shionoro schrieb: Wir sehen im Gegenteil eben, dass auf Schulen immer mehr verhaltensauffällige kinder sind, auf die Schulen oft keine Antwort haben. Wir sehen auch, dass sich auch Abiturienten oft sehr überfordert mit der Studien und Berufswahl fühlen.
Die Kinder sind nicht wegen der Schule verhaltensauffällig - zumindest die meisten nicht. Du brauchst ein gewisses enges Verhältnis zum Kind, um Verhaltensänderungen zu merken, damit sich das Kind öffnet und eine Vertrauensbasis da ist - das klappt an unserer Schule mit dem Klassenlehrerprinzip gut -ich bin drei Jahre lang in allen Fächen, die ich unterrichten kann, für meine 30 Schüler verantwortlich. Da bemerken wir sehr viel - von Drogenkonsum, über Eßstörung bis zur Selbstverletzung. Du darfst den pädagogischen Teil einer schulischen Arbeit an einer schwierigen Schule nicht ignorieren. Ich würde mal behaupten, es ist 50:50 Wissensvermittlung und Pädagogik, wo du auch immer wieder Regeln einforderst, die die Kinder und Jugendlichen von daheim nicht kennen.
Du hast als Abiturient sehr viele Möglichkeiten - es ist auch fraglich, ob die Menge an Fachrichtungen wirklich sein muss, ja. Es gibt aber supertolle Möglichkeiten, viel mehr als früher. Es gibt aber auch eine kompetente Berufsberatung - ich habe dir ja schon geschrieben, dass das Arbeitsamt ein festes Büro an unserer Schule hat, wir besuchen Berufsbildungsmessen und in B-W hast du das Fach ProfilAC - ein Assessmentcenter (standardisiert), das sich über ein ganzes Schuljahr zieht und dir Orientierung gibt, welche berufliche Richtungen für dich geeignet wären. Daher versucht die Schule schon entgegenzusteuern. Würde das in deinem Zentrum anders laufen?
shionoro schrieb:Und letztendlich müssen wir immer bedenken, dass wir von der eigentlich sehr schönen und wertvollen Kinder und Jugendzeit den jungen Leuten sehr viel wegnehmen, weil wir sie zum Unterricht zwingen.
Genau da bin ich immer noch anderer Meinung - Wissen bereichert dein Leben wirklich :-). Du nimmst nicht - du gibst :-).
shionoro schrieb:Ein System muss sich durchaus daran bemessen lassen, wie effizient und gut durchdacht es ist. Warum sollten wir ein schlechtes System intakt lassen, wenn es besser geht?
Das System ist nicht schlecht -das siehst du daran, dass der Großteil erfolgreich in Studium und Beruf landet. Die Zukunftskomponente ist also erfolgreich.
shionoro schrieb:"Wir sollten Schüler zwingen sich mit irrelevanten Inhalten, die sie nicht mögen, auseinanderzusetzen, weil später gibt es auch ein paar dinge, die man nicht mag" ist für mich kein Argument. Es ist ja nicht so, dass die Leute nach der Schule ganz toll auf diese Sachen vorbereitet sind oder als würde die Schule die Angst vor dem Zahnarzt oder die Überforderung mit de
Da sind wir einfach anderer Meinung - die Schule vermitelt eben eine Basiskasten an Grundfertigkeiten, der im Leben notwendig ist - in B-W noch in den Abstufungen Hauptschule, Realschule und Gymnasium. In der Hauptschule B-W besteht so ein Unterrichtstag fast nur aus Mathe, Deutsch und Englisch - die Nebenfächer sind schon in fast homöopathischer Dosierung - da überarbeitet sich keiner.
shionoro schrieb:"Wir sollten Schüler zwingen sich mit irrelevanten Inhalten, die sie nicht mögen, auseinanderzusetzen, weil später gibt es auch ein paar dinge, die man nicht mag" ist für mich kein Argument. Es ist ja nicht so, dass die Leute nach der Schule ganz toll auf diese Sachen vorbereitet sind oder als würde die Schule die Angst vor dem Zahnarzt oder die Überforderung mit de
Ich würde mal behaupten, je grundlegender die Schulbildung desto lebenspraktischer die Inhalte - lies mal einen Bildungsplan. Wir reden im Grundniveau immer über lebenspraktische Dinge - z.B. dass aus Kaulquappen mal Frösche werden. :-) in Bio - ich weiß schon, du gehst vermutlich nicht davon aus, dass man das wissen muss.
shionoro schrieb:Genau, und das will ich ja ändern. NAchhilfe sollte keiner brauchen. In meinem system sind jegliche Fortbildungen und HIlfen ja gratis. Gerade weil der Faktor Eltern immer unverlässlicher wird, möchte ich ja, dass in meinem System für Kinder bis zu einem bestimmten alter das Jugendzentrum ihr sozialer Mittelpukt wird (und darum gibt es auch bis zu einem gewissen alter eine sehr lange anwesenheitspflicht).
