Also dieses ganze "hätte, wäre, wenn" und "bestimmt war das so" geht vollkommen daran vorbei, was damals Realität war.
Ebenfalls fide ich es höchst bedenklich, dass hier einfach komplett ausgeblendet wird, dass eine gewisse Zeit nötig war, um überhaupt diese ganzen Mechanismen zu installieren, hier wird so getan, als hätte irgendwer die Nazis an die Macht gezaubert und dann konnte sich der arme Bürger nichtmehr wehren.
Die Mehrheit des Volkes konnten die Nationalsozialisten rasch für ihre Ziele begeistern. Die Erfolge in der Außenpolitik, die Scheinerfolge in der Wirtschafts- und Sozialpolitik und der innere Frieden, der bis über den Beginn des Zweiten Weltkrieges hinaus im Deutschen Reich zu herrschen schien, bestätigten die Nationalsozialisten und festigten ihre Herrschaft. Daß die Gegner des Regimes in Konzentrationslagern und Gefängnissen verschwanden oder emigrieren mußten, berührte viele Menschen, die der NS-Herrschaft insgesamt oder teilweise zustimmten, wenig.
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Angesichts des Denunziantentums und der Möglichkeiten zum Terror, die der Staat schließlich in Händen hatte, konnte man dem einzelnen auch kaum einen Vorwurf machen. Viele gaben sich außerdem der trügerischen Hoffnung hin, die NS-Herrschaft könne nicht lange dauern - wegen des Dilettantismus ihrer Funktionäre, wegen der überspannten außen- und militärpolitischen Ziele, wegen des Auslands, das die Provokationen und die Exzesse der Nationalsozialisten nicht endlos hinnehmen werde. Als diese Illusion sich als trügerisch erwies, hatten die Nationalsozialisten längst alle öffentlichen Einrichtungen nach ihrem Willen umgebaut oder beseitigt, den Rechtsstaat zerstört, einen Herrschaftsapparat aufgebaut, der als Staat im Staate funktionierte, mit eigenen Ausführungsorganen wie der Schutzstaffel (SS), der Geheimen Staatspolizei (Gestapo), dem System der Konzentrationslager, womit sie ihre Gegner einschüchtern, einsperren und vernichten konnten.
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Sich rechtfertigend und den pauschalen Vorwurf abwehrend, zogen sich Deutsche in großer Zahl auf die Entschuldigung zurück, man habe nichts gewußt und auch nichts machen können. Konzentrationslager oder Verurteilung durch Sondergerichte oder Schlimmeres habe jedem gedroht, der sich nicht angepaßt habe. Deutschland und die Deutschen seien die ersten Opfer von Hitler und seinem Unrechtsregime gewesen, lautete die Rechtfertigung. Tatsächlich brauchte es aber Zeit, das Terrorsystem aufzubauen und den Rechtsstaat zu beseitigen. Diese Zeit hatten die Nationalsozialisten zur Verfügung, weil sie lange auf die wachsende Begeisterung einer Mehrheit deutscher Bürger bauen konnten.
