Realo schrieb:(A) Darf man als Deutscher die Verbrechen des Holocaust mit den Verbrechen anderer Nationen und/oder Regierungen vergleichen?
Vergleichen auf jeden Fall, gleichsetzten nein. Was die bloßen Opferzahlen angeht, gibt es leider zahlreiche Beispiele, die dem Holocaust sowohl in relativen als auch absoluten Zahlen entweder gleichwertig sind oder ihn sogar noch übertreffen.
Einzigartig bleibt der Holocaust aber in seinem Ausmaß der industriellen Massentötung. Da sind China und Russland keine geeigneten Vergleiche, da dort der billigend in Kauf genommene Hunger-, Unfall- und Erfrierungstod billiger Arbeitskräfte die gezielten Tötungen bei weitem übertraf.
Realo schrieb:(B) Muss man als junger Deutscher für die Verbrechen unserer Vorväter quasi in "Geiselhaft" genommen werden und sich schuldig führen für Verbrechen, die man gar nicht begangen hat, weil man zu der Zeit noch gar nicht lebte? Hat man als Deutscher überhaupt die Möglichkeit, aus diesen circulus vitiosus auszubrechen und normal wie jeder andere Weltbürger zu leben ohne permanent an unsere dunkle Vergangenheit erinnert zu werden. Einmal muss doch auch Schluss sein damit, oder?
Ganz ehrlich? Immer wenn ich Behauptungen höre, frage ich mich, ob ich im gleichen Deutschland lebe, wie derjenige, der die Behauptung aufstellt. Von WEM werden wir denn in "Geiselhaft" genommen? WER sind eigentlich diese ominösen Leute, die andauernd jungen Deutschen eine Schuld am Holocaust einreden wollen? Ich habe so etwas ehrlich gesagt noch nie erlebt. Auch in meiner Schulzeit hat die NS-Zeit eine sehr prominente Rolle eingenommen. Das fing schon in der Grundschule an und wurde dann in der 10. Klasse nochmal ausgiebig behandelt, einschließlich Exkursion nach Buchenwald. Aber der Unterricht stand immer im Zeichen von Aufklärung und Erinnerung, aber nie gab es uns Schülern gegenüber irgendwelche Schuldzuweisungen oder moralisch erhobene Zeigefinger.
Auch im Alltag habe ich solche Schuldzuweisungen nie erlebt, weder in Deutschland noch im Ausland. Im Gegenteil, in Ägypten habe ich sogar einen befremdlich positiven Umgang mit der NS-Zeit erlebt, weil die Deutschen ja damals gegen die bösen Englischen Besatzer gekämpft haben und so.
Ich war noch nie in Israel. Vielleicht wird man da von einigen älteren Leuten verächtlich angeschaut, wenn man sich offen als Deutscher zu erkennen gibt. Aber sonst? Wo sind denn all die Schuldzuweiser?
Ich halte diese Behauptungen von ständigen Stuldzuweisungen ehrlich gesagt für einen Komplex und eine billige Ausrede von Leuten, denen es nur scheinbar darum geht, stolz auf Deutschland sein zu können. In Wirklichkeit möchten sie nämlich bloß stolz auf die NS-Zeit sein.
Und unter diesem Blickwinkel stellt sich dann natürlich die Frage, wie das mit dem "Schlussstrich" denn genau gemeint ist. Da dürfte es wohl kaum um eine von der Moralkeule befreite, sachliche Auseinandersetzung mit der Vergangenheit gehen, sondern eher um das Todschweigen unangenehmer Tatsachen und das romantische Verklären von Verbrechern.