paxito schrieb:Das ist mir etwas unerklärlich.
Es ist ganz einfach:
@Carl138 schrieb von Wundern und ich vom rationalen Kern, der übrig bleibt, wenn man auf Wunder verzichtet und sich stattdessen auf das beschränkt, was man weiß und was man wissen kann. Da ich mich ein wenig in diesem Thema auskenne, kann ich dazu auch etwas schreiben, ohne in Polemiken abzugleiten.
paxito schrieb:Ob wir das nun Schöpfer oder erste Ursache nennen, macht keinen Unterschied.
Ich denke schon, dass das einen Unterschied macht, denn in der Vorstellung eines Schöpfers steckt die Vorstellung von einer Person, die in der Lage ist, willentlich etwas in die Existenz zu bringen, was zuvor nicht da gewesen ist. Ob das hypothetische Multiversum die erste oder nur eine weitere Ursache darstellt, das seinerseits über eine noch umfassendere Struktur kausal determiniert worden ist, erschließt sich nicht aus der Binnenperspektive, so dass wir darüber dann auch nichts sagen können.
Der Unterschied zu einem Schöpfer ist hier aber der naturalistische Rahmen: Entweder das hypothetische Multiversum ist hinreichend, um unser Universum hervorzubringen - dann bleiben wir im naturalistischen Kontext und müssen ihn nicht um einen weiteren - nicht-naturalistischen Kontext - erweitern. Ist das hypothetische Multiversum dafür nicht hinreichend, muss der naturalistische Kontext erweitert werden. Da eine Prüfbarkeit nicht gegeben ist, greift hier das Parsimonie-Prinzip.
Das Parsimonie-Prinzip belässt zunächst den naturalistischen Kontext, in dem sich auch die Herkunft unseres Universums verorten lässt. Falls das Universum doch durch einen Schöpfungsakt zustande gekommen sein sollte, muss dieser Schöpfer dann innerhalb des Multiversums verortet werden, um im naturalistischen Kontext zu bleiben. Auch hier ist die Prüfbarkeit nicht gegeben, so dass auch ein naturalistischer Schöpfer außen vor bleibt, wenn eine Erklärung für die Entstehung des Universums gefunden werden soll, die nicht in Beliebigkeit abgleitet.
paxito schrieb:Deine Aufzählung für den Urknall verweisen alle auf Ursachen die ihrerseits Ursachen haben müssen, wir landen immer bei zwei Möglichkeiten, der einem infiniten Regress oder einer ersten Ursache.
Oder aber der Unkenntnis über weitere Ursachen, die dann unter Umständen in sich geschlossen sein könnten, so dass die hypothetische Über-Struktur eine Art Hyperzyklus bildet, die sich wechselseitig permanent neu verursacht und damit Dauerhaftigkeit und Stetigkeit gewährleistet. Oder aber das Modell der ewigen Inflation, die ebenfalls ohne Anfang und ohne Ende auskommt. Es ist ja nicht so, dass es dafür keine Ideen oder Modelle gäbe, aber weder infiniter Regress noch erste Ursache sind hier unausweichlich.
paxito schrieb:Beides ist so verrückt das die Annahme eines Schöpfers nicht abwegiger ist
Was heißt "abwegiger"? Es geht darum, ob diese Annahme notwendig ist oder nicht. Bis zum Aufweis des Gegenteils ist sie nicht notwendig, denn sie erklärt nichts.
paxito schrieb:Du kannst das mit nem Multiversum erklären, aber das ist eben nicht weniger spekulativ als ein Schöpfer.
Richtig. Das ist spekulativ, aber diese Spekulation ist die sparsamere, weil sie ohne weitere Zusatzannahmen auskommt, die ich schon benannt habe. Darum ist sie aus naturwissenschaftlicher Sicht vorzuziehen, zumal sie innerhalb des Rahmens bleibt, wo Naturwissenschaften wenigstens prinzipiell einen Zugang haben könnten, sofern es Möglichkeiten gibt, den Zustand, der kausal vor dem Urknall gewesen ist, aus den Daten abzuleiten, die uns heute aus der Frühzeit des Universums zugänglich sind. Einen Schöpfer könnte man daraus nicht ableiten, selbst wenn es ihn einst gegeben hätte.
paxito schrieb:Die Annahme das Gott das Universum exakt so wie wir es kennen vor 6000 Jahren geschaffen hat, besitzt nicht weniger Zusatzannahmen als eine chemische Evolution und sie ist -bis dato- auch nicht weniger beweisbar.
Hier vermischt Du wieder die Kontexte. Die Annahme einer Schöpfung vor rund 6000 Jahren muss mehr Zusatzannahmen machen, um die Befunde aus den Naturwissenschaften zu erklären, die über die Anwendung der wissenschaftlichen Methode zustandegekommen sind. Was die Annahmen einer chemischen Evolution betrifft, setzt sie eine Urerde voraus, die mit reichlich Vulkanismus, reichlich Wetter, regelmäßigen Gezeiten sowie einer reichhaltigen Ausstattung mit diversen chemischen Stoffen versehen war.
Was die Beweisbarkeit betrifft, hatte ich dazu schon etwas geschrieben. Die Dinge sind komplexer im Zusammenwirken als man das im Labor binnen kurzer Zeit nachstellen könnte. Schaut man sich die Zusammensetzung von diversen Meteoriten und Kometen an, erkennt man da durchaus Parallelen zu diversen Laborsimulationen, was die Art der Stoffe betrifft. Vom Grundsatz her kann der Ansatz also nicht falsch sein, um das Vorhandensein von verschiedenen organischen Stoffen zu erklären.
paxito schrieb:Womit du die chemische Evolution genauso unbeweisbar machst wie Gott, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt.
Auch hier: Bitte nicht die Kontexte vermischen. Gott ist üblicherweise eine Person, die außerhalb der Natur ist und daher über wissenschaftliche Methoden schon vom Prinzip her nicht ermittelt oder dingfest gemacht werden kann. Was die chemische Evolution betrifft, ist sie im naturalistischen Rahmen und damit prinzipiell der experimentellen Methode zugänglich, um herausfinden zu können, was geht und was nicht geht. "Beweisbar" ist hier auch nicht der treffende Ausdruck, denn in den Wissenschaften wird nicht bewiesen, sondern belegt - nach Möglichkeit sogar widerlegt, denn das treibt die Theoriebildung voran.
paxito schrieb:Wenn man derartiges in Wissenschaften ablehnt (was durchaus vernünftig ist) fliegt Gott als Erklärung raus. Das hat dann aber nix mehr mit Ockham zu tun.
Doch, das hat mit Ockham zu tun, denn dadurch, dass man Gott oder einen Schöpfer als Erklärungsgrund hinauswirft, beschränkt man sich auf den Bereich, innerhalb dessen Erklärungsgründe gefunden werden können, ohne sich darüber hinaus noch darüber Gedanken machen zu müssen, was es sonst noch für andere Erklärungsgründe geben könnte, die außerhalb dieses bereichs angesiedelt werden müssen. Das ist Folge der Anwendung von Ockham.
paxito schrieb:wenn du einen solchen Rahmen setzt, dafür benötigst du aber nicht das Parsimonie Prinzip.
Doch, denn dieser Rahmen kommt ja durch die Anwendung des Parsimonie-Prinzips zustande - gewissermaßen als das, was dann übrig bleibt.
paxito schrieb:Und daher ist sie durchaus „etwas wert“.
Das mag sein, aber hier ging es um naturwissenschaftliche Fragen und nicht um lebenspraktische.