Kurz vorweg: Meine Intension ist es hier in diesem Thread Diskussionen zu führen, die sich nicht nur mehr darauf begrenzen, Diskussionen zu führen, in welchen man sich an polarisierten Themen aufhängt, um in Gruppen aufgeteilt, sich gegenseitig zu beweisen, sondern sich inhaltlicher und individueller Themen anzunähern, damit bestenfalls ein gewisser Mehrwert für alle rumkommt.
Im März 2017 planten die Topics-Macher ein Event über den Verschwörungstheoretiker Julius Evola. Sie interessierten sich, so schrieben sie, für Evolas Denken, weil Steve Bannon, damals noch Donald Trumps Chefstratege, Evola einmal als Inspiration benannt hatte. Die Buchhändler überrollte ein Shitstorm.
Quelle:
https://www.berliner-zeitung.de/wochenende/nazi-hintergrund-ns-erbe-und-materielle-kontinuitaet-das-schweigen-brechen-li.150838?utm_source=pocket-newtab-global-de-DEDie Thematik rund um diverse Buchläden lädt förmlich dazu ein, da mMn die sonstigen üblichen Verfahrensweisen nicht recht greifen.
Der Artikel in der BZ ist mit Vorsicht zu genießen, da er einige Sachen, u.a. die Vorgeschichte zum "Topics" nur sehr verkürzt darstellt.
Am Ende wird nach dem Ruf nach Gleichbehandlung dann sinnbildlich von den Autoren (!) festgestellt:
Auf Facebook wurden sie als Nazis beschimpft. Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Hamburger und Naaman, beide Enkelkinder von Holocaust-Überlebenden, wurden von deutschen Linken angegangen, weil sie angeblich Antisemitismus eine Bühne boten.
oder
Eigentlich unerträglich ist der Unterton solcher Argumente: die Selbstherrlichkeit, mit der manche Deutsche sich herausnehmen, selbst Stimmen Holocaust-Überlebender als illegitim abzustempeln, wenn sie nicht in ihr kleinkariertes Weltbild hineinpassen.
Nach meinem Wissen, haben die Betreiber des "Topics" keinen Antisemitismus moniert, wiesen aber darauf hin, dass angesichts der Mobilisierung gegen ihren Buchladen, der Umsatz bis zur letztendlichen Aufgabe immer schlechter wurde.
Hier muss man sich mMn schon fragen, ob die berechtigte Kritik an dem Evola-Event sensibler ausgerichtet, nicht in so ein Fahrwasser gekommen wäre, da sich letztlich an der Schließung auch Antisemiten erfreut haben dürften. Auf der anderen Seite wie gesagt, muss die Frage geklärt werden, was Gleichbehandlung in der Konsequenz bedeutet, bzw. ob diese auch irgendwie dazugehört.
Selbst stelle ich fest, dass es gerade zum Thema Nationalsozialismus in Deutschland in den "letzten Jahren" ziemlich still geworden ist.
Moshtari Hilal und Sinthujan Varatharajah stellen Fragen, die für mich nicht reflexhaft mit dem gewohnten Verweis beantwortet werden können, dass man nichts mit der Vergangenheit zu tun habe, kein Antisemit sei, angenommene Erbschuld Käse ist usw.
Sie thematisieren im Sinne einer vorwärtsgerichteten Geschichtsforschung die kollektive Verantwortung Gesamtdeutschlands, sie thematisieren die in Deutschland nahezu tabuisierte Zwangsarbeit und deren Profiteure und sie kritisieren eine linke (im weiteren Sinn) Wohlfühlzone, in welcher man den Zeigefinger schnell mal erhebt, selten allerdings gegen sich selbst.
So wie ich es bisher verstanden habe, geht es den beiden strenggenommen nicht um Skandalisierung von Einzelbiographien, als vielmehr um Transparenz bezüglich einer Kultur der Verschwiegenheit.
MokaEfti schrieb:Die BIPoC-Intellektuellen nahmen dabei unter anderem die belastete Familiengeschichte der She-Said-Besitzerin Emilia von Senger in den Blick. Die deutsche Mehrheitsgesellschaft, forderten sie, müsse anfangen, ihren „Nazihintergrund“ zu verhandeln (ähnlich, wie nichtweißen Deutschen geläufig ein „Migrationshintergrund“ zugeschrieben wird) sowie die materielle Kontinuität, das NS-Erbe.
Ich bin nicht wirklich gut informiert, was Moshtari Hilals und Sinthujan Varatharajahs aktuellster Stand ist und ob sie wirklich glücklich über diese für mich plakative Gegenüberstellung sind. Gerade da der Vergleich zum "Migrationshintergrund" von den Autoren geklammert und angefügt wurde. Trotzdem hört sich das auf den ersten Blick für mich so an, als würden die Besitzer die Zwangsarbeit mit von Nazis erwirtschafteten Geld in ihrer Buchhandlung irgendwie still und heimlich fortführen.
Da erscheint es auch fast folgerichtig, dass angeblich nur nichtweißen Deutschen ein "Migrationshintergrund" nachgesagt wird.
So wie das in der BZ kolportiert wird, klingt das nach einer trotzigen Gegenreaktion. Da also sich diverse Deutsche bezüglich ihrer "ursprünglichen" Herkunft rechtfertigen müssen, muss das im Umkehrschluss auch für jene Deutschen gelten, deren (familiäre) Verstrickungen nachwiesen sind. Wie mit den anderen zahlreich "verstrickten", nickenden Deutschen zu verfahren ist, welche nicht gelistet wurden, bleibt offen.
So bleibt für mich der zunächst konstruktive Ruf nach mehr Transparenz in deutschen Familiengeschichten hinter einer denunziatorischen Markierung unschuldiger Nachkommen zurück. So nehme ich das zur Zeit wahr. Kann sich ändern...