Entwickelt sich Deutschland negativ als Wirtschaftsstandort?

teleman schrieb:Überall zahlt man sofort den Höchstsatz. Krankenversicherung, Kindergarten, Klassenausflug, Rundfunkbeitrag usw.

Das ist schlicht falsch, in der GKV berechnet sich der Beitrag für freiwillig versicherte Selbständige am Einkommen, wie für Angestellte auch: https://www.tk.de/service/app/2004108/beitragsrechner/selbststaendigeRechner.app
Zahlungen für Kinderbetreuung sind regional unterschiedlich, richten sich in unserer Stadt aber auch nach dem Einkommen, nicht der Beschäftigungsart. Und rabattierte Rundfunkbeiträge gibt‘s für Nichtselbständige auch nicht.

Generell trieft dein Beitrag vor Polemik und gefühlten (Un)wahrheiten.
Als ob Arbeitnehmer per sé faul und arbeitsscheu wären. Mich würde es aber nicht wundern, wenn du deinen etwaigen Angestellten derart missgünstig entgegentrittst, dass die keine Lust auf den Job haben. :D
Gute Arbeitgeber bieten übrigens schon seit Jahrzehnten z.B. eine betriebliche Altersversorgung an, die musste man dazu nicht erst verpflichten.

Ilian schrieb:freiwillig versicherte Selbständige am Einkommen,

Da genau ist der Hund begraben!
Angestellte bekommen ihr Gehalt (netto) überwiesen.
Bei Selbstständigen ist das Einkommen ein "akademischer" Betrag. Besteht aus geldwerten Vorteilen, Erstattungsansprüchen,
Schätzungen und Regelsätzen. Ohne einen Cent in der Tasche sind das schon mal 2.000,- EUR pro Monat.
Damit kann man aber bei ALDI nicht bezahlen.

Ilian schrieb:Als ob Arbeitnehmer per sé faul und arbeitsscheu wären.

Im Bericht über die Verlagerung der Produktion von Stihl Motorsägen in die Schweiz
und auch in anderen Meldungen reden Unternehmer hinter vorgehaltener Hand über
die nachlassende Leistungsbereitschaft bei Mitarbeitern in Deutschland.
Ich kann das leider nur bestätigen und beschäftige seit 2019 keine Deutschten mehr.

Wer mal mit Osteuropäern zusammengearbeitet hat spürt den Unterschied.
Der Deal "Arbeit gegen Geld" oder "keine Arbeit, auch kein Geld" gibt es defakto hier nicht mehr.

Bürokratie und seine Folgen:

Beispiel:
In Deutschland gibt es ein Behandlungsverbot von Nutzpflanzen die bis 25m von einer Hecke entfernt stehen.
Also darf an beiden Seiten der Hecke nicht gespritzt werden. Die Strafen dafür sind empfindlich.
So soll die Hecke geschützt werden.
Es gibt auch Vorschriften wann die Hecken im eigenen Garten nicht geschnitten werden darf.

Der Bauer reagiert aber anders als erwartet. Die Hecken werden einfach weggemacht.
Auch wird eine Gartenhecken oft einfach durch einen Zaun ersetzt.
Völlig legal. Problem gelöst!

Als mal die Praxisgebühr gestrichen wurde war es da letzte mal das eine unsinnige Regel kassiert wurde.
Danach gilt eine Unfehlbarkeit für bestehende Vorschriften.
Keiner schaut mehr mit gesunden Menschenverstand hin.

Einfach mal 50% unserer Gesetze ersatzlos streichen.

teleman schrieb:Angestellte bekommen ihr Gehalt (netto) überwiesen.

Als freiwillig gesetzlich Versicherter oder in der PKV bezahlst du deine Beiträge an die Versicherung selbst. Der Arbeitgeber überweist dir seinen zu übernehmenden Beitrag als Gehaltszuschuss.

teleman schrieb:Bei Selbstständigen ist das Einkommen ein "akademischer" Betrag. Besteht aus geldwerten Vorteilen, Erstattungsansprüchen,
Schätzungen und Regelsätzen. Ohne einen Cent in der Tasche sind das schon mal 2.000,- EUR pro Monat.
Damit kann man aber bei ALDI nicht bezahlen.

Der Beitrag richtet sich nach dem Einkommen gemäß Einkommensteuerbescheid. Letztendlich wie beim gesetzlich Versicherten auch.
In der PKV ist es noch einfacher, da bezahlst du einfach deinen individuellen Beitrag.

teleman schrieb:Der Deal "Arbeit gegen Geld" oder "keine Arbeit, auch kein Geld" gibt es defakto hier nicht mehr.

