paxito schrieb:nocheinPoet schrieb:Also ich kann mir rot echt rot vorstellen, ich sehe dann im Gedanken echt rot, geht auch bei allen anderen Farben, Formen, Stimmen, ich kann mir Stimmen von Schauspielern oder Freuden vorstellen und höre dann echt diese Stimmen im Kopf, also irgendwie, nicht so wie wer der Stimmen hört.
Bleiben wir bei dieser Feststellung. Du schreibst es im Grunde selbst, dein Hören der Stimmen in der Vorstellung unterscheidet sich von dem Stimmenhören eines Wahnsinnigen und natürlich auch von einem realen Hören. Wobei wir hier noch in dem Bereich sind, wo man sich tatsächliches vorstellt. Viele Inhalte des Bewusstseins haben überhaupt kein Gegenstück, Schmerz, Freude, Glück, Freundschaft etc.
Diese Unterscheidung findest du quer durch die Philosophie, bei Kant, Fichte, Hegel, Husserl. Wir können es als „Reflexion“ beschreiben oder „Introspektion“, Selbstwahrnehmung. Such dir das aus was dir passend dünkt. Am besten beschrieben hat es m.E. Merleau Ponty in der Phänomenologie der Wahrnehmung.
Was genau meinst Du denn mit Gegenstück?
Wenn ich mit wem spreche und seine Stimme höre, ist er das Gegenstück? Weil ich in mir eine Vorstellung von wem habe, der für das was ich wahrnehme verantwortlich ist und ich dieses Etwas außerhalb meines Körpers verorte?
Hier ist es nur eine Frage, wie weit sich die Person über diese Dinge bewusst ist, ich weiß, alles was ich wahrnehme ist nur in mir, durch mich. Ja ich kann sagen, es wird von "außen" angestoßen, also ich kann meine eigene Gedankenstimme hören, aus mir in mir, und eine von wem anderen von "außen" in mir.
Dafür mache ich aber "unterbewusst" einige Annahmen, es gibt mich, es gibt mein Innen und ein Etwas das nicht mein Körper ist, also ich trenne mich, mein Ich von dem "Anderen". Ich ziehe eine Grenze und sage, das bin ich, das ist mein "Geist", meine Empfindungen, meine Wahrnehmung, und das bin ich nicht, auch wenn ich es in mir wahrnehme.
Sicherlich wird man etwas gaga und wirkt auch so, wenn man so eine klare Trennung nicht grundsätzlich macht, wenn man wem mit dem Hammer auf den Fuß schlägt und sagt, bin nur ich, alles ist nur ich das Universum.
Aber belegt das die Existenz von etwas außerhalb von mir?
Oder nur die Vorstellung, dass so etwas existieren könnte?
Was ist da was nicht nur meine Vorstellung ist?
Du machst es an den Menschen, der Menge und der Sprache fest, könnte man auch dann eine Ebene tiefer an dem eigenen Selbst tackern. Es gibt nichts das real ich wahrnehme und nicht ich bin.
Außer mathematische absolute Wahrheiten, natürlich.
;)
paxito schrieb:nocheinPoet schrieb:Eventuell meinst Du ja, dass man eigene innere Erfahrung anderen nicht so mitteilen kann, einem Blinden kann man keine Farben erklären ...
Nein, das meinte ich an der Stelle nicht, es ist nur eine weitere Besonderheit der Introspektion. Du kannst sie jemanden der sie nicht erfahren hat, nicht vermitteln. Du musst die Ananas essen um zu wissen wie sie schmeckt.
Ja, aber auch dann weiß ich nur, wie sie mir schmeckt, nicht wie sie wem anderen schmeckt, ebenso ist es mit den Farben, ich kann nie wissen, ob Dein Rot auch mein Rot ist. Wir können uns darüber unterhalten, weil Du dieselbe Trennung vornehmen kannst wie ich, wenn Du Farben sehen kannst.
Aber alles, alles kann für jeden anders sein, Schmerz ist unangenehm, vögeln hingegen angenehm, aber es ist uns unmöglich zu erfahren, was ein anderer subjektiv erfährt.
paxito schrieb:nocheinPoet schrieb:So, wie man kann nicht fliegen, nicht einfach im Weltall überleben?
Tatsächlich ja, hier sind aber die Beschränkungen unseres Verstandes gemeint. Unsere Sinne sind Produkte der Biologie, unser Bewusstsein Produkt von Biologie und Soziologie, unsere Sprache Produkt der Geschichte. Dadurch gibt es einfach grundsätzliche Einschränkungen was und wie wir wahrnehmen, denken oder sprechen.
Gut, also Bewusstsein ist ein Produkt, wurde produziert, wurde erschaffen, ist aus etwas gemacht, muss aus etwas bestehen, kann wo sein und wo nicht sein. Über seine Farbe sprechen wir dann später.