In unserer Stadt gibt es eine ehrenamtliche Rentnergruppe, die aus pensionierten Lehrern und anderen Interessierten und Quereinsteigern besteht - die geben Nachmittags für alle Schularten kostenfreie Nachhilfe in öffentlichen, leicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbaren Gebäuden (Bibliothek, Jugendhaus) Nachhilfe. Immer an einem anderen Ort ...
Wir sind eine Stadt mit 50.000 Einwohner, bei der genauen Schülerzahl muss ich passen - Zahl ihrer "Dauerklienten" - 50. Mit den 50 sind sie unglaublich erfolgreich. Aber im Verhältnis zu denen, die Hilfe bräuchten, ein geringer Prozentsatz. Wir haben in der Schule Flyer und immer wenn gravierende Mängel in einem Fach vorliegen, empfiehlt man den Eltern diese Renter - kostenfrei, wohnortnah, .... die Ressonanz ist gering. Wäre das in deinem System anders? Was glaubst du?
shionoro schrieb:Das system wird dadurch erschwinglich, dass man mit Vereinen zusammenarbeitet. Heute muss ein Geschichtslehrer 30 Leute in der Klasse haben, wo sich nur ein paar wenige für den Unterricht interessieren. In meinem system, wenn nur die Interessierten kommen, sitzen da ja 10 Leute, die man nicht unbedingt dauernd fordern muss, sich zu beteiligen.
Auch das gibt es schon ... wir haben hier im Ort eine etwas verschrobene christliche Privatschule - das ist eines der Alleinstellungsmerkmale von denen -da bieten nicht die Vereine (die das oft personell gar nicht gestemmt bekommen) an, sondern Eltern AGs. Geht aber vom rechtlichen Rahmen nur, weil es eine Privatschule ist -Stichworte: Aufsichtspflicht. Kommen lustige Sachen bei rum. Aber: Du kannst dein Kind nur dort hinschicken, wenn du pro Monat mindestens eine AG Stunde anbietest (die wird dann gebündelt).
Wir haben einen Vereinstag an der Schule, wo die Vereine sich vorstellen können + einige Vereine, die mal punktuell oder übers Schuljahr verteilt was anbieten - leider ist die Ressonanz oft sehr gering.
shionoro schrieb:Der Rest verteilt sich ja auch auf NIchtakademische Tätigkeiten. Ausflüge, Sport- und Musikvereine usw. Die muss man nicht groß bezahlen, sowas geht (wie z.b. beim hochschulsport) recht günstig, wenn man mit den vereinen zusammenarbeitet.
Das haben sich bei uns die Ganztagesschulen auch überlegt bei uns - die Ressonanz war für sie sehr ernüchternd, weil die meisten Vereinsmitglieder einer bezahlten Tätigkeit nachgehen und unter der Woche vor- oder nachmittags gar keine Zeit haben. Auch haben sie immer wieder Probleme, ausreichend Übungsleiter zu finden. So ein Schulausflug ist nicht billig. Bei uns ist die Verkehrsanbindung so mistig, dass eigentlich nur die Fahrt mit einem gemieteten Bus bleibt - bei Tagesausflügen kostet das pro Schüler schon mal zwischen 15 und 20€.
shionoro schrieb:Ausflüge, die organisiert werden, können die Jugendlichen ab einem gewissen alter auch ziemlich selbstständig bestreiten, da braucht man keine große Menge ausgebildeter Aufpasser.
Da ist die Aufsichtspflicht im Weg ... Bei uns gilt die Regel, dass man den Schulhof nicht mit weniger als zwei Kollegen pro Klasse verlassen darf -aus gutem Grund. Du glaubst gar nicht, wie viele doofe Schulunfälle es gibt.
shionoro schrieb:Schlichtweg stelle ich ja mir in vielen bereichen eher einen Tutor als einen Lehrer vor, ein bisschen wie auf der Uni. Den kann man fragen, wenn man Hilfe braucht, aber wenn man gut klarkommt
Woher weißt du dann, ob der Schüler gut klarkommt oder keinen Bock hat und gar nichts macht? Bei uns gibt es nun neu das Gemeinschaftsschulsystem - da ist das so ähnlich - Kind schreibt einen Lernplan, arbeitet den ab, schreibt die Klassenarbeit, schreibt neuen Lernplan ... Kind meiner Freundin hat die ersten vier Wochen nur Mathe gemacht - war dann mit dem Stoff und den Klassenarbeiten für das Schuljahr durch, hatte gute Ergebnisse. In der 6. Klasse hat er Mathe vor sich hergeschoben bis zum Ende des Schuljahres. Dann hatte er aber schon zwei Jahre gar kein Mathe mehr - konnte nichts mehr ... Großes Galama.
shionoro schrieb:Das stimmt, und mit denen kann mein system besser umgehen, weil da der raum ist, die erstmal zu betreuen um sie beschulbar zu machen, indem man ihnen den raum gibt, zur Ruhe zu kommen.