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Der Historiker Hans Mommsen kommt zu dem Schluß: "Die große Masse der Staatsbürger war bereit, dem Kabinett Hitler einen Vertrauensvorschuß einzuräumen, was sich bald als verhängnisvoll erwies. Die Vorstellung, das System von innen reformieren zu können, hielt sich auch bei den oppositionellen Gruppen ungewöhnlich lang. Der bürgerliche Widerstand stand zum Dritten Reich in einem Verhältnis gebrochener Loyalität, er lehnte dessen innenpolitische Methoden ab, stimmte aber in manchen außen- und militärpolitischen Zielsetzungen überein." Weil ihnen die Werte "Freiheit" und "Demokratie" weniger galten als die Hoffnung auf eine Großmachtstellung Deutschlands, nahmen die Deutschen das NS-Regime hin, auch wo sie es mißbilligten: "Nicht überlegene Manipulation und Herrschaftstechnik, sondern mangelnde Widerstandskraft der deutschen Gesellschaft gegen die Zerstörung der Politik ist die entscheidende Ursache der deutschen Katastrophe." (Hans Mommsen)
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Neuere Ergebnisse eines Forschungsprojekts haben noch bittere Wahrheiten über das "Dritte Reich" zutage gefördert. Die Gestapo war gar nicht das allmächtige und allgegenwärtige Instrument des Terrors, das jederzeit und überall Regungen des Widerstandes erstickte und Oppositionelle vernichtete. Die Historiker Klaus-Michael Mallmann und Gerhard Paul ziehen nach gründlichen Studien über Herrschaft und Alltag im Saarland das Fazit: "Ohne das Heer der freiwilligen Zuträger aus der Bevölkerung und Verwaltung wäre die Gestapo nahezu blind gewesen. Und ohne die Amtshilfe durch Kriminalpolizei, Schutzpolizei und Gendarmerie hätte sie die ihr aufgetragenen Funktionen nicht erfüllen können [...] Die Gestapo bildete zwar die letzte Instanz, war aber in den wenigsten Fällen die treibende Kraft. Sie verhörte, selektierte, entschied, deportierte, verwarnte; zu selbständigen Recherchen aber war sie kaum in der Lage. Die breite Kollaboration mit dem Regime, die gesellschaftliche Akzeptanz des Terrors hoben diese Defizite auf und verschafften der Gestapo viele Ohren, gerade auch im Umfeld der Regimegegner.
https://www.bpb.de/izpb/10371/zustimmung-und-widerstand-im-nationalsozialismus (Archiv-Version vom 04.04.2016)Die Psychologin Eva Sternheim-Peters beschreibt in ihren Erinnerungen die Zeit des Nationalsozialismus, dass die ideologische Ungleichwertigkeit von Frauen und Männern nicht sofort erkennbar gewesen sei, sondern viele Frauen damals auch begeistert mitgelaufen seien. Sie spricht von „tief empfundenen Gemeinschaftserlebnissen“, einem „neuen Frauenideal“ und der „Vision einer strahlend aufgehenden Sonne“, die den Nationalsozialismus so gefährlich gemacht hätten und er für junge Frauen auch attraktiv gewesen sei[19].
Annette Kuhn schreibt in ihrem Aufsatz „Die Täterschaft deutscher Frauen im NS-System“, dass das NS-System es mit der Mehrzahl der deutschen Frauen der „alten“ Frauenbewegung nicht schwer gehabt habe. Die Kooperationsbereitschaft mit dem NS-Staat von Führerinnen der bürgerlichen Frauenbewegung habe den Übergang in die ideologische Eingliederung in den NS-Staat nahtlos gemacht. Der Normen- und Kontinuitätenbruch von 1933 sei durch das Verhalten der Verantwortlichen der alten Frauenorganisationen wissentlich durch ihre Reden und Schriften zugedeckt worden.
Wikipedia: Frauen in der Zeit des NationalsozialismusAb Mitte der Zwanzigerjahre veröffentlichte sie zahlreiche Flugschriften und Zeitschriftenbeiträge, in denen sie ihr Ziel, die gesellschaftliche Emanzipation der „arischen“ Frau, propagierte. 1929/30 war sie kurzzeitig Mitglied der Deutschvölkischen Freiheitsbewegung. Von 1933 bis 1937 war sie Herausgeberin der in Berlin erscheinenden Zeitschrift Die deutsche Kämpferin. Diese Publikation wurde 1937 von den nationalsozialistischen Behörden verboten, die in Rogge-Börners völkischem Feminismus Tendenzen hin zu einer Art unerwünschter Opposition zur herrschenden nationalsozialistischen Ideologie sahen. In den folgenden Jahren bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges verlegte Rogge-Börner den Schwerpunkt ihrer Arbeit auf die Veröffentlichung literarischer Werke, die stark von der nordischen Mythologie geprägt waren. Die Autorin lebte zuletzt in Düsseldorf.
Wikipedia: Sophie Rogge-Börner