DerThorag schrieb:Wenn es im Sozialismus schon nicht gut aussah und auch der Kapitalismus nicht geholfen hat, könnten die Gründe nicht vielleicht vielfältiger sein?
Du hast nicht richtig gelesen, versuch's nochmal:
Noumenon schrieb:Butterwegge, Lösch und Ptak zeigen darin u.a., dass der Neoliberalismus Armut und Prekarisierung nicht nur nicht löst, sondern strukturell verschärft.
Und dass die Gründe vielfältig sind, bestreitet doch auch niemand. Sowohl
gesellschaftliche Umstände wie auch das
Elternhaus tragen natürlich zur Entwicklung von Kindern und Jugendlichen bei. Bei der Analyse des Elternhauses drehen wir uns aber im Kreis und müssten uns bspw. fragen, warum die Eltern so geworden sind wie sie sind, welches Elternhaus sie wiederum hatten etc. pp. - führt zu nix. Somit bleibt nur der Ansatz über die gesellschaftlichen Umstände. Siehst du ein, oder?
Und im konkreten Fall der Familie Ritter kann die Entwicklung zunächst als Ausdruck gesellschaftlicher Missstände verstanden werden, die zwar schon in der DDR ihren Anfang genommen haben mag, aber vor allem durch den wirtschaftlichen und sozialen Wandel nach der Wende in Ostdeutschland noch einmal weiter verstärkt wurde. Die Familie lebte offenbar auch vorher schon in recht prekären Verhältnissen, die dann durch Deindustrialisierung, zunehmende Armut und Arbeitslosigkeit sowie damit einhergehende soziale Verwahrlosung des Umfelds nach der Wiedervereinigung aber eben noch weiter verschärft wurden.
Berryl schrieb:Wären die da zu sehr auffällig geworden gabs dafür einen kompletten Staatapparat mit entsprechenden Einrichtungen damit du wieder in der Spur läufst.
Hat bei den Ritters nach der Wende offenbar gefehlt... Ich kenne nicht sämtliche Details, aber die Kids kamen ja nach der Reportage 1994 alle in getrennte Kinderheime, wovon mindestens eines nach vier Jahren wegen
Sparmaßnahmen geschlossen wurde, während die Kinder gleichzeitig wieder zurück zur Mutter durfen. Der kleine Norman soll sich sogar recht gut entwickelt haben, wobei die Fortschritte aber in aller Regelmäßigkeit dadurch zunichtegemacht wurden, dass er alle paar Wochenenden auch mal wieder nach Hause und sich dort wieder so richtig schön "austoben" durfte.
Berryl schrieb:Die Frau hat fast 40 Jahre im Sozialismus gelebt und nix gerissen, was sollte da der Kapitalismus noch nehmen.
Die Frau war verloren, keine Frage, aber die Kids hätten mit 'ner konsequenten Unterbringung in Heim oder Pflegefamilie noch 'ne Chance haben können.
Allgoria schrieb:Da hat auch der in der DDR „real existierende Sozialismus“ nichts dran besser gemacht.
Um die DDR geht's hier aber eigentlich gar nicht. Die Frage des Threaderstellers war: Wie kann es
in Zukunft besser laufen? Und nicht: Wie hätte es
in der Vergangenheit besser laufen können? Und die Ritterskinder waren durch das Umfeld bspw. auch extrem rechtsradikal ideologisiert. Und aktuell sieht es nicht gerade danach aus, als ob es heutzutage im
real existierendem Kapitalismus - mit Blick auf die krassen Erfolge der AfD - besser liefe, ganz im Gegenteil. Und auch mit Blick auf Kindeswohlgefährdung schaut es nicht gerade so aus, als würden wir uns im
real existierenden Kapitalismus gerade in die richtige Richtung entwickeln:
Überforderte Jugendämter können Kindeswohlgefährdungen kaum noch erfassen
Die Zahl der behördlich festgestellten Kindeswohlgefährdungen steigt kontinuierlich seit Einführung der Statistik im Jahr 2012.
https://www.welt.de/politik/deutschland/article253396492/Kindeswohlgefaehrdungen-Ueberforderte-Jugendaemter-koennen-sie-kaum-noch-erfassen.html