Ohne dir nahetreten zu wollen - ich hätte auch gerne einen Pool und eine Strandbar in meinem Klassenzimmer :-). Tatsächlich stammt unsere Schule aus einer Zeit, wo man im Schnitt 27 Schüler in der Klasse hatte, wir haben nun 30, oft noch Praktikanten, Referendare, Hospitationsschüler, Flüchtlingskinder in der Eingliederungsphase, etc. In Hochzeiten hatte ich das Schuljahr schon 35 Schüler bei mir. Ich habe nicht mal Platz für Einzeltische. An Tagen, wo Sport oder Schwimmen ist und die Schüler daher zwei Taschen mithaben, ist es mitunter unmöglich, durchs Klassenzimmer zu laufen. Wenn es regnet, regnet es durchs Dach ... aktuell nicht mehr, da in einem Nothaushalt Geld für etwas Dachpappe bewilligt wurde, die über das Leck gelegt wurde - wir warten auf eine Dachsanierung. Wo soll das Geld für Ruheräume und entsprechendes Personal herkommen? Die Grundschule meiner Kinder machte bundesweit Schlagzeilen, weil das Klo 40 Jahre nicht saniert wurde.
shionoro schrieb:Die Schule kann nachmittags ne psychologische beratung und sowas anbieten, aber in den unterricht müssen die kids,s elbst wenn s
Das bietet die normale Schule schon lange an - unser Kreis beschäftigt aktuell 10 (!) Schulpsychologen, die aktuelle Wartezeit auf einen Termin sind neun Monate. Zudem hat jede Schule noch einen Sozialarbeiter.
shionoro schrieb:AHA! Die Zeiten ändern sich also und die Schule kann darauf nicht gut reagieren. Das sehe ich auch so. Nur glaube ich nicht, dass da lamentieren und handyverbote etwas nützen. MAn kann die Zeit nicht zurückdrehen.
Es möchte auch niemand ein generelles Handyverbot (außer vielleicht manche Strömungen der Waldorfpädagogik). Mit Handys kann aber so viel Blödsinn getrieben werden ... Von Nacktaufnahmen machen und weiterschicken (passiert fast an jeder Schule - regelmäßig) bis jugendgefährdende Inhalte verbreiten (geht an einem Nachmittag fast flächendeckend) bis auf andere strafbare Sachen - bei uns kommt regelmäßig präventiv die Polizei vorbei und macht entsprechende Veranstaltungen "warum es nicht cool ist, einen Kuhporno weiterzuverbreiten oder den Sportlehrer unter der Dusche zu filmen). Die Prävention läuft schon, genauso die Zahnprävention, die Sexualaufklärung, die Verhütungsaufklärung, die Drogenprävention, die Verkehrserziehung, die Busschule ... je weniger die Eltern daheim machen, umso mehr machst du "nebenher" an der Schule. Vom Berufswahlprozess hatte ich ja schon geschrieben .... das sollte in deinem System auch integriert werden - es ist nämlich erschreckend, wie ahnungslos manche Schüler so sind.
shionoro schrieb:Es ist nichts schlechtes, wenn man einen hohen medienkonsum hat, wenn man sich für DInge itneressiert. Gerade weil das, was da im Bildschirm ist, viel interessanter ist, kann man den kindern damit etwas beibringen (oder sie tun das selbst), wenn ihnen die möglichkeit gibt, ihre Vorlieben sinnvoll zu kanalisieren.
Mir fallen nun spontan mehr als eine handvoll Schüler ein, die ein lebendes Beispiel dafür sind, dass ein hoher Medienkonsum unfassbar destruktiv sein kann und die massiv mit den Folgen kämpfen. Übrigens fallen mir auch Eltern ein, die genauso betroffen sind. Leider kann man hier nicht über Einzelfälle schreiben. Oft können die Eltern ihr "kleines Problem" selbst nicht kanalisieren oder gar als Problem wahrnehmen. Die Schule hat für die Kinder den angenehmen Nebeneffekt, dass sie einen geregelten Tagesablauf haben (oft schlafen die betroffenen Eltern morgens noch, weil sie bis tief in die Nacht zocken) und auch für mindestens eine geregelte Mahlzeit sorgt. Wenn die Schule nun als Korrektiv wegfällt - ist keiner mehr da ... das wäre fatal.
shionoro schrieb:Schlichtweg: Jemand, der in einem Team counterstrike spielt auf einem hohen niveau und das wirklich lernt und ernsthaft betreibt lernt dabei vermutlich mehr als in irgendeinem Klassenzimmer in der Schule. Er lernt ernsthafte teamfähigkeit und Disziplin, beispielsweise.
