monstra schrieb:Und die sind eigentlich immer problematisch, sobald die Strafandrohung keine Differenzierung mehr zulässt, ob eine Tötung mit voller Absicht geschah oder der Täter etwas "billigend in Kauf genommen" hat. Und das ist bei Mord der Fall.
Genau. Da ist es besonders problematisch.
monstra schrieb:Diese Definition des bedingten Vorsatzes ist ja eigentlich ein Oxymoron, denn wer "billigt" schon, was er "in Kauf nehmen muss"?
Da bin ich nicht ganz bei Dir. Ich kann etwas in Kauf nehmen (also akzeptieren) und es innerlich ablehnen. Aber ich kann es auch als "akzeptabel" billigen.
Im Grunde ist das noch mal eine Einschränkung der Ausweitung des dolus eventualis, damit er wenigstens ein bisschen sprachlich von einer bewussten Fahrlässigkeit abzugrenzen ist.
Ich habe schon immer den dolus eventualis als Vorsatzform abgelehnt. Er ist letztlich ein Hilfskonstrukt, um unbefriedigende Ergebnisse bei bestimmten Fallkonstellationen zu vermeiden.
In meinen Augen wäre hier der Gesetzgeber gefragt gewesen, um für solche Fälle Tatbestände oder Qualifikationen zu schaffen. Statt im Wege einer richterlichen Fortbildung so ein Konstrukt zu entwickeln.
monstra schrieb:Aber wenn der Grat zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit immer schmaler wird, rassiermesserscharf sogar, so wie bei den tödlichen Raserfällen, dann fragt man sich schon: Kann eine kleine - meist im Kopf des Täters ablaufende Wissens- und Willensregung, die aufgrund objektiver Umstände von einem Gericht rekonstruiert oder einfach unterstellt wird - realiter 10 Jahre Haft mehr oder weniger rechtfertigen? Dabei ist immer zu berücksichtigen, dass die Gefährdungsdelikte ("mit Todesfolge") mittlerweile hohe Haftstrafen erlauben und es nicht so ist, dass die Täter mit einer Geldstrafe davon kämen.
Da bin ich voll bei Dir.
Es handelt sich hier um eine Art Scheingerechtigkeit, weil die Ergebnisse meist passen (der Täter bekommt, was er verdient). Aber das widerspricht ziemlich gravierend rechtsstaatlichen Grundsätzen. In einem Rechtssystem, das weniger human ist, als unseres, wäre das sogar fatal. Im Grunde steht damit einer Willkürjustiz Tür und Tor offen. Weil es schlicht die Gewaltenteilung untergräbt.
monstra schrieb:Der Vorschlag aus der Ecke der Rechtswissenschaft: Abschaffung des bedingten Vorsatzes. Oder zumindest eine fakultatives Abweichen von der lebenslangen Freiheitsstrafe. Fände ich vernünftig.
Beides sehr vernünftig.
Vorsatz ist "wissen und wollen". Dabei sollte es bleiben.
Und die Systematik von 211 StGB ist sowieso unsinnig. Mord als eigener Tatbestand mit einem eigenständigem Unrechtsgehalt und losgelöst von anderen vorsätzlichen Tötungsdelikten.
Systematisch richtig wäre schlicht und ergreifend eine Lösung über Qualifikationen. So wie sonst auch.
Totschlag als Grundtatbestand (vorsätzliche Tötung eines anderen Menschen) und der Rest sind Qualifikationen. Man müsste noch nicht mal was an den Mordmerkmalen ändern. Da wären Totschlag, Mord und Tötung auf Verlangen systematisch prima verortet und die ganzen Kunststücke, die im Fall besonderer Umstände gemacht werden müssen, um eine angemessene Bestrafung zu erreichen, wären obsolet.
Ich drücke die Daumen, vielleicht erlebe ich das noch.
Und der nächste Schritt wäre eine Überarbeitung der fahrlässigen Tötung. Der Strafrahmen ist im Laufe der Zeit zu gering geworden. Was einfach daran liegt, dass menschliches Leben in der allgemeinen Wahrnehmung wertvoller geworden ist. Dem muss auch die Gesetzgebung Rechnung tragen und so was nicht den Gerichten überlassen und diese faktisch zu solchen Anpassungen zwingen.