Okay
@shionoro du schlitterst da ganz schön auf argumentativem Glatteis rum.
Ich mache das mal deutlich:
Ein Professor oder auch eine Universität fordert ihre Studenten auf, ihre Arbeiten in geschlechtergerechter Sprache abzugeben. Das bedeutet, das sie folgendes fordern:
einen Sprachgebrauch, der in Bezug auf Personenbezeichnungen die Gleichbehandlung von Frauen und Männern und darüber hinaus aller Geschlechter zum Ziel hat und die Gleichstellung der Geschlechter in gesprochener und geschriebener Sprache zum Ausdruck bringen will
Quelle:
Wikipedia: Geschlechtergerechte SpracheOkay soweit so gut.
Du behauptest, dies sei unmoralisch, teilweise deutest du sogar an es könnte justiziabel sein (was ja zwei paar Schuhe sind). Deine Argumentation für das unmoralische geht wie folgt:
1. Es gäbe eine "Genderideologie"
2. Die Forderung einer geschlechtergerechten Sprache sei "genderideologisch" und zwinge damit diese Ideologie den Studenten auf.
3. Ein solches Verhalten wäre geistig übergriffig und damit zu verurteilen.
Okay, schauen wir uns das mal an. Erstmal zur "Genderideologie" - gibt es das? Was ist damit gemeint? Der Begriff stammt wohl aus dem katholischen Umfeld, vermutlich vom päpstlichen Rat für die Familie aus dem Jahr 2000 (
https://www.diskursatlas.de/index.php?title=Gender-Ideologie), danach wurde dieser Begriff von den Rechtspopulisten in der AfD aufgegriffen und weiter verwendet. Darunter wurde alles mögliche subsummiert, von politischer Gleichstellung der Geschlechter bis zum Gendersternchen, dies alles soll irgendwie auf ominösem Wege ein Angriff auf die Familie sein.
Und ausgerechnet DU bringst diesen Vorwurf ins Spiel? Hut ab.
Du selbst definierst diese Ideologie ziemlich krude mit:
shionoro schrieb:Die zu Grunde liegende ideologie ist, dass es angeblich objektiv diskriminierende Sprechweisen gibt und man diese ausmerzen muss, nötigenfalls mit druck.
Okay. Nehmen wir mal Spaßeshalber an, es gäbe so eine Ideologie. Wer sind die Vertreter dafür und woher nimmst du das? Bist du da nicht auf Vatikan&AfD Sprech reingefallen lieber Shionoro? Ansonsten gilt: Quellen!
Aber selbst wenn du das belegen kannst, kommen wir zu Punkt 2.
Mag sein, dass es eine solche Ideologie irgendwie in den weiten dieser Welt gibt. Aber - das heißt nicht das die Einführung einer geschlechtergerechten Sprache oder die explizite Forderung dieser in einer wissenschaftlichen Arbeit auf dieser Ideologie basiere. Du müsstest also nicht nur nachweisen das es diese Ideologie gibt. Du müsstest weiter nachweisen, dass grundsätzlich jeder der das fordert dieser Ideologie unterliegen müsste. Zumindest müsstest du das für dein Fallbeispiel an der Uni nachweisen, aber im Grunde sogar völlig allgemein, schließlich verurteilst du das auch grundsätzlich.
Du sagst ja, dass es sich in keinem Fall um eine einfache Formalie handelt und es keinen intrinsischen Grund dafür geben könne. Und das entgegen der völlig üblichen Gepflogenheit wissenschaftliche Texte sowieso zu gendern, das ist der wirklich witzige Punkt. Finde mal heute eine Publikation in der das nicht gemacht wird! Hat Seltenheitswert. Selbst wenn das nicht explizit gefordert wird ist es einfach Usus.
Warum ist das so? Zum einen schlichter Zeitgeist. Das ist einfach die Art und Weise wie eben an Universitäten und im wissenschaftlichen Betrieb gesprochen wird (Attitüde). Es hat aber tatsächlich auch einen wissenschaftlichen Sinn:
In Geschichts- und Sozialwissenschaften wird Gendering oder Gendern verwendet, um auszudrücken, dass ein Thema unter einer geschlechterspezifischen Fragestellung und Perspektive untersucht und dargestellt wird. Dabei wird davon ausgegangen, dass das Geschlecht in nahezu allen Lebensbereichen eine Rolle spiele und Herrschaftsverhältnisse geschlechtlich markiert seien; Geschlecht präge Denken, Vorstellungen, die soziale und politische Welt, und diese konstituierten das „soziale Geschlecht“ (Gender).
Quelle:
Wikipedia: GendernWenn man davon ausgeht, dass dies ein gültiges Paradigma in diesen Wissenschaften darstellt (und eigentlich noch darüber hinaus), dann ist es absolut wesentlich immer klarzustellen welchen Geschlechter gemeint sind, wenn man einen wissenschaftlichen Text verfasst. Das generische Maskulinum reicht dafür i.d.R. nicht aus, da nicht zwischen einer rein männlichen und gemischten Gruppe unterschieden werden kann. Allein aus dem wissenschaftlichen Anspruch der sprachlichen Klarheit kann man - wenn man will - eine geschlechtergerechte (hier eigentlich geschlechtsspezifische) Sprache begründen.
Aber nehmen wir mal an
es gäbe eine Genderideologie und jeder der diesen Sprachgebrauch fordere, tue das aus dieser Ideologie heraus. Dann kommen wir zu 3. - wäre das überhaupt zu verurteilen?
Denn im Grunde würde nur explizit gemacht werden, was sowieso gilt. Wenn alle Professoren und Universitäten von "der Genderideologie" gekapert sind, was meinst du denn welchen Effekt es hat wenn du das generische Maskulinum verwendest? Glaubst du ernsthaft das würde deiner Note gut tun?
Das ist aberwitzig das du kritisierst das diese Forderung explizit gemacht wurde. Es gibt da Myriaden von Gepflogenheiten und Anforderungen die völlig implizit sind, nirgends stehen aber eben immensen Einfluss auf deine Note haben. Schreib mal in einer Arbeit über Roma und Sinti von Zigeunern, über Homosexuelle von Schwuchteln oder über Afrikaner von Negern. Und frag dich wie wohl die Reaktion aussehen wird. Übrigens zu Recht.
Denn am Ende rechtfertigst du gerade mit deiner Tirade einen misogynen, rassistischen oder xenophoben Sprachgebrauch, weil Universitäten ja "ideologiefrei" sein sollen. Tja, das heißt aber im Umkehrschluss nicht, dass sie jeden Mist akzeptieren müssen. Und wenn sie das generische Maskulinum als misogyn auffassen, als Ausdruck einer frauenfeindlichen Haltung (gar Ideologie), dann haben sie jedes Recht dazu genau das abzulehnen. Denn - tada - Universitäten können dir keine Ideologie aufzwingen, sind aber selbst auch nicht gezwungen jede Ideologie, Haltung, Meinung usw. zu tolerieren oder zu akzeptieren.