Der Tatzelwurm - Legende oder Realität?
16.12.2020 um 07:34perttivalkonen schrieb:Der Haselwurm ist aber einfach nur ein Mythenviecherl, eng verwandt mit dem Lindwurm.Du hast mit hoher Wahrscheinlichkeit natürlich völlig recht! Der Haselwurm wird ein Mythenviecherl sein.
Aber ein Restzweifel bleibt ;-)
Auffällig finde ich in der Chronik die für die Zeit ungewöhnlich präzisen Angaben von Ort und Erscheinungszeit der Biester und die Genauigkeit der Beschreibung bis hin zu den Farben (und die Angabe von namentlich benannten Zeugen)...das kann vielleicht damit zusammenhängen, dass der Bearbeiter seinerseits aus einer 1617 erschienenen Chronik von Walkenried zitiert und sich bemüht, die Vorlage möglichst genau wiederzugeben. Andererseits verschiebt dies nur wieder das Rätsel: Was genau haben die Leute in Walkenried 1597 zu sehen bekommen? Und falls sie nichts zu sehen bekommen haben, warum haben Sie sich dann so etwas ausgedacht?
Auffällig finde ich, dass sich Erzählungen über Tatzlwürmer, Haselwürmer oder Stollenwürmer oft in der Nähe von verschiedenen Bergbauregionen finden. Das könnte ein sagenhaftes Wandermotiv von Bergarbeitern sein, eine Art frühe urban legend, die diese gegebenenfalls bei Arbeitsmigration regionsübergreifend verbreitet haben... oder... es gibt irgendwo in tieferen Erdschichten tatsächlich sehr seltene größere Lebensformen, die ans Tageslicht kommen können, wenn Bergwerksstollen zufällig Gesteinsspalten anschneiden, aus denen sie herauskrabbeln können....
Blindschleichen, die wir als Kinder früher immer im Sommer eingesammelt haben, kann man eigentlich mit derartig großen und fremdartigen Lebewesen nicht verwechseln. Fragt sich, ob die Bezeichnung für die Blindschleiche im Laufe der Zeit auf die Sagentiere übertragen wurde oder von den Sagentieren auf die harmlosen Blindschleichen...
Die etymologische Herleitung des Begriffs Haselwurm aus dem altdeutschen hasela liegt nahe. Interessant ist für mich aber die Zuordnung des Fabelwesen zur Pflanze Hasel durch die Parallele zum Volksaberglauben über den Ahlhorn (Holunder). Hasel wie Holunder scheinen Pflanzen zu sein, die im Volksaberglauben mit einer magischen Bedeutung aufgeladen wurden. Unter dem Ahlhorn lebten "die Unterirdischen", die man nicht beleidigen durfte, indem man z.B. den Ahlhorn beschädigte. Wer das tat, starb innerhalb eines Jahres... Aus den Zweigen der Haselsträucher macht man z.B. Wünschelruten, um Wasser und (Boden-)Schätze aufzuspüren. Im und unter dem Haselstrauch fand man den Haselwurm. Falls der Haselwurm nicht ein reales Lebewesen (z.B.eine Art große Variante des Grottenolms) ist, könnte in der Sage, ähnlich wie bei der zum Holunder, eine sehr alte naturreligiöse Sicht auf "heilige" Pflanzen und ihre Verbindung zu Geheimnissen und Mysterien durchscheinen.