Und er lernt auf Leute zu schießen - stundenlang. Das macht was mit Kindern. Es führt auch dazu, dass sie sich im Unterricht schlecht konzentrieren können, weil sie beim Spielen immer unter Anspannung stehen und alles im Alltag, was ihnen diese unnatürliche Anspannung nicht gibt, als "langweilig" wahrnehmen. Es führt z.T. dazu, dass sie in einer Parallelwelt leben und sich einigeln und die nur verlassen, weil sie durch den Schulbesuch gezwungen werden. Wir haben Eltern, die tatenlos zusehen, wenn die Jugend auch am Heilig Abend 18 Stunden durchzockt ... weil Familienlebn nicht stattfindet.
shionoro schrieb:Mit Anna ist heute leider wenig, die wird vermutlich nicht auf das Gymnasium kommen und die hat kein Geld für nachhilfe und wenn sie pech hat kann sie nichtmal zu Hause richtig essen und schlafen wenn Mama sich nicht kümmert. Das ist furchtbar. Das will ich ändern.
Du kannst das nur ändern, wenn du Anna andere Bezugspersonen zur Seite stellst, die versuchen, ihr Leben entsprechend zu kanalisieren und andere Impulse zu setzen - das können ein Tutor und zwei freiwillige Kurse am Tag nicht ändern. Anna braucht eine Struktur, jemand, der regelmäßig mit ihr redet, Essen, Bildung und eine Perspektive. Sonst wird Anna mit 16 schwanger, landet als Teilzeitkassiererin abends an der Tankstelle und sieht zu, wir ihr Kind mit 16 schwanger wird, weil sie nie da war, weil sie arbeiten musste und ihre Jugend nachholen ... Armut verursacht Armut - das ist ein Teufelskreis.
shionoro schrieb:In meinem System hätten wir ja zumindest in den Kinderjahren verpflichtend Ganztagsschulen. So richtig mit Mensa, und nachmittagsangebot und AG und generell einfach möglichkeiten für kinder um zu spielen und runterzukommen. Anna muss dann nicht nach Hause (ihr Mama wird das wohl eh freuen).
Da stimme ich dir sogar zu. Das jetzige System (hatte ich ja bereits geschrieben) bringt Kinderverwahrstätten hervor und keine guten Konzepte - das hängt am Geld, an der Motivation und der Qualifikation des Personals.
shionoro schrieb:Wenn Anna ab 15 oder 16 will, kann sie nach Hause gehen, die Anwesenheitspflicht wird immer geringer. Sie muss aber nicht. Sie kann im JZ essen und ihren Lebensmittelpunkt haben und eben nur Abends nach Hause gehen. Und ich glaube, wenn das JZ vernünftig gestaltet ist, werden sowohl anna als auch anton lieber im JZ rumhängen als alleine vor dem PC.
Das ist ein Konzept, das gerade viele Jugendhäuser fahren - das Problem ist, dass Ann-Sophie abends nie dort herumhängt, sie hat ja ein liebevolles Zuhause - du hast dort eine Konzentration an problematischen Jugendlichen, die sehr oft im Leerlauf sind und auf doofe Ideen kommen - Jugendliche in dem Alter sind Sozialisationsinstanzen für andere Jugendliche - und das ist es, wo das Problem anfängt ....
shionoro schrieb:Dass junge Mädchen irgendwelche Macker treffen kann ich nicht ausschließen, aber wer bis 16 grundsätzlich vernünftig erzogen worden ist und seinen Charakter formen konnte, der wird bei seinen ersten erfahrungen glaube ich weniger fehler machen als jemand, der halt eben in der schule war, sich da berieseln ließ und dann nach Haus
Das stimmt - aber für die Erziehung brauchst du feste Bezugspersonen - wie macht man das in einem freiwilligen System?
shionoro schrieb:Okay, da unterhalten wir uns ja jetzt über das Logistische, nicht über das System an sich. Fändest du das System denn gut, wenn es finanziell ohne weiteres machbar
Ehrlich gesagt - nein. Bzw ich fände einzelne Elemente gut, die werden aber schon in Schulen umgesetzt. In unserer Schule ist es ja nicht so, dass die Schüler kommen, sechs Stunden Unterricht haben und wieder gehen - wir arbeiten ja sehr pädagogisch und decken ganz viele Alltagsdinge ab: Mittagessen, Prävention, soziale Ansprechpartner, Berufswahl, ...