Ich gehe da echt ganz unten dran, an die Dinge, die Begriffe: "Existenz, Etwas, Nichts, Bewusstsein" sind für mich echt wichtig, weil darauf denke ich doch mal, baut man dann alles andere auf.
paxito schrieb:nocheinPoet schrieb:Alleine das Mensch sein ist auch nur eine Vorstellung, eventuell bist Du ein Schmetterling, der nur träumt er wäre ein Mensch?
Dann bin ich in diesem Traum immer noch ein Mensch, vom Schmetterlingsein weiß ich dann nichts. Diese ganzen Solipsismus Gedankenexperimente haben konkret einfach keine Auswirkungen. Ob ich morgen aufstehen und zur Arbeit gehen muss, ändert sich nicht wenn ich ein träumender Schmetterling oder ein Gehirn in einem Tank bin.
Ein geträumter Mensch ist für Dich äquivalent zu einem realen Menschen? Du wirst aber schon bemerkt haben, dass Du geträumtes Geld hier nicht ausgeben kannst. Also, eine von mir geträumte Sonne ist von der Substanz nur ich, Teil von mir, in mir, geträumt, wirst Du nicht warm von.
Wenn ich wach bin, sehe ich die Sonne, gehe mal davon aus, sie ist nicht Teil meines Traumes, und auch Du wirst warm davon, ich nehme sie aber auch nur in mir wahr. Nur mal so, der Begriff "Wahrnehmung" impliziert doch schon wo, dass da was "wahr" ist. Das da etwas ist, und nicht nur nichts.
paxito schrieb:nocheinPoet schrieb:... aber eventuell nimmst Du "Aussage" zu wörtlich ...
Machen wir aus der „Aussage“ einen wahrheitsfähigen Satz. Vielleicht wird es dann klarer. Damit du verstehen kannst, das ein Satz wahrheitsfähig ist oder nicht brauchst du Vorwissen.
Das ergibt sich einfach nicht von selbst. Versuche einem 5 Jährigen zu erklären das die Wurzel aus Zwei eine irrationale Zahl ist. Er wird dich nicht nur nicht verstehen, er wird auch nicht erkennen das dieser Satz wahr sein kann. Vielleicht glaubt er dir das, so als älteres Vorbild, mehr aber auch nicht. Es bleibt für ihn Kauderwelsch.
Hier wird es nun spannend, für mich ist eine wahre Aussage nicht etwas, dass wer real aussagen muss. Beispiel, an kochendem Wasser verbrennt man sich. Das ist eine wahre Aussage. Es braucht kein Kind dass diese Aussage verbal versteht, damit sie wahr wird, es ist auch so eine wahre Aussage. Auch Tiere können sich an heißem Wasser verbrennen.
Die eigentliche Aussage, mal wieder zur √2 als irrationale Zahl, ist wahr, und unterschiedliche Menschen können diese Wahrheit finden, und dann unabhängig aussagen. Diese Wahrheit ist einfach so schon da, immer, und wir können gerne mal fragen wo.
Wäre es so wie ich Dich verstehe, würde diese Aussage erst wahr werden, wenn ein Mensch es erkennt und auch aussagt, zumindest es ihm selber bewusst wird.
Genau dem widerspreche ich, und das vehement.
Und ich grüble darüber echt schon lange, gerade was diese mathematischen Wahrheiten angeht, auch die Frage, wo und wie die Naturgesetze im Universum gespeichert sind, woher eine Elektron überall weiß, welche Masse es haben soll, wie es sich zu verhalten hat, ist interessant.
In der Physik soll es, zumindest potenziell, ganz viele unterschiedliche mögliche Universen geben können, mit anderen Naturkonstanten, so über 10⁵⁰⁰ wenn ich mich nicht irre.
Man könnte so schon sagen, für die Existenz von Naturkonstanten braucht es die Existenz eines Universums, wobei man da fragen könnte, was war zuerst da, oder beides einfach zusammen.
Bei mathematischen Wahrheiten bin ich davon überzeugt, sie sind unabhängig von Raum und Zeit, es braucht kein Universum für die √2 als irrationale Zahl. Es ist wie mit dem heißen Wasser, braucht kein Kind das sich verbrennt, und unterschiedliche Kinder können das als Wahrheit erkennen, wenn sie damit in Berührung kommen.
Soll heißen, gibt es dann wo mal ein Universum wird darin immer √2 eine irrationale Zahl sein. Wobei ich mir sicher bin, dass da der eine oder andere widersprechen wird. Dennoch ist das so für mich erstmal plausibler, als das Gegenteil.
paxito schrieb:nocheinPoet schrieb:Es gibt eben Fakten, mit Mathematik ist es leichter, aber geht auch so, die Erde kreist um die Sonne, es kann Menschen geben, die sagen das aus, in vielen Sprachen oder keiner sagt es, oder gibt keinen der das aussagen kann, dennoch kreist die Erde um die Sonne.
