Do-X schrieb am 04.01.2023:Also ehrlich, ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es in der Schweiz keinen einzigen Haken gibt.
Das 3. Standbein - die Selbstvorsorge - kann doch nur mit entsprechend hohem Einkommen funktionieren. Wie gestaltet sich das bei Einkommen unter 2000 € = 1969 CHF? Gibt es dieses Bruttoeinkommen bei euch überhaupt oder wo fängt es an?
Ihr seid also privat krankenversichert = solidarische private Versicherungsgesellschaft. Ihr leistet dementsprechen Vorkasse beim Arzt - auch für euren Nachwuchs - und bekommt überhaupt nichts zurückerstattet? Wozu dann eine Versicherung?
Okay, weiter. Die Mieten scheinen sehr üppig, sie sind auf euer Gehalt konzipiert, interessant. Dafür ist der Nahrungsmittelsektor wahrscheinlich preiswerter? Er wird also vom Staat subventioniert, ihr zahlt eine sehr niedrige MwST? Verstehe ich das richtig?
Die Bevölkerung in der Schweiz wächst doch auch oder nicht und die Leute werden auch immer älter, irhendwann müssen die staatlichen Rentenansprüche doch auch erschöpft sein, wer finanziert die?
Hi, deine viele Fragen beantworte, ich so gut ich kann, gerne.
Ein Einkommen unter 2.000 € gibt es eigentlich nicht. Die Schweiz ist so teuer, weil alle viel und gut verdienen. Ein Aufstocken oder Mindestlöhne gibt es so nicht. Als Angestellte an der Kasse sind gut 4.000 Franken drinnen, die Steuer dürfte hier um die 10% sein, je nach Kanton auch niedriger. Ein studierter Berufseinsteiger hat gut 70-80.000 Franken. Daher ist alles, was mit Personalkosten zu tun hat, relativ teuer. Dafür muss man aber nicht "hintenrum" ein dysfunktionales System quer finanzieren. Daher sind ja auch viele Pflegekräfte, Lehrer, Köche, Servicepersonal etc. in die Schweiz ausgewandert. Das sind so gar die Berufsgruppen mit der höchsten Einwanderungsquote in die Schweiz. Das Gehalt ist dort schnell doppelt oder dreifach so hoch.
Die Krankenversicherung ist etwas komplexer.
- Grundbeitrag monatlich
- Franchise
- Selbstbehalt
Der Grundbeitrag richtet sich nach dem "Luxus", welchen man in der Versicherung möchte. Z. B. Rechtsschutz für medizinische Angelegenheiten, Einzelzimmer im Krankenhaus, Zahnzusatz etc. ABER: Er richtet sich auch nach der höhe der Franchise. Die Franchise ist wie ein Selbstbehalt. Die Franchise geht von 300 Franken bis 5.000 Franken. Bei 5.000 Franken bezahlt man pro Monat kaum noch Beiträge. Blutabnehmen mit kurzer Besprechung beim Arzt kostet ca. 150 Franken. Bei 300 Franken geht man also zwei mal zum Arzt und den Rest zahlt die Versicherung. Das kostet in der super-duper Luxusversion ca. 430 Franken. Bei 1.000 Franken Franchise ca. 300 Franken. Da ich nie bis selten zum Arzt gehe, kann ich mir ausrechnen, was für mich das günstigste Modell ist.
Selbstbehalt ist gesetzlich. Man muss 10% jeder Rechnungen selbst tragen, bis zu einer höhe von 700 Franken im Jahr. Damit möchte man vermeiden, dass jemand der die 300 Franken Franchise nimmt, jede Woche 5 mal zum Arzt rennt, weil es ihm langweilig ist (wie zum Beispiel mein Vater).
Maximal hat man also einen Eigenanteil pro Jahr von 1.000 Franken oder ~80 Franken pro Monat. Ich finde das Modell sehr fair, da ich es super auf mich und meine Bedürfnisse anpassen kann. Für ein Neugeborenes nehme ich die 300 Franken Franchise, weil ich ggf. öfters mal zum Kinderarzt muss, ich selbst habe 1.000 Franken und drücke damit meine monatliche Rechnung. Wenn ich arbeitslos bin, überlege ich es mir auch sehr gut, ob ich noch ein 5tes Kind in die Welt setze, denn das wären auch 5 mal Krankenkasse.
Die Mieten sind eigentlich identisch mit meiner bayerischen Herkunft. Auf dem Land für 100qm 800 - 1400 €, in München 1.400 - 2.000 je nach Lage. Das nimmt sich nichts. Dafür verdiene ich aber netto das doppelte. Aber ja, wohnen ist das teuerste in der Schweiz, da es einfach, auch wegen der Rechtslage, sehr wenige Bauplatz gibt.
Die Schweiz wächst auch, aber du kannst nicht einfach reinmarschieren und da sitzen. Dann bekommst du nen Arschtritt. Entweder du arbeitest oder du fliegst. Man kann also nicht in die Schweiz, Asyl anmelden und nach 5 Jahren noch kein Deutsch sprechen. Das geht nicht oder nur extrem schwer. Dadurch hat man eine leistungsbereite Gesellschaft mit einer riesigen Einzahlerquote.
In Deutschland ist es auch für viele attraktiv nicht zu arbeiten, da das Gehalt nur wenig oder gar nicht höher ist wie die Sozialbezüge. In der Schweiz hat man locker sofort das doppelte an finanziellen Möglichkeiten. Arbeiten ist in der Schweiz einfach sehr lukrativ, in Deutschland für ein bestimmtes Klientel das Nichtstun.