shionoro schrieb: Meinst du jetzt Hauptschulschüler? Heute kommen die meisten Kinder auf ein Gymnasium, viele studieren. Vor 20 verdient kaum einer richtig Geld. Ist aber auch nicht der Punkt: Ich will sicher nicht ausschließen, dass man nicht schon früher Geld verdienen darf. Wer das will, der darf ja gern sich auch mit 15 in so einen Kurs setzen für irgendeine Ausbildung (oder sich selbst etwas suchen)-
In unserem Schulamtsbezirk kommen seit Abschaffung der Grundschulempfehlung ca. 50% der Schüler auf ein Gymnasium (schwankt so von 48%-52%). Dort wird inzwischen ziemlich gnadenlos gesiebt -d.h. ca. 70% der Schüler verlassen die Schule mit einem Hauptschul- oder Realschulabschluss, d.h. 30% eines Jahrgangs machen Abitur. Die meisten gehen dann noch eine oder zwei Jahre auf ein Berufskolleg und machen dann eine Ausbildung.
shionoro schrieb:Ich würde nur eben ein späteres alter empfehlen, damit man das Maximum seiner Jugend genießen kann. Wer das aber nicht will, dem lege ich sicher keinen Stein in den Weg. Er kann, falls
Klingt gut - muss aber finanziert werden. Die Sozialkassen sind leer. Und eher versuchst du Jugendliche früher ins Arbeitsleben zu bringen, als den Dachdecker mit 70 noch aufs Dach zu schicken. Zudem brennen die Kinder oft auf den Einstieg ins Erwachsenenleben. Viele unserer Schüler haben typische Schülerjobs wie Lidl (Regale auffüllen'), Subway, McDonalds oder andere Fastfoodläden, geben Nachhilfe, arbeiten in der Gastro. Das Geld ist da ein unglaublicher Motivationsfaktor.
shionoro schrieb:Warum macht Anton das, wenn seine freunde im JZ sind und dort Dinge tun? Und inwiefern sieht es für Anton sozial besser aus, wenn er nach der Schule sofort geht und Fortnite spielt, anstatt sich mit irgendwem zu verabreden? Inwiefern hat er da ein besseres Sozialleben, wenn er maximal in den 5 Minuten pausen mit irgendwem quatscht?
Wir haben an unserer Schule gar keine fünf Minuten Pausen (haben die meisten Schulen nicht mehr). Bei uns hat der Schüler 2x eine große Pause mit Außenaufenthalt, eine Stunde Mittagspause und Nachmittags AGs, Nachmittagunterricht, Hausaufgabenbetreuung, Neignungsangebote. Ist meiner Ansicht nach konstruktiver und sozialer als mit dem Bus ins Dorf fahren und sechs Stunden PC zocken.
shionoro schrieb:Warum kann Anton nicht mit seinen Freunden zusammen Fortnite spielen und Chatten?
Kann er. Wird er auch. Aber die Dosis macht das Gift. Anton hat kein Elternhaus, das gegensteuert. Anton hat keine Hobbys außer dem PC. Die normale Mutter wird nach 2 Stunden spätestens regulativ eingreifen und das Kind rausschicken. Das macht Antons Mutter nicht. Wenn Anton Pech hat, lernt Mama jemanden kennen, der ihn nicht so prickelnd findet und dann ist Mama oft über Nacht gar nicht mehr daheim, weil die Wohnung zu klein ist für Anton + Mama + Freund. Wir haben viele Kinder, die mit ihren Eltern in einer Art WG leben und die Eltern freitags weggehen und erst sonntags wieder kommen, wenn die Kids größer sind (wir sind ja ne Sekundarschule). Die Kinder können sie per Handy erreichen - wenn sie Glück haben.
shionoro schrieb: Ist doch nicht so, als würde die Schule sehr gut dabei sein, Kinder wie Anton zu motivieren. Anton muss durchaus bis in ein bestimmtes Alter ein paar Kurse belegen. Die aber recht offen gestaltet sind, sodass er da wirklich möglichkeit zum Sozialkontakt hat (und wenigstens die konnte er sich aussuchen). Wenn er DA nicht mit leuten reden will, dann will er es sicher auch in der Schule nicht. Wenigstens sehe ich kein Argument, warum.
