Was die Diskussion um eine europäische Armee angeht, kann man die ganze Theorie ja mal an einem historischen Ereignis testen:
Da war Grossbritannien, zu dessen Staatsgebiet auch die tausende Kilometer von Europa entfernten Falkland Inseln gehören, von mehr Schafen als Menschen bewohnt, und weder wirtschaftlich noch sonst ein bedeutender Teil des Staates. Dennoch fühlen sich die Bewohner dort als Briten, und auch die grosse Mehrheit der in Europa lebenden Briten empfindet die Menschen dort als Landsleute und die Inseln als Teil ihres Landes.
Nun überfällt plötzlich ein Nachbarstaat, nennen wir ihn Argentinien, diese Inseln, stationiert dort seine Truppen und verkündet diese Inseln nun endlich "heim ins Reich" geführt zu haben.
Wie die Geschichte weiterging weiss man, die Briten fanden das nicht lustig, sendeten ihre Marine, ihre Marineinfanterie und Heerestruppen tausende Kilometer weit in den Südatlantik, lieferten sich einige schwere Gefechte mit den Argentiniern, und eroberten ihre Inseln zurück. Dabei starben nicht nur sehr viele Argentinier, sondern auch eine Anzahl britischer Soldaten.
So. Nun stellen wir uns vor, dieses Grossbritannien sei nun in der EU, es hat seine Marine und Armee in eine europäische Armee überführt und hat nun keine eigene Befehlsgewalt über diese Truppen mehr. Die liegt jetzt bei der EU.
Nun landen die Argentinier dort und so weiter. Formal wird die EU angegriffen. Die EU könnte nun die europäische Marine dort hin senden und den Kampf gegen die Invasoren aufnehmen. Da nun aber keineswegs nur britische Seeleute in dieser EU-Marine dienen, nehmen wir mal an, dass der grössere Teil dieser Armada aus deutschen, spanischen und französischen Soldaten besteht.
Und nun beginnt das Dilemma: In Deutschland, das eh nicht viel von militärischen Einsätzen hält beginnt sofort eine Diskussion: sollen deutsche Frauen und Männer für diese paar Inseln dort sterben? Und auch Spanier und Franzosen denken, Moment mal, wir haben keine grosse emotionale Verbundenheit mit jenen Schafhirten im Südatlantik, aber unsere Mädels und Jungs... sollen die dort fernab von der Heimat sterben? Ist es nicht besser auf die paar Inseln zu verzichten und den Argentiniern die Schafe überlassen? Ja, die Briten, die wollen das nicht, aber wir, der Rest der EU, wir halten das für viel sinnvoller. Und so beschliesst die EU-Regierung, keinesfalls militärisch zu antworten und die Inseln werden von nun an Malvinas genannt und bleiben argentinisch. England hin oder her.
Und selbst wenn, man stelle sich einmal vor, eine Mehrheit der EU beschliesst die EU-Armee einzusetzen, ein spanischer Admiral befehligt nun eine Flotte, in welcher hauptsächlich deutsche Matrosen dienen. Man kann sich unschwer die innenpolitischen Proteste in Deutschland vorstellen: da sendet ein Spanier deutsche Matrosen für britische Inseln in den Tod? Niemals!
Das genau ist der Grund, warum sich bestimmte Staaten bei diesem Gedanken sehr unwohl fühlen: wenn es ums Ganze geht, unsere nationalen Interessen, und seien sie auch noch so sentimental, werden in diesem Europa am Ende untergehen.
Was wenn nach den Argentiniern, die nun erfolgreich die Malvinas erobert haben, die Canadier Gelüste bekommen und St. Pierre et Miquelon, das französisches Staatsgebiet ist, aber nur ein paar Kilometer vor der canadischen Küste liegt, erobern?
Den Deutschen werden auch diese Inseln egal sein, und die Spanier haben vermutlich noch nie von ihnen gehört und so weiter (ich nehme das mal als Beispiel, ich glaube keineswegs dass Canada so etwas je tun würde). Also sagt Frankreich (das noch mehr weit entfernte Inseln in der Welt besitzt): da behalten wir lieber doch unsere eigene Armee. Den Deutschen, Spaniern, Italienern usw. trauen wir doch nicht, am Ende ihre Soldaten für unsere so geliebten Inseln zu opfern.
Übrigens, falls jemand denkt, da hätte doch schon die NATO handeln müssen: nein, denn das Verteidigungsgebiet der NATO beschränkt sich nach Artikel 6 des NATO Vertrags auf Gebiete nördlich des Wendekreises des Krebses. Die Falklands, obwohl Staatsgebiet Grossbritanniens, liegen südlich. Und schon damals war die Lust der anderen NATO Staaten, Grossbritannien zu helfen, sehr gering. Für ein paar Schafhirten am andere Ende der Welt ziehen wir nicht in den Krieg...
https://www.nato.int/cps/en/natohq/official_texts_17120.htmWenn es um nationale Interessen geht, ist den meisten Leuten das eigene Hemd näher als der Rock. Deshalb gibt es auch in der heutigen EU z.B. gerade in Frankreich erhebliche Vorbehalte gegen eine europäische Armee, wenn diese exklusiv wäre und keine nationalstaatlichen Armeen in Europa mehr existieren.