@Ghilan Ich war beim Schreiben wohl im Bildungsloch, drückte das falschen Knöppsche und konnte nur noch die schlimmsten Patzer korrigieren. Und dann verlor ich aus lauter Ärger die Lust.
Ursprünglich wollte ich auf diese direkte-Demokratie-Manie (zurück-)kommen. Das ist mMn eine Manie, ein Irrglaube und Irrweg. Allein die Vorstellung, dass Leute glauben, alles (darauf läuft es bei dD ja hinaus) zu wissen und dass ein Volk (aufgrund göttlicher Fügung?) richtig entscheiden wird, zeugt von wenig gesundem Menschenverstand und grenzt wohl an maßloser Selbstüberschätzung.
Kein Wunder, dass diese Position allen voran (aber längst nicht ausschließlich) von wie auch immer gearteten Randgruppen vereinnahmt wird. Bezeichnenderweise sind darunter auch Randgruppen zu finden, die demokratische Zustände als schwach ablehnen, wodurch klar wird, welchen Zweck die Forderung hat. Destabilisierung.
Ich wollte das, wie du, nicht nur auf TTIP sondern ganz allgemein auf die politische Situation verstanden wissen. Allgemeiner Rechtsruck, abzulesen bei nationalen und internationalen Wahlergebnissen, die "Orbanisierung" der Staaten, einschlägige Propaganda-Feldzüge (die dem einstigen Minister für Propaganda gefallen hätte), gezielte Angriffe auf Staat und deren Vertreter ("Ent-Merkelisierung"), "Einschießen" auf Minderheiten, sich selbst zur Mehrheit zu erklären, Querfrontbildung, Verbundenheit über Symbole und Parolen, Hatz auf gewisse Berufsgruppen (Medienvertreter zB) uvm
All das hatte Europa schon einmal, wir dachten das sei inzwischen nur noch für Historiker von Interesse. Falsch gedacht. Es wird Zeit, dass an diesen Irrtum anerkennt, sonst gedeiht da etwas heran, das sich nicht mehr bändigen lässt.
Doch auch hier sehe ich allen voran die Schuld bei den politischen Verantwortungsträgern.
Es mangelt an der klaren Kommunikation. Es fehlt den Menschen an Vision und Zukunftschancen. Es gibt zu viele offene Fragen. Es gibt zu viele unbequeme Antworten, die niemand erklärt.
Steigender Unmut und zunehmende "Bockigkeit" sind zwangsläufige Folge, voraufhin die Demagogen und Rattenfänger ihre Boomphase einläuten.
Wer keine Antworten bekommt, nimmt halt die erstbeste, und sei sie noch so konstruiert und löchrig. Wer sich nicht gehört fühlt, schließt sich anderen an, gemeinsam brüllt es sich lauter. Wer sich nicht vertreten fühlt, sucht sich einen Vertreter, es findet sich immer jemand.
Heute ist niemand mehr allein mit seinem Unmut. Man geht ins Internet, findet in Sekunden Bestätigung durch Gleichgesinnte, und latscht kurze Zeit später gemeinsam durch die Straßen. Das trifft auf TTIP ebenso zu wie auf die Mahnwachen, den GIDA-Kram, die Athenfrage, den EUR...
Bei nahezu jedem heißgekochten Süppchen kann man Gemeinsamkeiten feststellen. Und es ist kaum vorstellbar, dass ein Volk/die Völker in wenigen Jahren völlig verblödet sind, also muss es wohl andere Ursachen geben.
Und da bin ich wieder bei der Politik, der Kommunikation, der Vermittlung von Entscheidungen, der Erklärung von Zwängen, eine (soweit möglich) horizontale Kooperation mit dem Volk. Daran scheitern diese Vögel meisterhaft, nicht nur der Siggi, der ist halt speziell bei TTIP stark involviert.
Nehmen wir die Merkel und ihre gedankliche Wende, wie ihr Manöver betitelt wurde. Was genau soll denn der gemeine Wähler eigentlich aus dieser Story lernen? Jeder weiß, dass Europa seit Jahren ein zunehmendes Flüchtlingsproblem hat, oder hat davon zumindest mal gehört. Hat sich die Politik jemals gekümmert? Kam in Berlin oder Brüssel auch nur einer auf den Gedanken einer gemeinsamen Lösung?
Nichts dergleichen. Was kümmern mich Probleme anderer. Plötzlich wird nach europäischer Solidarität gerufen. Ja HimmelarschundZwirn, woher soll die denn so plötzlich kommen? Wir (andere auch) haben's doch vorgemacht, wie man beharrlich und über Jahre hinweg wegschaut. Glauben wir etwa, die anderen könnten das nicht?