Vielleicht beschreibt der Satz „die Erde kreist um die Sonne“ tatsächlich etwas das unabhängig von jeder Wahrnehmung so ist, aber er bezeichnet es eben nur.
Nehmen wir für einen Moment an, das es eine objektive Wirklichkeit gibt, mit einer Sonne um die Planeten kreisen. Der obige Satz beschreibt das nur. Du kannst es noch genauer beschreiben, mit Mathematik, mit Physik - aber es bleiben Beschreibungen, Modelle, Abstraktionen - es ist nicht das Bezeichnete.
Und um es noch verwirrender zu machen: das Bezeichnete trägt auch nichts bei um das Zeichen zu verstehen. Das machen andere Zeichen.
Ich trenne die Notation von dem was sie aussagt. Die Notation ist nicht die Aussage selber.
paxito schrieb:nocheinPoet schrieb:Es gibt Aussagen die müssen nicht gesagt werden, eine mathematische Aussage braucht keinen, der diese aussagt.
Aussagen, die nicht gesagt werden, sind in einer Diskussion ohne Belang. Aussagen existieren nicht unabhängig von einem Diskurs.
Mathematik existiert nicht ohne Mathematiker.
Was du evt. meinst ist das worauf sich mathematische Aussagen beziehen können. Das sind entweder Dinge in der objektiven Welt (und da kommt dein Schmetterling und das Gehirn im Tank ins Spiel, wir wissen letztlich nicht ob es sowas gibt) oder eben Dinge in unserem eigenen Verstand.
Logik und Mathematik beziehen sich m.E. nicht auf irgendwelche unabhängigen Ideen, sondern auf die Regeln und Gesetze unseres eigenen Denkens in einer höchst abstrakten Form.
Heißes Wasser existiert nicht, ohne jemanden der sich daran verbrüht?
Natürlich existiert Mathematik ohne Mathematiker, die Zahl √2 existiert, sie wird nicht durch einen Mathematiker existent, der diese "entdeckt".
Aber hier haben wir wohl mit den Punkt, wo es bei uns knirscht, eine elementar andere Vorstellung der Dinge.
Und da sind wir dann bei dem Begriff "existieren", ...
paxito schrieb:nocheinPoet schrieb:Die Bedeutung liegt dahinter, die Sprache vermittelt die Bedeutung der Aussage, sie erschafft doch aber nicht die Bedeutung selber.
Doch genau das. Das meinte ich damit das Zeichen Zeichen erklären. Sprache schafft Bedeutung von Wörtern. Hier beziehe ich mich klar auf die Grammatologie von Derrida (Wikipedia: Grammatologie (Derrida)).
Sprache kann Verständnis schaffen, nicht was dahinter steht, das man sich am kochenden Wasser verbrühen kann, wird nicht durch Sprache geschaffen. Ist so, ohne Sprache.
paxito schrieb:nocheinPoet schrieb:Ist doch aber so, will Dich ja nicht ärgern, aber wo ist da noch eine Aussage und ein Sinn, wenn Du sagst, es gibt keine absoluten Wahrheiten, der Widerspruch in dieser Aussage selber springt einen doch an.
Wenn Sprache am Ende ein selbst referentielles System ist, dann gibt es keine Bezugsfreiheit. Du kannst wahr/unwahr dann als binären Code der zur Abgrenzung dieses Systems dient verstehen (vgl. Wikipedia: Systemtheorie (Luhmann). Da macht das Reden von absoluten Wahrheiten jenseits des Menschen und unabhängig von diesem keinen Sinn mehr. Ich kann dich zu diesem Perspektivwechsel nicht zwingen, aber viele deine Fragen würden sich genau damit lösen lassen.
Du hast da einen Link raus, mit echt viel Holz, das ist nicht hilfreich, da musst Du schon selber mal was zu schreiben.
Ich habe Dich auch nach konkreten relativen Wahrheiten gefragt, Beispiele, also hau mal was raus.
Und welche Fragen würde was für mich lösen, ich sehe da nicht mal diese mögliche Perspektive von der Du sprichst.
paxito schrieb:nocheinPoet schrieb:Erkenne doch zumindest mal an, wie es auf andere wirkt ...
Das erkenne ich hiermit an und entschuldige mich dafür. Zur Rechtfertigung: ich habe einfach oft den Eindruck das wesentliche Erkenntnisse der Philosophie des 20 Jahrhunderts nicht bekannt sind oder nicht verstanden werden. Das ist auf Dauer enervierend, denn man schlägt sich beständig mit gelösten Problemen herum - dabei gibt es noch genug ungelöste.
Nun ja, geschenkt, Entschuldigung nehme ich mal an und verstehe es so, dass Du es gar nicht so persönlich gemeint hast, wie es angekommen ist. Immerhin sind wir dann was das angeht ein Stück weiter.
Habe die Ehre ...