Anton ist ja in einem (beginnenden) Suchtverhalten - die Schule stellt zumindest noch sicher, dass er das Haus regelmäßig verlässt, unter Leute geht, Lernstoff vermittelt bekommt, ein warmes Mittagessen bekommt und an zumindest einer Arbeitsgemeinschaft teilnimmt. Kann man das optimieren? Mit Sicherheit - wir bewegen uns in dem uns gesteckten finanziellen und pädagogischen Rahmen. Aber: Wir leisten durchaus einen Gegenpol zu Antons reizarmen Leben daheim. Wir sehen ja, was mit Kindern wie Anton in den Ferien passiert: Fortnight 24/24. Da schaltet Mama auch nicht an ihrem freien Tag den Computer ab und sagt "komm, wir fahren zusammen ins Spaßbad". Oft hat Anton gar keine Badehose und kann gar nicht schwimmen. Mama sagt "ich hab dir 10€ auf den Küchentisch gelegt und es sind noch Pizzen eingefroren. Ich gehe heute mit Kasper weg, den habe ich im Internet getroffen, wenn es gut läuft, bin ich erst Sonntagmittag wieder da. Mach dir keine Sorgen, Schatz. Geh nicht so spät ins Bett ... Ruf an, wenn was ist. Ciao." Dann ist er sich selbst überlassen. Auf Kaspar hat er keine Lust, auch, weil Kaspar ihn nur als störendes Element wahrnimmt. Er ist schon froh, wenn Kaspar ihn ignoriert und nicht schlägt oder doof anredet oder seine Mama überredet, ihn beim Vater abzuliefern, den er seit fünf Jahren nicht getroffen hat, obwohl er in der gleichen Stadt wohnt.
shionoro schrieb:Das Ding bei August ist, dass die Kinder den Eltern keine Rechenschaft schuldig sein sollen: Die Eltern wissen nicht, was die Kinder ab einem gewissen alter so belegen. Es gibt kein Zeugnis mit Unterschrift von den Eltern. Wenn die Jugendlichen ihren Eltern irgendwelchen Unsinn erzählen wollen, damit sie sie in ruhe lassen
Du bist aber erziehungsberechtigt und das ist gut so. Dein Job als Elternteil ist es sehr oft, korrektiv einzugreifen ... Während ich das tippe: Mein Kind#2 sitzt im Wohnzimmer und lernt auf die Französischarbeit - ich habe ihn vorher mitgeschickt, als die Dorfjugend geklingt hat (die spielen Samstagabend immer eine Runde Fußball), da er oft zu viel lernt, habe ich da korrektiv eingegriffen. Kind #3 hat das Handy abgenommen bekommen - er hat 60 Minuten am Tag, was ich schon viel finde. Er wurde dann auch auf den Sportplatz geschickt und ist nun auf dem Weg ins Bett, wo er noch liest (gezwungenermaßen, weil er ja kein Handy zum Daddeln hat). Kind #1 hat heute Morgen gelernt, heute Mittag gejobbt und geht nun noch zwei Stunden mit einer Freundin aus. Du musst das schon sanft steuern - die können das mitunter nicht alleine regeln.
shionoro schrieb:Ganz einfach: Eine neue Vorbereitung. Er lässt sich jetzt zum Erziher Umschulen. Ganz unentgeldlich. Geht in das JZ, nimmt da an einem Kurs teil (falls notwendig) und versucht dann, eine Ausbildung zum Erzieher zu machen. Falls für sowas überhaupt ein Kurs notwendig ist, wie gesagt. Um Erzieher zu werden muss man ja auch nicht Pädagogik in der SChule belegt haben.
Ja, das stimmt, so ein Grundwissen in verschiedenen Bereichen wäre nicht schlecht, wenn das Kind im Garten eine Raupe findet, wäre es super, du könntest als Erzieher erklären, was es ist. Supercool wäre auch, wenn du schon mal vom Eichenprozessionsspinner gehört hättest, damit du die Gefahr fürs Kind auch erkennst. Das wäre dann Bio :-). Wenn ein weiteres Kind auf die Idee kommt, zu fragen, wie die Schaukel funktioniert wäre es auch toll, wenn du was zu Hebelkräften sagen könntest - sehr kindgerecht natürlich, also Physik :-). Usw.
shionoro schrieb:Die Themen nicht. So wie es beigebracht wird schon. Es sind ja nur kleine Teilausschnitte. Da lernt kein Schüler, wie er anständig recherchiert auf dauer, oder sich wirklich mit tagespolitik zu beschäftigen. Da ist z.B. dann ein lehrer, der erzählt denen, was in England passiert. Im Moment. Und die müssen zuhören. Und das war's dann. Aber warum soll das wichtig für sie sein? Die müssen ja ihr leben lang das eigentlich selber recherchieren und sich SELBER dafür interessieren, aber in der schule erzählt ihnen das irgendwer, während sie halbherzig zuhören. Den Mehrwe
Die Stunde war nicht, dass ich erzähle, was passiert - wir haben einen Artikel gelesen, also die Schüler, Vokabeln erarbeitet ... meine Tochter (Gymnasium) macht in Politik immer eine aktuelle Stunde, wo Schüler sich das Thema aussuchen, präsentieren und dann wird erörtert, was passiert - so ähnlich wie hier im Forum. Sie lernt da ziemlich viel.
shionoro schrieb:Darum macht man das mit Bruchrechnen ja auch im Vorkurs, damit die Leute das da können.. NIcht im Hauptkurs. UNd komischerweise. Die unis funktionieren, obwohl die tutoren mehr so 'auf abruf' da sind (man kann denen auch mails schreiben) und einen nicht bei der hand nehmen, sondern eigenleistung einfordern.
