@Saxnot555 Saxnot555 schrieb:Interessant dennoch, wie soetwas wie die Reichsbürgerbewegung entstehen konnte. Ich tippe auf die späten sechziger und die siebziger Jahre als Entstehungshintergrund und auf die Ostpolitik Brands als Initialzünder. Die damalige Diskussion über das Fortbestehen und die Grenzen des Deutschen Reichs und die Friedensvertragsdiskussion könnten, zusammen mit einem durch die Studentenrevolten und den Terror verursachten Autoritätsverlust der BRD, abseitige Gestalten auf die Idee gebracht haben, als "Reichsverweser" auf eigene Faust das Reich zu retten. Erst durch das Internet konnte sich soetwas dann wirklich ausbreiten.
Das halte ich für durchaus möglich. Ich gehöre zu einer Generation, die sich noch an solche Diskussionen erinnert: Deutschland in den Grenzen von 1937, es gab einmal Autoaufkleber in den 70ern, da stand "Deutschland ist grösser als die BRD" und ähnliches. Es gab eine politische Ecke, die empfanden die "BRD" seit Brandt sozusagen als Verrat an "Deutschland," und diesen Gruppen war es sehr wichtig, immer zu betonen, dass es ja keinen "Friedensvertrag" gäbe und man daher unter Besatzungsrecht sei und dementsprechend keine deutschen Gebietsverluste akzeptierte (das wurde freilich unterstützt durch die offizielle Haltung der Bundesregierung, dass es nur "ein" Deutschland gäbe und die "DDR" nicht anerkannt werden durfte).
Diese gesamte Gedankenwelt existierte vermutlich durchgehend seit mindestens 1945 (mindestens, weil es sogar während dem sog. "3.Reich" ja Leute gab, die der Meinung waren, dass eigentlich seit 1918 alles falsch lief und man ja noch Monarchie sein müsste).
Die Wiedervereinigung muss dann das Fass zum Überlaufen gebracht haben: einerseits war die immer als "provisorisch" bezeichnete Teilung in DDR und BRD zwar vorbei, aber ausgerechnet jene BRD masste sich dann an, offiziell auf alle weiteren Forderungen, vor allem gegenüber Polen, zu verzichten und damit den endgültigen "Verrat" am deutschen Reich zu begehen. Das ganze "Bundes-"Deutschland existierte einfach weiter, selbst der allerletzte symbolische Bestandteil des Reiches, die "Deutsche Reichsbahn" wurde abgewickelt... einem echten "Reichs"gläubigen müssen die Tränen in den Augen gestanden haben. Anstatt den Untergang der DDR als Wiederauferstehung des Reiches zu erleben, wurde dieses nun gleich mitbegraben.
Und auch jene, die in der DDR vielleicht 40 Jahre lang geträumt hatten, dass irgendwann das "deutsche Reich" sich doch wieder erheben müsse zu altem Glanz und Gloria, die stellten nun gefrustet fest, dass sie nichts weiter als Bundesbürger wurden.
Von da war dann der Schritt nicht mehr weit, das alles als perfide Verschwörung der "Feindmächte" zu verstehen und die Realität endgültig aus den Augen zu verlieren.