Und was lernt das Volk daraus? Dass die da oben sich vor allem in Uneinigkeit einig sind, dass jeder auf sich selbst schaut, dass man sich die Welt "schönschauen" kann. Genau das ist es doch, was die Vortänzer vorleben. Seit Jahren hört der Deutsche nur "alles ist gut". Dem ist aber nicht so, nicht mal ein bisschen. Man muss nur die Zeitung aufschlagen. Überall knirscht und knarzt es im Gebälk, und wir bekommen merkelsche Beruhigungstropfen. Klar geht es uns (vergleichsweise) hervorragend, das wissen die meisten wohl zu schätzen. Doch das ist längst nicht "alles". Nicht mal ansatzweise.
Für Seehofer, den großen Antagonisten, gilt das gleiche. Der hat sich auch nie gekümmert, eigentlich sollte er aus genug diesem Grund die Fr... halten. Tut er aber nicht. Er nutzt die Gunst die Stunde, seine 2Sekunden Rampenlicht auf der großen Bühne, die ihm ansonsten verwehrt bleiben, auszukosten. Er will auch heute und morgen nichts tun. Er stilisiert sich als Opfer, sucht die Schuld überall außer bei ihm. Er glotzt nur aus sich und nennt das dann christlich.
Schmierenkomödie at its best. Glauben die ernsthaft ein Volk wurde das nicht registrieren und sich allmählich angewidert abwenden?
Dann die Europäer Schulz und Junker. Herausragend in der Selbstdarstellung, und wenn's drauf ankommt, sind sie Statisten, bestenfalls Moderatoren und Kommentatoren, siehe die Athenfrage oder auch die Flüchtlingsthematik. Wie soll denn da ein Interesse bei den Wählern geweckt werden? Gar nicht. Daraus resultieren nur Unzufriedenheit und Desinteresse.
Man könnte ewig weiter aufzuzählen, es läuft immer wieder auf das gleiche hinaus. Unmut kommt nicht aus dem nichts. Auflehnung schon gar nicht, der Mensch ist eigentlich zu bequem und hat besseres zu tun als sich aufzulehnen. Er braucht schon gute Beweggründe.
Jetzt muss ich langsam zum Ende kommen, auch wenn ich mich darüber den ganzen Tag lang auslassen könnte. Der Schreibtisch will beackert werden und zeigt sich dabei wenig barmherzig.
Wie ich schon erwähnte: in der Sache bin ich nicht bei den TTIP-Menschen. Ich denke da kommt vieles zusammen. Verkürztes Weltbild und noch kürzere Kapitalismuskritik. Beharrliche Weigerung die Umstände anzuerkennen; die Welt ist halt wie sie ist, da kann man lange marschieren, es ändert sich nichts. Selbst Marx hat sich einst (widerwillig und aus anderen Gründen) für den Freihandel ausgesprochen. Für ihn war das nur ein weiterer Schritt zum unweigerlichen Ende des Kapitals, das jedoch seiner Meinung nach ohnehin kommen würde. Deshalb war er der Meinung, dass man zumindest das beste aus der Sache machen müsse. Quasi ein Scheitern auf hohem Niveau. Doch wir haben nicht die Zustände, die Marx meinte. Unsere Märkte sind nicht so vogelfrei und tollwütig wie zu Zeiten der viktorianischen Epoche.
Und genau deshalb funktioniert das System ja irgendwie (und schon viel länger als von Krakeelern orakelt). Ist es verbesserungswürdig? Ja klar, alles ist verbesserungswürdig. Muss man deswegen gegen Freihandel sein? Äh, nein?! Und zwar weil Binnenmärkte mit dicken Mauern außenrum kein bisschen besser funktionieren. Ganz im Gegenteil.
Deshalb bietet TTIP eine Chance, nicht nur auch wirtschaftlicher Ebene. Auch hinsichtlich der Völkerverständigung. Es ist also wichtig für Verbesserung einzutreten, und nicht gegen das Abkommen an sich aufzubegehren. Für mich ein gewaltiger Unterschied.
Warum aber eine Politik dies nicht verständlich kommunizieren kann, warum man sich angreifbar macht, Zweifel nährt und Ablehnung erzeugt, ist mir ein Rätsel. Jeder Pinsel im mittleren Management lernt wie man es macht und vor allem wie man's nicht machen sollte. Das erklärt vielleicht, warum manche in der Politik landeten. Aber egal.
Und jetzt kümmere ich mich um Export in die USA, der ganz ohne TTIP bestens funktioniert, was, wenn ich die Wirtschaftsverbände so höre, gar nicht der Fall sein dürfte Komisch. Die ganze Welt ist irgendwie komisch. Völlig plemplem, und trotzdem dreht sie sich unbeirrt und alles funktioniert "irgendwie" und das gar nicht mal so schlecht.