Du hast auf einer Uni Leute, die die Pubertät hinter sich gelassen haben. Sie sind mit 20 weitaus reifer als ein Schüler mit 13, 14 oder 16. Das kannst du überhaupt nicht vergleichen. Dann ist das kein Ausschnitt aus der normalen Schülerpopulation - das sind Leute, die ein Abi bestanden haben. In Medizin hast du z.B. einen Haufen Leute, die das Abi überdurchschnittlich gut bestanden haben, d.h. du hast eine hohe Konzentration an Jahrgangsbesten. Daraus auf die Motivation des normalen Durchschnittschülers zu schließen, ist sehr gefährlich. Das kannst du nämlich nicht gleichsetzen.
shionoro schrieb:Das ist genau das gegenteil von der Schule, weswegen die schule auch nicht auf die Uni vorbereitet. Die UNI soll auch nicht so werden wie das JZ. Im Gegenteil, die Uni soll nicht weiter verschult werden, das wird sie nämlich.
Jain. Das Verschulen kann dich auch vor Disastern retten. Ich war auf einer unverschulten Uni und bin dafür sehr dankbar. Ich habe viel mehr Vorlesungen belegt, weil ich an der Uni wie im Paradies war - ich habe das belegt, was ich musste und dann alles reingequetscht, was ich spannend fand. Ich hätte nie den NC für Psychologie geknackt, aber ich saß oft in den Vorlesungen und fand es superspannend. Oder Soziologie ... mangels Berufsperspektive kann man das nicht studieren, aber die Vorlesungen waren superspannend. Es gab nun aber Leute, die alle Taktik außen vor ließen und z.B. mit wilder Hoffnung, dass der Arbeitsmarkt sie absorbieren wird, z.B. Soziologie studiert haben. Wir hatten jemand im Semester, die im Auslandssemester in Irland ihre Liebe zu keltischen Sprachen entdeckt hat und dann dort Gaelisch studiert hat mit "Celtic Studies". Sie war danach - arbeitslos, bzw. hatte immer Stundenverträge an der Uni. Sie hat dann promoviert und 10 Jahre lang in einem Café gejobbt, die Promotion entsprechend gezogen, weil es im Lebenslauf besser aussah, sich beworben und hangelt sich nun seit 10 Jahren von einem Jahresvertrag zum anderen, d.h. sie beginnt im September und wird oft im Juli wieder entlassen, jobbt im Sommer, wird zum September wieder eingestellt - wegen gesetzlicher Regelungen an verschiedenen Unis in verschiedenen Ländern, lebt in WGs und liebt den Job an sich, aber die Umstände machen sie schon ziemlich fertig. Sie würde nun mit ihrer heutigen Reife das nicht mehr studieren.
shionoro schrieb:Wie gesagt halte ich ja sowieso nichts von Bildungsabschlüssen. Der Grund, warum man mit nem Abi leichter Arbeit findet, ist , weil man meist aus einer anderen sozialen schicht als ein hauptschüler kommt und eben den abschluss da stehen hat. Nicht zwangsläufig, weil man irgendwas besser kann. Das, was du allgemeinwissen nennst, öffnet keine Türen. Höchstens als sozialer code, um zu zeigen 'hey guck mal, ich bin kein asozialer, ich kenn goethe'. Das kann man aber auch im JZ erwerben, wenn man will. Wer ambitionen hat, der holt sich sein wissen. Wer sie nicht hat, bekommt es auch in der schule nicht. Sonst gäbe es ja keine anderen Schulformen als gymnasien mehr, wenn die Schule alle kinder dazu motivieren würde, diese großartige A
Das ist leider ein Irrweg, du kannst auch nicht aus jedem Ackergaul ein Rennpferd machen. Jeder Mensch hat ein sehr unterschiedliches Begabungsspektrum und eine unterschiedliche Leistungsfähigkeit. Wenn du keine Bildungsabschlüsse hast, dann hast du andere Selektionssysteme, die sozial noch sehr viel ungerechter sind. Bildungsabschlüsse bieten eine vergleichbare Bewertungsgrundlage.
shionoro schrieb:Wie schützt allgemeinbildung for Phishing? Warum z.B. trifft Phishing und sowas meistens alte bzw. nicht computeraffine menschen? Sind die weniger gebildet? Ne, die kennens ich weniger mit diesem speziellen ding und computern aus. Das ist aber keine Allgemeinbildung, sondern neues spezialwissen. Und um den Handyvertrag zu lesen brauch ich keine binomische formel und auch keine gedichtsanalyse.
