GhOuTa schrieb:das behauptest Du, @Fierna mit dem Vorwurf des Antisemitismus, den das Lied deiner individuellen Meinung nach textuell ausdrücken würde - direkt oder indirekt - die Täter dieser Kindermorde Juden sein.
Die erste Behauptung, dass das Lied Ritualmord beschreibt, kann man halbwegs stehen lassen, es geht wirklich um Gewalt gegen Kinder und als Täter werden nebulös umrissen Logen, Bünde genannt. Den zweiten Vorwurf, dass die Täter Juden seien, den wolltest Du angeblich mit den beiden Post ( Beitrag von Fierna, Seite 97 Beitrag von Fierna, Seite 52) belegen.
Nur behaupte ich nicht, das belegt zu haben, noch war es je meine Intention, das zu belegen.
Du hättest dir eine Wall of Text, deren Inhalt sich grob darauf beschränkt, mir mitzuteilen, dass in diesem Text niemand "Juden!" sagt, sparen können.
Das ist mir durchaus bewusst. Das geht an dem Phänomen struktureller Antisemitismus ja auch völlig vorbei.
Belegt habe ich, dass diese "Kritik" an irgendwelchen "Kinderschänderringen" etc identisch mit oder mal mind frappierende Ähnlichkeit zu antisemitischen Ritualmordlegenden ist/aufweist. Einer inhaltlichen Auseinandersetzung verweigerst du dich komplett, wie an diesem Zitat deutlich wird:
GhOuTa schrieb:b) Morde und Gewalttaten wie sie in dem Song beschreiben werden kommen IRL vor, pädophile Ringe existieen, mit Eliten als Tätern, nicht zwingend wie in jedem Detail der Beschreibung, aber Kunst ist nicht genötigt foto-realistisch zu sein. Es gibt keinen Grund eine solche Beschreibung an sich als verwerflich zu kennzeichen, solange solche Vorkommnisse/Organoisationen real sind.
c) eine Beschreibung eines Ritualmordes in einem Kunstwerk meint nicht per se eine bestimmte ethnische/religiöse/politische Gruppe.
"Das ist halt Kunst"
"Kann doch alles Mögliche bedeuten"
Blablabla
Gut, du hast dich inhaltlich dahingehend damit auseinandergesetzt, dass du die gesamte Ritualmordlegende aus ihrem antisemitischen Narrativ zu lösen versuchst...mehrfach...weil du die Parallelen wohl selbst nicht leugnen kannst.
Das ist aber halt nur blödes Rumrelativieren.
Im Phänomen "struktureller Antisemitismus" hat man es aber teils mit unbewussten Prozessen zu tun (das ist eine allgemeine Aussage und stellt nicht meine Meinung zum Fall Xavier Naidoo dar).
Deshalb läuft dein andauernders Hinweisen darauf, dass niemand "Juden" nennt, niemand Religion oder Ethnie erwähnt auch völlig ins Leere und entwertet überhaupt nichts. Da muss niemand mit "Hihi, in Wirklichkeit meine ich die Juden" heimlich in seinem Zimmer sitzen.
Zudem sind ja bei der Gesamtbetrachtung des Werkes von Naidoo solche Hinweise durchaus zu finden (Rothschild, Schmock). Du möchtest jetzt aber lieber den Text "Wo sind sie" dahingehend isolieren.
Vermutlich wird man mich jetzt für bescheuert erklären und denken "Es sagt niemand 'Jude' und es denkt auch niemand 'Jude', aber es soll dennoch antisemitisch sein?".
Ja, genau. Da die Reproduktion von antisemitischen Narrativen und Stereotypen die Grundlage darstellt bzw eine Brücke schlägt zu offenem Antisemitismus bis hin zu Gewalt.
Um das für jeden verständlich zu machen: Ich bin den Empfehlungen des über geheime Einsichten verfügenden Xavier Naidoos aus seinem neuen "Ich hab richtig pervers abgeheult, googlet mal [...]-Bilder"-Video natürlich gefolgt.
Obwohl ich jetzt schrecklichste Gore-Bilder aus den elitären Folterkellern erwartet habe, glotze mich nachher doch nur Naidoo an, gefolgt von Twitter-Posts mit der mittelalterlichen Darstellung des vermeintlichen Ritualmords an Simon von Trient.
