Ich hab es mir jetzt durchgelesen. Ich finde, Frau Greinert ist da auf dem falschen Dampfer. Sie schreibt ja selbst, dass sie eigentlich immer schon gegen Organspende war und das beeinflusst natürlich ihre Sichtweise.
Man kann einen natürlichen Sterbeprozess wie bei ihrer Tante, Mutter und Schwiegermutter, die ja anscheinend im Alter eines natürlichen Todes gestorben sind, nicht mit einem plötzlichen Unfalltod vergleichen. Sie hat recht, dass das Sterben normalerweise ein längerer Prozess ist, auch bei einer tödlichen Erkrankung. Bei einem Unfall wie bei ihrem Sohn wird der Mensch aber abrupt aus dem Leben gerissen und deshalb gibt es den Sterbeprozess eben nicht in derselben Form, es läuft alles beschleunigt ab. Die Eltern haben den Sterbeprozess nicht miterlebt, sie sind ja erst in die Klinik gekommen, als ihr Sohn schon hirntot war. Man hat zwar noch versucht, ihn zu retten, die Ärzte haben aber von Anfang an gesagt, dass es keine große Hoffnung mehr gibt. Natürlich kann man da als Angehörige nicht so Abschied nehmen und loslassen, wie das bei einem natürlichen Tod der Fall ist, wo man ja mehr Zeit hat, sich darauf vorzubereiten.
Was ihr passiert ist, sollte aber auch so nicht ablaufen, ich habe beim Lesen den Eindruck, als habe man sie sehr schnell nach dem Tod ihres Sohnes gedrängt, eine Entscheidung zu treffen. Sie hatte noch gar keine Zeit, zu akzeptieren, dass ihr Sohn gerade gestorben ist. Ich finde, da hätte man den Eltern mehr Zeit lassen müssen. Der Bub hätte auch noch länger künstlich am Leben erhalten werden können. Auch wenn da natürlich Menschen auf ein Spenderorgan warten.
Sie schreibt, ihr Sohn atmete, war warm und schaute lebendig aus. Ja, aber der Schein trog. Er schaute deshalb so aus und atmete deshalb, weil er an Maschinen hing. Er war trotzdem nicht mehr am Leben. Man hätte ihnen aber nicht mehr erlauben sollen, den Sohn nach der Organentnahme noch einmal zu sehen, denn dass das traumatisch sein würde, ist naheliegend. Auch die Geschichte mit dem Ring und der Kette war definitiv nicht in Ordnung. Man hätte die Eltern auch aufklären müssen, dass Organspende bedeutet, dass alle brauchbaren Organe entnommen werden und nicht nur eins. Das wurde offenbar verabsäumt, davon ausgegangen, dass das bekannt ist. Offenbar wissen die Menschen nicht viel über Organspende, wie der Absatz zeigt:
Alle Angehörigen der Organspender sind davon ausgegangen, dass ihre Kinder so tot waren, wie man sich Tot-Sein vorstellt. Alle erinnerten sich daran, dass ihre Kinder aber gerade nicht kalt, starr, leblos und ohne Atem waren. Im Gegenteil: sie waren warm, einige schwitzten, bekamen Fieber und Hautausschläge, sie wurden wie Patienten versorgt und behandelt.
Wenn ich das lese, denke ich mir: Klar, was hast du denn erwartet? Wenn der Patient tot, starr, leblos, ohne Atem ist, sind die Organe ja auch kaputt und nicht mehr brauchbar. Logisch wird der Mensch künstlich am Leben erhalten, bis alle Organe entfernt wurden.
Das zeigt eigentlich nur, wie wichtig es ist, dass man sich rechtzeitig darüber informiert, bevor man in einer solchen Situation steckt. Dann ist es nämlich zu spät, wenn man gerade den Schock des Verlustes eines Angehörigen erlebt, kann man diese Informationen nicht auch noch aufnehmen, dann ist man wie paralysiert.