Was zu belegen wäre. Ich hätte schon einen anekdotischen Gegenbeweis: ich arbeite gerade nicht - und bekomme auch kein Geld. ;)

Ilian schrieb:ich arbeite gerade nicht - und bekomme auch kein Geld

Keine Ersatzleistungen?
Dann bist du entweder Selbstständig oder nicht in Deutschland.

teleman schrieb:Keine Ersatzleistungen?
Dann bist du entweder Selbstständig oder nicht in Deutschland.

Man kann auch einfach nicht arbeiten. Wo ist das Problem? GKV richtet sich dann nach deinen Kapitalerträgen oder du bist familienversichert.

teleman schrieb:Keine Ersatzleistungen?
Dann bist du entweder Selbstständig oder nicht in Deutschland.

Toxid schrieb:Man kann auch einfach nicht arbeiten. Wo ist das Problem? GKV richtet sich dann nach deinen Kapitalerträgen oder du bist familienversichert.

Es gibt tatsächlich mehrere Szenarien, so gibt ja auch genug Privatiers z.B., die irgendwann aus dem Job ausgestiegen sind.
„FIRE“ auf Neudeutsch.
Ich bin ganz banal unbezahlt in Elternzeit. :) Das ginge für bis zu drei Jahre.

Ich bin eigentlich schon fassungslos erstaunt.

Ich habe beschlossen, mein allererstes neues Auto, was Ich mir vor 15 Jahren gekauft habe, einmal komplett zu revidieren und somit braucht das sehr viele Ersatzteile, neue Teile etc... .

Ob Marken wie Mann-Filter etc..., wo Ich dachte, dass seien Firmen, wo die Teile auch in Deutschland hergestellt werden, aber das wirklich meiste Zeug kam jetzt aus Polen (MadeInPoland). Bei ca. 6000€ Warenwert an Teilen, das heißt, dass sehr viele Kleinteile auch dabei sind, erstaunt mich das, dass es sich anscheinend kaum mehr lohnt, hier irgendwas zu produzieren.

vx110 schrieb:dass es sich anscheinend kaum mehr lohnt, hier irgendwas zu produzieren.

Man darf sich da nicht veräppeln lassen. Die könnten wahrscheinlich auch in Deutschland produzieren und würden trotzdem Geld damit verdienen. Aber, wenn man in Polen produziert, dann kann man eben mehr Geld damit verdienen. Also machen die das.

Der Umkehrschluss, das es sich kaum lohnt in Deutschland zu produzieren ist aber nicht valide.

Ich kenne das Spiel zu genüge aus unserem Unternehmen. Wir könnten auch in Deutschland produzieren und prächtig daran verdienen. Trotzdem haben wir die Produktion vor 10 Jahren ins nahe europäische Ausland verschoben. Dann verdienen wir eben noch prächtiger und der Kollege CFO bekommt nen extra dicken Bonus. So läufts nunmal in der Wirtschaft.

@vx110
Ich sehe es in dem Fall differenzierter: die Produktion wandert bei so alten Autos mit dem Gebrauchtwagenmarkt...nach Osten.

alhambra schrieb:Wir könnten auch in Deutschland produzieren und prächtig daran verdienen. Trotzdem haben wir die Produktion vor 10 Jahren ins nahe europäische Ausland verschoben. Dann verdienen wir eben noch prächtiger

Das ist aber die Kernfrage, warum geht es nicht dass man in DE noch prächtiger verdient?

alhambra schrieb:nd der Kollege CFO bekommt nen extra dicken Bonus.

Well done, normalerweise heisst die Vorstände kriegen Geld für nichts.

Abahatschi schrieb:Das ist aber die Kernfrage, warum geht es nicht dass man in DE noch prächtiger verdient?

Wir haben eine sehr personalintensive Produktion. Für uns waren die Gehälter ausschlaggebend. Aber wie weit willst du die Gehälter i n Deutschland absenken? Soweit das du mit den Polen mithalten kannst? oder Ungarn? Rumänien? Bangladesch?

Eigentlich ist Westpolen mittlerweile auch schon zu teuer, dort sind die Gehälter die letzten Jahre auch deutlich gestiegen. Also eigentlich müsste man noch weiter gen Osten wandern.

alhambra schrieb:Für uns waren die Gehälter ausschlaggebend. Aber wie weit willst du die Gehälter i n Deutschland absenken?

Du meinst wohl die Personalkosten die sich aus den Gehältern ergeben -> Sozialabgaben senken, Steuern senken....die anderen Ländern kommen auch klar ohne Dritte Welt zu sein.

alhambra schrieb:Man darf sich da nicht veräppeln lassen. Die könnten wahrscheinlich auch in Deutschland produzieren und würden trotzdem Geld damit verdienen. Aber, wenn man in Polen produziert, dann kann man eben mehr Geld damit verdienen. Also machen die das.

Der Umkehrschluss, das es sich kaum lohnt in Deutschland zu produzieren ist aber nicht valide.

