Okay, das wird jetzt etwas OT, dient aber dem Verständnis, warum im von
@Schifoan angeführten Fall so geurteilt wurde.
@SchifoanAngenommen, du hast dich mit Freunden im Restaurant getroffen. Als du dieses verlassen willst, gehst du zur Garderobe, nimmt deine Jacke, ziehst sie an und machst dich auf den Heimweg. Zu Hause willst du den Hausschlüssel aus der Jacke holen und stellst fest, dass da völlig fremde Gegenstände in der Jacke sind. Du hast eine fremde Jacke mitgenommen, die deiner eigenen gleicht.
Nach den objektiven Tatbestandsmerkmalen hast du hier einen Diebstahl begangen (fremde bewegliche Sache, nicht in deinem Alleineigentum, einem anderen weggenommen). Das wird auch der Eigentümer der Jacke vermuten. Würdest du aber vor Gericht gestellt werden, würde man dich freisprechen, denn du wolltest ja keinen Diebstahl begehen (es fehlt am Vorsatz) und du wusstest auch gar nicht, dass du einen begehst, als du die Jacke mitgenommen hast, weil du über die tatsächlichen Umstände geirrt hast.
Nach diesem Prinzip kam auch das von dir angeführte Urteil zu Stande. Der Angeklagte wusste sehr wohl, dass Vergewaltigungen verboten sind. Er irrte hier aber über den Umstand der Zustimmung der Geschädigten (ja, man fragt sich, was sie denn sonst noch tun soll, um ihre Ablehnung auszudrücken). Auch sie hält es für möglich, dass der Angeklagte auf Grund seiner Mentalität ihr Verhalten fehlinterpretiert hat und Zustimmung zu wilden Sex erkannte, wo Ablehnung war. Er dachte, sie hätten ganz normalen wilden Sex, dass er eine Vergewaltigung begeht und sie das alles wirklich und ernsthaft nicht will, war ihm nicht bewusst. Zumindest konnte das nicht zweifelsfrei widerlegt werden. Also war er zumindest „im Zweifel“ freizusprechen nach geltender Rechtslage. Das kann prinzipiell natürlich jeder behaupten, hier hält aber auch das Opfer das für durchaus möglich. Ich würde vermuten, ohne diese Einschätzung der Geschädigten wäre es deutlich enger geworden mit dem Freispruch.
Der Fachbegriff für diese Rechtsfigur lautet ignorantia facti oder auf deutsch Tatbestandsirrtum.
Jetzt klarer geworden? Sonst gerne noch mal ausführlich per PN.
Das ist und bleibt ein sehr extremes Beispiel.
Rechtlich ist das Urteil richtig, moralisch und am Rechtsempfinden der Bevölkerung gemessen ist es eine Katastrophe. Nur muss sich das Gericht nun mal an die Rechtslage halten.
Dieses Problem tritt aber klassischerweise in den Fällen auf, in denen das Opfer sich nicht wehrt, aber auch nicht zustimmt. Das Gericht muss sich die Frage stellen, ob der Angeklagte nach den Umständen des Einzelfalles wissen konnte, dass das Opfer nicht möchte. Wenn das Opfer die Handlungen erduldet, aber Ablehnung nicht zum Ausdruck bringt, wird es schwierig, jemanden rechtssicher zu verurteilen.
Deshalb hat man das Gewicht mehr in Richtung Opfer verschoben und gesagt, es muss eine eindeutige Zustimmung vorliegen, alles andere fällt zu Ungunsten des Angeklagten aus. Für genau diese Fälle, in denen das Opfer ohne Zustimmung oder Ablehnung Handlungen einfach erduldet.