Simon von Trient (regionale dt. Varianten auch Simmele von Trient; Simmerl von Trient, italienische Varianten Simone da Trento, beato / san Simonino, * um 1472 in Trient; † 26. März 1475 ebenda) war ein in der römisch-katholischen Kirche als Märtyrer verehrtes Kind, das einem Ritualmord von Juden zum Opfer gefallen sein soll. Sein Fall ist eine der bekanntesten und langlebigsten antijudaistischen Ritualmordlegenden. Sie wurde erst 1965 vom örtlichen Bischof endgültig verworfen.
Wikipedia: Simon von TrientUnd egal, in welcher Art und Weise sich jetzt seine Anhänger mit diesen Anschuldigungen auseinandersetzen, sei es nur historisch, sie landen bei "Juden"...völlig unzweifelhaft.
Um das mit dem strukturellen Antisemitismus nachvollziehen zu können, muss man allerdings das Phänomen Antisemitismus verstehen, dabei handelt es sich eben nicht um schlichte Vorurteile gegenüber Juden.
Sollte gerade für dich interessant sein,
@GhOuTaAls strukturell antisemitisch werden Ideologien bezeichnet, die sich nicht ausdrücklich gegen Juden richten, aber dem „klassischen“ Antisemitismus von ihrer Begrifflichkeit und Argumentationsstruktur her ähneln. Gemeint ist beispielsweise die aus dem Frühsozialismus stammende Unterscheidung von Finanzkapital und Produktivkapital, wobei Ersteres mit seinen Repräsentanten identifiziert wird.[68] Diese werden für die Armut und das Leiden des „kleinen Mannes“ verantwortlich gemacht. Oft kommt der Vorwurf dazu, die „reichen Bonzen“ würden nur von der Arbeit der ehrlichen Arbeiter leben, während sie selbst nicht arbeiteten.
Durch diese Personalisierung und Verkürzung einer marxistischen Gesellschaftskritik ähneln Ideologien, die das Finanzkapital und seine Vertreter ablehnen, strukturell dem Antisemitismus und können in Judenhass übergehen oder diesen fördern. Seit dem Mittelalter waren berufliche Tätigkeiten der Juden, denen Landbesitz untersagt war und die von der Zugehörigkeit zu Zünften ausgeschlossen waren, auf den in christlichen Kreisen verpönten Geldverleih beschränkt, so dass sie bald als Wucherer geächtet wurden. Seit der Französischen Revolution wurden sie mit der „Zirkulationssphäre des Kapitals“[69] in Verbindung gebracht. Dabei verwies man stets auf einzelne reiche jüdische Bankiers (Beispiel Rothschild) oder „Spekulanten“, die als typische Vertreter aller Ausbeuter galten. So wurde das Judentum als treibende Kraft des entstehenden Kapitalismus bezeichnet. Auch die Nationalsozialisten stellten „schaffende“ Deutsche den „raffenden“ Juden gegenüber und identifizierten das Finanzkapital mit dem Judentum
Wikipedia: Antisemitismusforschung#Struktureller AntisemitismusKapitalismus als warenvermitteltes Herrschaftssystem
Entscheidend für die Entstehung des modernen Antisemitismus – im Gegensatz zum
überwiegend religiös basierten Antisemitismus des Mittelalters – war jedoch neben der
Erfindung eines Rassismus, der Juden nicht mehr als Religionsgemeinschaft, sondern als
(Gegen-)Rasse definierte, die Entwicklung des Kapitalismus seit der Neuzeit. Im
Gegensatz zum Feudalismus bildete der Kapitalismus kein unmittelbares Herrschaftsverhältnis heraus, sondern wird eben durch die Tatsache definiert, dass es sich dabei um ein warenvermitteltes Herrschaftssystem handelt. Auf den ersten Blick
ergibt sich daraus ein Widerspruch: einerseits existiert das Prinzip Herrschaft weiterhin,
soziale und politische Gegensätze sind weiterhin, teilweise noch verschärft vorhanden,
andererseits sind „die Herrschenden“ nicht mehr auszumachen. An die Stelle personaler Herrschaftsverhältnisse, etwa zwischen Herr und Knecht, tritt eine scheinbare bürgerliche
Gleichheit, die jedoch keine materielle Gleichheit mit einschließt, sondern Hierarchien und
Ungleichheiten weiter bestehen lässt.