Phishing trifft v.a. ältere Menschen, weil die einfach nicht so mit der Materie groß wurden und keine Medienbildung erhalten haben. Du musst schon sinnerfassend Lesen können, um den Handyvertrag zu verstehen.
shionoro schrieb:Du behauptes da einfach sachen, für die man gar keine allgemeinbildung braucht. Auch meine Kultur kenn ich durchaus auch ohne irgendwelche kleinen teilausschnitte aus der deutschen kultur mal gesehen zu haben.
Unsere "Kiezkinder" kannst du beeindrucken, wenn du mit ihnen in den Zoo fährst. Sie kennen Tiere aus dem Fernsehen. Du kannst ihnen im Museum auch Picasso erschließen. Du kannst sie auch teilweise für ein Theater begeistern. Das sind alles Dinge, die die Schule mal verbindlich leisten muss, damit sie zumindest einmal im Leben die Erfahrung machen - sie werden unterschiedlich damit umgehen - Adelheid wird nach dem Zoobesuch vielleicht Veganerin, weil sie es schlimm fand, wie die Tiere eingesperrt sind, Berta wird in Bio besser aufpassen, weil sie es spannend fand, Caecilie wird ein Praktikum in der Zoohandlung machen, weil sie die Tiere cool fand, Dorotee wird sich nicht mehr an die Tiere erinnern, sondern daran, wie sie heimlich mit Dennis das erste Mal hinter dem Affenhaus geknutscht hat .... du stößt in manchen Kindern was an. In anderen nicht. Du stößt auch unterschiedliche Sachen an. Aber du kannst das nicht planen.
shionoro schrieb:Wie gesgat, lesen, schreiben, rechnen, englisch, damit kann man sich in dieser gesellschaft ohne weiteres bewegen, solange man einigermaßen geld hat, ohne dass man auf irgendwas großartig verzichten müsste. Das einzige was dich dann von höherer bildung abhält sind abschlüsse, die aber eben pro forma ex
Da würde ich dir wiedersprechen. Da ich gerade eine Tochter in dem Alter habe: es beginnt schon mit den typischen Schülernebenjobs - je ärmer die Schüler, desto wahrscheinlicher, dass sie in irgendeiner Burgerkette landen und dort zum Mindestlohn arbeiten. Das hat schon was mit Bildung zu tun. Die Gymnasiasten hier geben eher Nachilfe, arbeiten auf Messen, etc. Da fängt die Sache schon an, sich auseinanderzudividieren ...
shionoro schrieb:Und das wäre ihr leichter gefallen, wenn sie so viele kurse belegen kann wie sie mag und sie gar keiner dazu zwingt, genau zwei LKs zu nehmen.
Nö. Das Abi hier ist sieht sechs Kurse vor, die du wählen kannst - drei Leistungs- und drei Basiskurse und es sind bestimmte Kombinationen vorgeschrieben (also mindestens eine Sprache, eine Naturwissenschaft, eine Geisteswissenschaft) ... Soviel Kurse belegen, wie sie mag wäre ein Gießkannenprinzip, eine gewisse Einschränkung ist gut - gut ist auch, dass Mathe, Englisch und Deutsch dabei sein muss, da der Berufswunsch einfach noch nicht gefestigt ist. Ich selbst finde es perfekt, da es eine Mischung aus Allgemeinbildung und freier Wahl des Schwerpunktes ist, ohne in einer Sackgasse zu landen.
shionoro schrieb: Der Punkt ist, dass du einzelne solche Sachen vielleicht mitbekommst, aber das ist nicht das genormte Schulwissen.
Als Lehrer bringst du immer deine eigene Biografie und deine eigenen Interessen mit ein. Wir hatten einen Lehrer, der brannte für Gemüseanbau und ökologische Landwirtschaft. Wir haben im Schulhof eine tote Ecke , die hat er über ein jahrzehntlang mit interssierten Schülern bewirtschaftet - ich möchte gar nicht wissen, wie viele er "angefixt" hat - das konnte aber nur er, weil er dafür brannte. Profitiert haben die 10 Schüler (von 1000, also 1%), deren Interessenlage so war.
Das gibt es ganz oft - unser Musiklehrer gibt in einer Mittagspause kostenlosen Gitarrenunterricht - das sind Sachen, die in der Schule oder woanders passieren oder nicht ... das kannst du nicht in den Lehrplan festschreiben- 99% der Schüler wären entsetzt geflohen, wenn sie hätten ein Feld auf einer Wiese anlegen sollen und bewirtschaften ...
So -sehr lang geworden, sorry.