kleinundgrün schrieb:Weil ich mit einer gewissen Sozialisierung aufgewachsen bin.
Aber die Situation hier ist halt hinreichend anders. Die ist eben nicht hinreichend in der bisherigen Sozialisierung enthalten. D.h., diese Situation muss erst mal wieder auf ein beherrschbares Maß gebracht werden.
Ich wäre voll dabei, wenn ein Diskurs helfen würde. Aber der scheitert an fehlender Vernunft.
Die muss auf ein beherschbares Maß gebracht werden. Das war ja aber noch vor einigen Jahren da. Die entsprechenden Leute, die jetzt randalieren (und das tun nicht nur Querdenker, es steigen ja auch Probleme wie häusliche Gewalt ohne politischen Hintergrund an), die haben das in dieser anzahl und intensität vor der Coronakrise nicht getan. Für mich liegt da der Gedankengang Nahe, dass es da um mehr geht als nur eine Ablehnung gegen das Impfen, sondern um Stressparameter.
Man kann ein verrückter, radikaler Fundamentalist sein, aber trotzdem ganz normal seinem Leben nachgehen und halt furchtbare Meinungen haben. Man kann auch eher apolitisch sein und losschlagen und Steine werfen, weil man von etwas aufgepeitscht worden ist. Und da würde ich ansetzen, zu überlegen, was denn die Triggerpunkte sind, die einen staatsmisstrauischen Menschen dazu treiben, gewalttätig zu werden, also diesen Schubs geben.
kleinundgrün schrieb:Mach mal bitte ein konkretes Beispiel.
Das klingt so abstrakt prima - aber wie erreicht man Menschen, die sich einer rationalen Bewertung der Situation quasi vollständig entfremdet haben? Die sich so sehr im Recht fühlen, dass sie nicht mal im Ansatz zu einer Bewertung der eigenen Sichtweise bereit sind?
Das sind natürlich nicht alle Querdenker - aber diejenigen, die maßgeblich die Situation verschlechtern und denen, die nicht so gefestigt sind, ein Beispiel geben. Nach dem Motto: Guck mal, damit komme ich durch - so falsch kann das nicht sein.
Langfristig hätte ich einige Ideen, wie man den Stresslevel in unserer Gesellschaft senken kann, so wie das als anständiger Linker ja auch zum guten Ton gehört. Kurzfristig, da hast du natürlich Recht, sind unsere Mittel limitierter.
Ich glaube ein großes Ding ist die Kommunikation und die Durchführung. Wenn wir unsere Corona Krise besser managen und weniger auf Lockdowns und sich schnell ändernde Regeln zurückgreifen müssen und ohne falsche versprechungen auskommen, wäre das schonmal toll.
Aber ich glaube auch, dass wir schonmal besser darin waren, miteinander zu reden. Es war schwierig, während der flüchtlignskrise in talkshows auch Meinungen von der AfD auszuhalten. Aber ich glaube, dass sich das ausgezahlt hat, diese gesellschaftliche Meinung dort auch zu Wort kommen zu lassen zumindest von denen, die halbwegs salonfähig sind. Coronakritiker spielen im Talkshowdiskurs meist keine Rolle. Da wird Sarah Wagenknecht eingeladen, aber die macht da ja eher ihr eigenes Ding. ICh plädiere sicher nicht dafür, da irgendwelche Pseudodoktoren hinzusetzen. Aber bei der Klimakrise darf jemand wie von Storch oder Brandtner Bullshit reden bei Lanz, zumindest so Leute wie irgendwelche AfD 'Gesundheitsexperten' oder auch mal einen Jan Josef Liefers könnte man da hinsetzen und Unsinn reden lassen. ICh glaube, das würde letztendlich einen positiven Effekt haben, weil zumindest miteinander gesprochen wird. Wenn es gar keinen Diskurs mehr gibt, findet er für Querdenker auch nur noch auf Alternativmedien statt.
Ferner würde ich mir politisch gesehen wünschen, dass zu den bereits (fairerweise) umfangreichen Hilfen noch weitere dazukommen. Ich denke, dass für viele Querdenker auch der Stress im Privaten und Arbeitsleben eine große Rolle spielt. Je besser wird es schaffen, Selbstständigen eine Perspektive zu bieten und Familien dabei helfen, mit der Situation fertig zu werden (z.b. indem wir es schaffen, weitere Schulschließungen zu vermeiden, ausreichende Nachhilfe zur Verfügung stellen und schlichtweg einfach bessere Schulkonzepte schaffen, damit Eltern weniger überfordert sind), desto weniger Wut wird da aufgebaut. Wir haben in der Anfangszeit zugelassen, dass zu häufig die Situation entstand, dass ganze Familien in kleinen Wohnungen nonstop aufeinander gehangen haben ohne irgendwelche Outlets zu schaffen, wo man raus konnte. Das ist jetzt besser, aber es gibt immer noch einigen Nachholbedarf was Schule und Studium angeht, der natürlich Familien belastet (und auch lehrer).
kleinundgrün schrieb:Ich meine gar nicht mal die Stärke. Ich meine den Grund. die Motivation.
Wenn einer Dir ohne guten objektiven Grund eine auf die Nase haut, dann spaltet euch beide das sicherlich. Aber er hat Dir aus objektiver Sicht nichts zu verzeihen. Er mag sich in dem Moment im Recht gewähnt haben - aber eben nur das.
Dabei geht es ja um die Rechtmäßigkeit in deinem Beispiel. Das Problem ist ja aber, dass Querdenker sich durchaus angegriffen fühlen und ernsthaft Angst haben.
Ich geb mal ein beispiel: Jahrelang sagen Linke, Polizeigewalt ist doof. Stimmt ja auch. Da geistern youtube videos en masse herum wo irgendein polizist irgendeinen demonstranten schlägt und linke, auch politiker, sagen, dass das nicht in ordnung ist und die polizei reformiert werden muss usw..
Viele Querdenker ticken eher rechts, die wissen das genau, die haben sich nämlich schon oft genug mit linken darüber gestritten.
Jetzt sagen Linke Politiker auf twitter (wie Frau Weishaupt, die ich sehr gerne mag), dass die Polizei nötigenfalls auch Schlagstöcke einsetzen soll bei Querdenkern auf Demos. Da ticken Querdenker natürlich aus. Früher sagte sie sowas wie, dass die Polizei nicht mal Pfefferspray haben soll, aber wenn es gegen Querdenker geht, ist der Schlagstock ok.
Genauso denken querdenker über die Maßnahmen. Die sehen es so: Sie sollen sich plötzlich an allerlei absolut autoritäre maßnahmen halten, die verordnet werden von der fraktion, die ihrer meinung nach ansonsten 'jeder soll machen was er will, keiner muss irgendwas' propagiert.
Da kann man drüber streiten, wie gerechtfertigt das ist. Ich als linksliberaler Mensch finde das, was wir da machen, absolut rational und manchmal sind autoritäre maßnahmen eben rational und andermal nicht. Aber auf der emotionalen schiene, und um die geht es ja eigentlich, kann ich gut verstehen, warum vieles, was jetzt zu querdenkern gesagt und von ihnen verlangt wird, ihnen wie blanker hohn und doppelmoral vorkommt.
Und das meine ich da mit verzeihen: Für mich sieht das aus, als schlägt mich da einer aus dem nichts. Aber seiner Meinung nach hab ich ihn schon seit Jahren belästigt, weil ich oben in meiner Wohnung immer, wenn er schlafen musste, nachts party gemacht hab und er denkt, ich habe das mit absicht getan, obwohl ich nicht mal gemerkt habe, dass ich ihn belästige.