Dieser Gegensatz legt die Grundlage für ein notwendig falsches Bewusstsein, das immer
dann zum Tragen kommt, wenn nicht erkannt wird, dass es sich beim Kapitalismus eben
nicht um ein personales sondern ein warenvermitteltes Herrschaftssystem handelt.
Stattdessen schließt dieses falsche Bewusstsein aus dem Nichtauffinden von
Herrschenden bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung von Herrschaft, dass sich die
Herrschenden dann nur umso besser verstecken müssen, ihre Herrschaft also in einer Art
Geheimbund, einer dunklen Macht, die aus dem Hintergrund verborgen die Fäden zieht,
ausüben. Damit ist bereits der Grundstein für den Gedanken einer Weltverschwörung
gelegt. Die offensichtlichen Widersprüche des Kapitalismus werden dann im Gegensatz
zur analytischen Kritik eines Karl Marx nicht auf ein System als solches zurückgeführt,
sondern auf eine böse Macht, die dieses System beherrschen soll, die konkret für alle
Schändlichkeiten des Kapitalismus verantwortlich zu machen ist.
Dabei ist die Wahrnehmung von Jüdinnen und Juden nicht mehr bloß auf das
mittelalterliche Stereotyp von Juden als Träger von Geld reduziert, vielmehr – so analysiert
es Moishe Postone in seinem Aufsatz „Nationalsozialismus und Antisemitismus“ – „werden
sie für ökonomische Krisen verantwortlich gemacht und mit gesellschaftlichen
Umstrukturierungen und Umbrüchen identifiziert, die mit der raschen Industrialisierung
einhergehen: explosive Verstädterung, der Untergang von traditionellen sozialen Klassen
und Schichten, das Aufkommen eines großen, in zunehmendem Maße sich
organisierenden industriellen Proletariats und so weiter. Mit anderen Worten: Die abstrakte
Herrschaft des Kapitals, wie sie besonders mit der raschen Industrialisierung einhergeht,
verstrickte die Menschen in das Netz dynamischer Kräfte, die, weil sie nicht durchschaut
zu werden vermochten, in Gestalt des ‚Internationalen Judentum’ wahrgenommen
wurden.“ (Postone, 1986)
Achtung, direkter download
https://homepage.univie.ac.at/thomas.schmidinger/php/texte/antisemitismus_struktureller_antisemitismus.pdfJa, ich weiß, da geht es nicht um die Ritualmordlegende, aber alle Leute, die nicht zu den obsessiven Naidoo-Relativieren gehören oder wirren Querfront-Anti-Imp-Weltbildern anhängen, werden sicherlich in der Lage sein, die Dynamiken zu übertragen.
Dahingehend auch aufschlussreich:
Das antisemitische Ressentiment ist kein bloßes soziales Vorurteil, das als Folge einer defekten Informationsverarbeitung begriffen, mit kognitionspsychologischen Ansätzen der Einstellungsforschung erklärt und durch rationale Aufklärung oder lerntheoretisch orientierte Erziehungs- und Trainingsprogramme überwunden werden kann. Die psychischen Wurzeln
des Antisemitismus liegen im unbewussten Affekthaushalt und die Hauptantriebskraft antisemitischer Einstellungen und Gewalttaten ist eine tiefsitzende, bis zum Hass steigerbare Feindseligkeit, die letztlich aus einer spezifischen Umwandlung sozialer und persönlicher Ängste entsteht. Die Konzepte der sozialkognitiven Vorurteilsforschung reichen trotz ihrer
neueren Fokussierung auf „implizite Vorurteile“ an diese unbewusst-affektive
Tiefendimension nicht heran. Daher ist die Irrationalität der Judenfeindschaft ohne den Versuch einer Vermittlung von individuellem und gesellschaftlichem Unbewussten und damit ohne eine Integration der subjekttheoretischen Perspektive der Psychoanalyse nicht zu verstehen.
Zu den wichtigsten Kennzeichen dieser Irrationalität, die alle unterschiedlichen Erscheinungsformen des Antisemitismus miteinander verbinden, gehören ihr wahnhafter
(paranoider) Charakter und ein spezifisches Destruktionspotenzial. Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang die in klinischen Erfahrungskontexten gewonnenen Konzepte über dieses Verhältnis von Wahnbildung und Destruktivität, nehmen wir einmal die gängige Bezeichnung des Antisemitismus als „kollektiven Wahn“ oder als „soziale Geisteskrankheit“ ernst?