Ich kenne das Spiel zu genüge aus unserem Unternehmen. Wir könnten auch in Deutschland produzieren und prächtig daran verdienen. Trotzdem haben wir die Produktion vor 10 Jahren ins nahe europäische Ausland verschoben. Dann verdienen wir eben noch prächtiger und der Kollege CFO bekommt nen extra dicken Bonus. So läufts nunmal in der Wirtschaft.

Abahatschi schrieb:Ich sehe es in dem Fall differenzierter: die Produktion wandert bei so alten Autos mit dem Gebrauchtwagenmarkt...nach Osten.

Stimmt. Daran habe Ich vorallem beim zweiten Punkt nicht gedacht.

Abahatschi schrieb:Du meinst wohl die Personalkosten die sich aus den Gehältern ergeben -> Sozialabgaben senken, Steuern senken....die anderen Ländern kommen auch klar ohne Dritte Welt zu sein.

Grundsätzlich halte ich erst einmal unser Sozialsystem für eine wichtige Errungenschaft. Da sind zwar auch Positionen drin, die da meiner Meinung nicht reingehören, aber die retten uns auch net.

Und dann ist aber genau doch das Problem. Wenn mir die Personalkosten in Deutschland zu hoch sind, dann verschiebe ich die Produktion halt nach Polen. Und dann weiter nach Rumänien und dann nach Bangladesh, wenn mir Rumänien auch zu teuer geworden ist. Wo willst du auf hören? Mit wem soll sich Deutschland vergleichen? Es wird immer einen geben der billiger kann. Das rennen können wir gar nicht gewinnen.

Wir müssen anders auf dem Weltmarkt konkurrieren. Mit Innovation, Qualität und deutscher Perfektion. Aber das haben wir leider verlernt.

Das finde ich an DE enttäuschend, wir müssen zwar konkurrieren, senken aber nicht die Abgaben...:
das ist total bescheuert, 5% weniger von mehreren ist immer noch mehr als gar nichts von 25% die weggezogen sind (Zahlen von mir einfach so gesetzt).

Es geht nicht immer nur ums Geld.

Mal angenommen wir planen eine wettbewerbsfähige Produktion.
Wir brauchen die Produktionsfaktoren Boden, Arbei, Kapital

Boden: (Gebäude)

Deutschland
Nicht nur teuer sondern kompiziert zu erstellen. Unkalkulierbar.
Polen:
Von einigen Gemeinden werden "Sorglospakete" angeboten.
Ein Dokument mit kompetenten Ansprechpartner dazu Angebote für:
Flächen, Zuschüsse, Förderungen, Architekten, Bauunternehmen usw.

Arbeit:
In Deutschland ist es für Unternehmer eine Zumutung Mitarbeiter in der Produktion zu bekommen.
Ich war mal kurz davor bei einem Bewerbungstermin die Polizei zu rufen.
Die Zustände sind hier ausreichend diskutiert worden.

Kapital:
Deuschland ist die Abgabenlast komplex zu berechnen und zu hoch.
Es gibt keine wirklich attraktiven Förderungen oder Zuschüsse für kleine Unternehmen.

Polen
Keine Grunderwerbssteuer, geringe Notargebühren, Keine Gewerbesteuer, kaum Vorrauszahlungen.
Einfache Abschreibungsregeln. EU-Zuschüsse, also Geld das einem Geschenkt wird.


Bei uns ist mittlerweile jeder Bereich völlig überreguliert und komplex.
EU-Regeln werden nur hier wirklich ernst genommen und oft auch verschärft.
Wer auf eine Produktion angewiesen ist, geht nicht mehr das Risiko ein hier ewas aufzubauen.

Hab ich schon öfter geschrieben.
Als Unternehmer ist man in Polen willkommen!

@teleman
Mein Eindruck: jede Behörde arbeitet für sich und sichert sich selbst ab in dem sie immer mehr Nachweise verlangen bzw. Vorschriften erlassen.
Es gibt keine Stelle die die Gesamtsumme der Aufgaben betrachtet und sagt, nein, das nicht - es läuft alles beim Unternehmer auf und wir wissen, deren Sorgen interessieren niemanden, nur das Geld was sie erwirtschaften und was der Firmeninhaber für ein Auto fährt.

teleman schrieb:Ich war mal kurz davor bei einem Bewerbungstermin die Polizei zu rufen.

Was war der genaue Grund?

Marfrank schrieb:Was war der genaue Grund?

Ich unterschreibe kein Bewerbungsnachweis wenn die Bewerbung nicht ernst gemeint ist.
Und das Auto vor das Tor fahren, Motor laufen lassen und nach Canabis riechend mir einfach nur das Formular
von Jobcenter hinhalten.... Sorry...

Welcher normaler Mensch läßt denn bei den Kraftstoffpreisen unnötig den Motor seines Autos laufen? Und dann noch die Zufahrt blockieren!

Der hatte wirklich kein Geld nötig!