Toxid schrieb:Die dort genannten Zahlen kannst du gerne prüfen, mittlerweile ist die Quote auf 8,5% gesunken.
Vielleicht brauch man dann auch noch jemanden, der die Zahlen vernünftig einordnet. Ein Zitelmann ist ganz offensichtlich nicht dazu geeignet. Erstmal Kritik am Framing direkt im ersten Satz: "Kapitalismus und Demokratie gehen Hand in Hand". Warum das seiner Meinung nach so ist, wird im Artikel selbst gar nicht weiter begründet. Dann kommt er mit "extremer Armut" um die Ecke. Was ist damit gemeint? Die Weltbank unterscheidet zwischen absoluter und relativer Armut. Bei absoluter Armut kann man seine Grundbedürfisse dauerhaft nicht befriedigen. Relative Armut bewegt sich hingegen immer in Relation zum Wohlstandsniveau der jeweiligen Region. Als Gradmesser dient für die absolute Armut aktuell ein unteres Tageseinkommen von 1 Dollar und 90 US-Cent. Damit ist man sehr arm. Die Grenze ab wann man als absolut oder relativ arm gilt ist jedoch dynamisch und die Kategorien als solche sind relativ neu. Daher ist schon der Rückblick auf irgendwelche Zustände von vor 100 Jahren mit solchen Begrifflichkeiten ziemlich schwierig.
Die durchaus folgenreichen Probleme der relativen Armut klammert so jemand wie Zitelmann dann gleich ganz aus, weil seinem ideologischen Weltverständnis nach ist ja ohnehin jeder selbst schuld an seiner relativen Armut. Dann setzt er dem ganzen die Krone auf, indem er Kapitalismuskritik mit Antikapitalismus gleichsetzt. Klar gibt es den vulgären Antikapitalismus, der aus dem Phrasenbeutel schöpft und nichts wirklich fundiertes zu bieten hat, doch mag ein Zitelmann natürlich auch nicht sehen, dass der Wohlstand nicht in erster Linie denen zugutekommt, die ihn erarbeitet haben, sondern denjenigen, die die wertschöpfende Arbeit durch die Kapitalmaschinerie melken.
Auch blendet man natürlich alles aus, was für die doch recht willkürliche Betrachtung globaler Armut unsichtbar bleibt. Beispielsweise ist dieser (in der Weltbankdefinition erkennbare) Trend nicht global, sondern in verschiedenen Regionen teilweise sogar gegenläufig. In der Subsahara sind heute fast 100 Millionen Menschen mehr von Armut betroffen als es noch 1990 der Fall war.
Um an dieser Stelle wieder den Bogen zum eigentlichen Thema zu spannen: Nein, nicht die Kapitalisten haben für Wohlstand gesorgt, sondern die zeitgleich mit dem Kapitalismus aufkommende Industriealisierung und die Arbeiter, die mit diesen neuen Arbeitsmitteln massenweise Waren und Mehrwert geschaffen haben. Deswegen bleibt auch jede Standortpolitik, die nur die Unternehmerseite berücksichtigt, am Ende das Ergebnis eines fatalen Fehlschlusses.