Mal ein Bericht zu den Vorgängen :
An Silvester stand Hein in seiner Heimatstadt Köln als unabhängiger Beobachter mit Journalisten am Bahnhof. Er war live dabei, als es dort zu den Tumulten und Kontrollen kam. Die Welt: Herr Hein, was haben Sie am Hauptbahnhof in der Silvesternacht erlebt?
Nick Hein: Ich stand gegen 23 Uhr mit einigen Journalisten auf dem Bahnhofsvorplatz, als auf einmal viele Polizisten in Position gegangen sind. Mit einem Schlag ging die Türe auf, und es kamen Hunderte junge Männer heraus, alle dem Typus Araber und Nordafrikaner sehr ähnlich. Sie wurden dann angehalten und befragt. Wenn sie sich ausweisen konnten und nicht aggressiv waren, durften sie gehen. Und diejenigen, die bereits Einträge hatten oder zu betrunken waren, hat man dann gebeten, wieder die Heimreise anzutreten.
Die Welt: War es eine bedrohliche Situation?
Hein: Die Stimmung war schon gereizt, aber es gab keine Ausschreitungen. Wir haben da alle gestanden, Journalisten und Beobachter, und dachten uns nur: ,Das kann doch nicht sein, dass da jetzt schon wieder so eine große Gruppe junger Männer anreist!‘ Das wirkte schon sehr organisiert. Es gab diesen kurzen Moment, in dem man Angst hatte, dass sich die Geschehnisse von vor einem Jahr wiederholen.
Die Welt: Wie bewerten Sie die Arbeit der Polizei?
Hein: Man kann der Polizei nichts vorwerfen. Das war eine reibungslose Aktion, wir hatten ein friedliches Silvester. Wir dürfen nicht pauschalisieren und vorverurteilen, aber wir müssen kontrollieren. Das hat geklappt. Auch deshalb bekomme ich eine Krawatte, wenn ich dann Vorwürfe aus Parteien wie den Grünen höre.
Die Welt: Simone Peter hat die Arbeit der Polizei kritisiert. Völlig inakzeptabel sei der Gebrauch von herabwürdigenden Gruppenbezeichnungen wie „Nafri“ für Nordafrikaner durch staatliche Organe wie die Polizei, sagte sie. Wie sind die Aussagen bei Ihnen angekommen?
Hein: Da muss ich erst einmal tief Luft holen. Wenn man keinen blassen Schimmer von der Praxis hat, sollte man einfach mal die Gosch’ halten. Ich mische mich doch auch nicht in die Haushaltspolitik ein. Liebe Grüne, kümmert euch bitte um das, von dem ihr Ahnung habt!
ie Welt: Sie können die Kritik am Gebrauch des Wortes „Nafri“, das die Polizei auf Twitter verwendete, nicht nachvollziehen. Warum?
Hein: Der Begriff Nafri kommt aus dem Funkgebrauch und ist eine Abkürzung für Nordafrikaner. Genauso ist Ami die Abkürzung für Amerikaner, und wenn ich als Polizist über Funk mit der Leitstelle kommuniziere, dann versuche ich möglichst viele Informationen möglichst schnell zu übermitteln. Ein Platzverweis ist ein PV. Wenn ich eine hilflose, völlig betrunkene Person antreffe, spreche ich von einer Hilo. Das sind alles wertfreie Abkürzungen – auch Nafri.
Die Welt: Was lösen Debatten über Wörter wie „Nafri“ bei deutschen Polizisten aus?
Hein: Wir leben in einer Gesellschaft, in der wir uns gegenseitig sehr kritisch beäugen. Das ist okay, man darf auch der Polizei nicht alles durchgehen lassen. Aber man muss verstehen, dass Polizisten im Smartphone-Zeitalter enorm unter Druck stehen. Ich habe selbst erlebt, wie bei schwierigen Festnahmen von Außenstehenden das Handy gezückt und dann auf den sozialen Netzwerken davon Bilder veröffentlicht wurden, die uns Polizisten schlecht aussehen lassen. Bei vielen Polizisten hat sich eine Unsicherheit entwickelt, weil sie kaum noch Dienst nach Vorschrift machen können.
Die Welt: Wie meinen Sie das?
Hein: Viele rechtlich absolut korrekte Amtshandlungen werden von der Gesellschaft schräg bewertet. Das führt dazu, dass mir Polizisten schreiben, dass sie sich nicht mehr trauen, ihre Arbeit frei auszuführen, da man ihnen sofort mit einem Disziplinarverfahren droht. Viele Kollegen mussten sich vor Gericht mehrmals für ihre Arbeit rechtfertigen, das macht schon nachdenklich. Trotzdem gibt es eine Mehrheit von Polizisten, die sich von öffentlichen Meinungen nicht einschränken lässt und weitermacht.
Die Welt: Sie haben die Kontrollen der Nordafrikaner an Silvester mit den Kontrollen von Fußballfans bei einem Derby verglichen. Welche Parallelen sehen Sie?
Hein: Nicht jeder Fußballfan wird kontrolliert, sondern es braucht immer einen Anlass. Wenn man ein Derby wie Gladbach gegen Köln hat, wo sich die Ultras gegenseitig die Fahnen klauen und es zu Konfrontationen kommt, dann muss man mit Kontrollen rechnen, wenn man mit Hunderten Fans im Zug anreist. Das ist Präventionsarbeit, um die Menschen auszusortieren, die nur auf Krawall aus sind. Beim Derby ist der Anlass das Fußballspiel, an Silvester waren es die Erinnerungen an die Silvesternacht vor 365 Tagen.
Die Welt: Glauben Sie, dass sich an der Arbeit der Polizei nach der ganzen Debatte etwas ändert?
Hein: Ich bin überzeugt, dass man durch den Druck der Öffentlichkeit Abkürzungen wie „Nafri“ nicht mehr ohne Erklärung auf den sozialen Netzwerken veröffentlichen wird. Aber man kann jetzt auch nicht das Alphabet und seine jahrelange Arbeit ändern, nur weil es manchen nicht passt.
https://www.welt.de/sport/boxen/article160830214/Polizisten-trauen-sich-nicht-mehr-frei-zu-arbeiten.html