des ukrainischen Staates auf den russischen Angriffskrieg; aus den Aktionen Chinas, das als erster Staat das Repertoire an Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen, über das inzwischen jeder Staat verfügt, scharf gestellt hat; aus den Reaktionen Frankreichs auf die den Aufständen inhärente Drohung des Bürgerkriegs.
Heide_witzka schrieb:Belege das bitte, am besten völlig befreit von Interpretationsan- und -einfällen.
Einfach verlinken, wo ich so etwas geschrieben habe.
Da du recht schmerzfrei darin bist mir etwas anzudichten und zu unterstellen solltest du mit der Belegung ähnlich gründlich sein. Du hast eine Tatsachenbehauptung aufgestellt, bitte belege sie umgehend.
Du willst wirklich, dass ich dir belege, dass du deine Werturteile maßgeblich infolge der herrschenden Eigentumsordnung statuierst? Mein Freund, ich dachte das tust du in jedem Beitrag. Du wirst doch jetzt nicht etwa von dieser Position abrücken?! Ich meine, das würde ich ja begrüßen: Ich will dir das weiß Gott nicht unterstellen und dich dadurch in dieser von mir aufgezwungenen Kritik festhalten.
Wären Trinkwasserkrisen und Massenmigrationen Gründe für dich, die Eigentumsordnung anzuzweifeln, oder nicht?
Trailblazer schrieb:Nicht, dass die Probleme, die sie ansprechen, keinen wahren Kern hätten, nur wird weder das was sie tun, noch das was sie fordern, irgendeinen messbaren Einfluss darauf haben.
Da bin ich sowas von bei dir.
Trailblazer schrieb:Der Versuch, hier die Gegner der LG-Aktivisten als im Dauer-Empörungsorgasmus gefangene, gesellschaftlichen Außenseiter einzuordnen, ist schlicht interessengeleitetes Wunschdenken.
Also zumindest mein Eindruck ist, dass es eher die Etablierten denn die Außenseiter sind, die so richtig aversiv drauf sind.
Trailblazer schrieb:Nach den letzten Umfragen sind rund 75% mit den aktuellen Maßnahmen der Regierungskoalition unzufrieden.
Man sollte es endlich einmal zur Kenntnis nehmen, dass die Mehrheit der Bundesbürger sich ganz offensichtlich gegen die aktuelle Politik positioniert und die Vertreter der derzeitigen Linie sollten sich fragen, wie weit es mit der eigenen demokratischen Gesinnung eigentlich her ist, wenn dann diesen Umstand einfach nicht zur Kenntnis nehmen will...
...sich aber gleichzeitig ratlos zeigt, wenn die Ahnungslosen Rechtspopulisten von der AfD sich zu nie gahnten Umfrageprozenten aufschwingen.
So eine Umfrage (die übrigens mit einer Wahrscheinlichkeit von i.d.R. 5% auch einfach komplett falsch sein kann; soll nichts relativieren, ich merk's hier nur an), die die Zustimmung der Bevölkerung zu Regierungsmaßnahmen infrage stellt, ist natürlich einprägsam, aber du darfst dabei nicht vergessen, dass in unserem derzeitigen System nicht Regierungsmaßnahmen gewählt werden, sondern parteiische Repräsentant:innen mit ungebundenem Mandat. Genau dieses System wird alle paar Jahre wiedergewählt.
Und wie wir in Thüringen sehen, ist das ein System, das aus seiner eigenen Systemlogik heraus auch tendenziell kippen kann. Die Dramatik der Situation liegt ja nicht einfach im Unverständnis breiter Bevölkerungsgruppen für die Regierungspolitik. Das Problem ist, dass wir jetzt an einem Scheidepunkt ankommen, an dem zurecht der Fall von "Brandmauern" gefürchtet wird. Das von Björn Höcke veranschlagte und in seinem Buch prädiktierte Programm sieht ja wirklich die rechtsextreme Unterwanderung vor, und die wird in diesem Augenblick mit hunderttausenden Menschen, von denen nicht wenige im Polizei- und Militärdienst tätig sind, real getan.
Es gab bereits Fälle, in denen persönliche Informationen sehr wahrscheinlich über die AfD-Fraktion im Innenausschuss an rechtsextreme Strukturen weitergegeben worden sind. Sobald Landesverbände der AfD in Regierungsfraktionen sitzen, können sie nach und nach die Abwehrmechanismen des "demokratischen Rechtsstaats" institutionell aushebeln. Davor sind wir nicht gefeit.