Karakachanka schrieb:Ich frage mich da, inwieweit das überhaupt stattfinden kann. Also so, dass die Ukraine durchgehend so beliefert wird, dass sie die Russen wieder zurück drängen können.
"Zurückdrängen" wie in der ersten Offensive, das sehe ich erst mal nicht mehr bzw. nicht in der schnellen Form wie damals. Meines Erachtens müsste man die besser Waffentechnik bzw. überlegene Feuerkraft haben mit der man besser auf kritische Kommando- und Logistikstrukturen einwirken könnte, um die Russen quasi mindestens strategisch zu stoppen, idealerweise aber langsam zurückzudrängen weil Logistik usw. halt einbricht. Das geht IMO nur mit überlegenen Waffensystemen die auch die entsprechende Reichweite haben und diese Ziele treffen können.
Naja und daneben halt auch genug Artilleriemunition um den Druck auf vorrückenden Einheiten aufrecht zu erhalten. Ich bin kein Meisterstratege aber denke abstrakt, dass man bei der Verteidigung abstrakt immer gewisse Vorteile hat sofern anderweitig Waffengleichheit oder -überlegenheit herrscht weil du mehr Kräfte aufbringen musst um verteidigte Stellungen zu erobern. Ganz stupide: Man nutzt angreifende russische Truppen immer wieder durch "Verteidigungsbonus" ab und kann so überhaupt gegen relative zahlenmäßige Überlegenheit bestehen. Stark vereinfacht beschrieben.
Karakachanka schrieb:Die Waffen- und Munitionsproduktion wurde immer noch nicht nennenswert hochgefahren oder entsprechende Aufträge an die Rüstungsindustrie vergeben, wenn ich das richtig mitverfolgt habe.
Woher sollte alles dringend benötigte also eigentlich in absehbarer Zeit kommen?
:(Ich weiß es nicht. Der Westen muss zumindest zeitweise (die nächsten paar Jahre bis 1-2 Jahrzehnte) seine Produktion massiv hochfahren. Jahrzehnte wird vmtl. der Krieg dort nicht andauern, aber wir müssen jetzt viel machen damit überhaupt in absehbarer Zeit irgendwas spürbares bei rumkommt. Die Zukunft ist Ungewiss.
Optimist schrieb:kann ich gut nachvollziehen.
Aber ich zieh den Hut, dass du es anfänglich überhaupt getan hast 👍
Danke. Leider muss ich zugleich feststellen, dass "meine Art" (ex-Alu der dann ein bisschen idealistisch sich Kampf gegen Desinformation usw. zur Aufgabe oder Ersatzbeschäftigung machte) quantitativ eher selten ist. Ich meine generell an sich auch ohne ex-XY-Background. Gefühlt ist "Ottonormal" aus teils ja nachvollziehbaren Gründen nicht gewillt ein festes Kontingent an Zeit in gewisse Aktivitäten oder auch von mir aus die persönliche Fortbildung in gewissen Themen zu engagieren weil man zig Dinge um die Ohren hat. Viele Leute sind sensibilisiert und wissen zudem um Gefahren, nehmen aber nicht aktiv im großen Kuddelmuddel des (Des-)Informations- und Hybridkrieges teil, etwa durch "counter-speech", also Gegenrede.
Weils einfach besonders auf Dauer f*cking anstrengend ist und wenn man ehrlich ist oft der Seelsorge auch nicht zu- sondern eher abträglich ist. Wenn man jetzt nicht halt dahingehend ein dickes Fell hat oder es in Maßen betreibt. Ich musste das dann nach Jahren auch irgendwann mal zurückstellen. Ich würde mich aber freuen wenn abstrakt im Schnitt mehr Menschen in der Gesellschaft zumindest sensibilisierter ggü. Desinformation usw. werden. Man muss nicht aktiv an der "Informationsfront" liberale Demokratie verteidigen - auch wenn das ein netter Bonus wäre; es wäre ja schon toll, wenn weniger Leute Desinformation usw. auf Dauer anheim fallen oder sich dadurch radikalisieren. Aber oft leichter gesagt als getan, zumal Desinformation usw. oft sonstige Sorgen und Nöte ausnutzt oder versucht langfristig einen Keil in die Weltbilder der Leute zu hauen.
Naja, ich will nicht zu sehr meckern. In der letzten Zeit gibt es irgendwo Fortschritte, gesellschaftlich wie anderweitig. Das ist auch bitter nötig. Den Rest wird die Zeit zeigen.
Jedimindtricks schrieb:Wenn man von Anfang spricht im Bezug auf hybriden Krieg hätte man schon 2007/8 reagieren müssen , so verwundert es doch nicht das wir ein absoluten Kaltstart hatten 2022 der bis heute anhält .
Auf die Bundesregierung bzw. bundesdeutsche (Außen- und Verteidigungs-)Politik bezogen ja.
Fairerweise muss man den Amerikanern, Briten usw. (ggf. "5 Eyes-Staaten" an sich und anderen) Dank aussprechen. Die haben sich spätestens 2014 auf Bitten der Ukrainer, trotz anfänglicher Skepsis, bemüht und viel Support, auch informationell, geliefert. Die haben mitunter eine Modernisierung in den Streitkräften angestoßen die glaube ich den Widerstand 2022 (bzw. teils auch schon vorher) überhaupt möglich machte bzw. Grundlagen dafür geschaffen hat indem man vom postsowjetischen Kuddelmuddel hin zu optimierter, eher westlicher bzw. einfach optimierter Kriegsführung bzw. auch Befehls- und Kommandostruktur kommt. Vereinfacht: Statt "top-down-Kommandogewalt" mit festen rigiden Strukturen, eher auftrags- und lageoptimierte Entscheidungsgewalt die Truppenteilen im Feld mehr Freiräume und flexiblere Handlungsoptionen bietet.
Der untenstehende NY-Times Artikel in Englisch, der vor einer Weile durch die Welt ging, beschreibt hier einige der Prozesse ganz gut. Interessante Einblicke für Interessierte und Laien:
https://www.nytimes.com/2024/02/25/world/europe/cia-ukraine-intelligence-russia-war.html