[...]
Die normalisierende Funktion eines kollektiven Wahns
Greifen wir die verbreitete, aber kaum systematisch überprüfte Kennzeichnung des Antisemitismus als kollektiven Wahn oder als soziale Geisteskrankheit noch einmal auf und nehmen sie, bei allen Vorbehalten gegenüber einer sozialpsychologischen Anwendung genuin klinischer Kategorien ernst, ergibt ein erster Vergleich mit den echten Wahnkrankheiten erstaunliche Übereinstimmungen. Am Antisemitismus lassen sich phänomenologisch nahezu alle Kriterien eines psychiatrisch definierten Wahns und zwar insbesondere die einer paranoiden Psychose erkennen, weshalb es grundsätzlich legitim erscheint, mit den Psychoanalytikern Robert Waelder und Ernst Simmel vom Antisemitismus als einer kollektiven oder einer Massen-Psychose zu sprechen:
1. Der Wahn entsteht in Zeiten angstauslösender innerer und äußerer Krisen und besteht in einem regressiven Rückgriff auf primitive, manichäistische Vorstellungen von gut und böse und auf damit verbundene archaische Abwehmechanismen wie Spaltungen, Introjektionen und Projektionen. Innerpsychische Angstquellen werden externalisiert und verfremdet.
2. Der Wahnkranke versucht, eine tiefe narzisstische Kluft innerhalb des Subjekts und zwischen Subjekt und Außenwelt zu füllen. Sein Wahnsystem dient nach einem treffenden Ausdruck des Psychiaters Erich Wulff unbewusst dem Ziel, als „Realitätsplombe“ die zerfallene Welt neu aufzubauen, um einen kompletten Zusammenbruch des Ichs zu verhindern (Wulff 1987).20 Das aber bedeutet nach Freud, der Wahn ist nicht die Krankheit, sondern stellt einen, wenn auch misslungenen Restitutionsversuch dar.
3. Mit der Wahnbildung gehen regelmäßig starke, die eigene Schwäche und die dahinter liegende narzisstische Störung kompensierende Größenphantasien einher, deren wichtigste Wurzeln in frühkindlichen Allmachtsphantasien liegen. Für Freud ist es eine Tatsache, „daß ein Zusatz von Größenwahn“ insbesondere bei den meisten „Formen paranoischer Erkrankung zu konstatieren ist“ (Freud 1911: 302). Die unerlässliche Bedingung (und Begleiterscheinung) der megalomanen Aufwertung des eigenen Selbst oder der eigenen Gruppe aber ist die Abwertung und Ausgrenzung des bedrohlich erlebten Fremden.
4. Die primitive Weltsicht der vom Wahn Befallenen geht dabei mit erheblichen Wahrnehmungsstörungen einher und wird mit einer subjektiven Gewissheit erlebt, deren Kraft die von „normalen“ Ideen oder Überzeugungen weit übertrifft. Das Wahnsystem wird zur Obsession.
5. Die Wahnideen bleiben weitgehend unbeeinflussbar durch Erfahrungen und
unkorrigierbar durch rationale Aufklärungen. Nach Waelder macht vor allem die „Beeinträchtigung und das teilweise Versagen der Realitätsfunktion bzw. der
Realitätsprüfung, d.h. der Fähigkeit, einen Gedanken auf seinen realen Gehalt hin zu prüfen und sich durch Tatsachen korrigieren zu lassen“, die Ähnlichkeit zwischen den Massenpsychosen und den echten klinischen Psychosen aus, d.h.: „Die Unkorrigierbarkeit scheidet den Wahn vom bloßen Irrtum“ (Waelder 1934: 250).
6. Der Wahn tendiert dazu, sich immer stärker auszuweiten und zu einem
Gedankensystem zu vervollständigen, bis er weitgehend den Charakter eines kompletten Welterklärungsmusters annimmt. Diese Tendenz fügt sich als ideologisches Mittel der rationalisierenden Herrschaftssicherung nahtlos in die Entwicklung und die Strukturen totalitärer politischer Systeme. Nach der Logik des paranoiden Massenwahns geht es um die apokalyptische Bedrohung durch dämonische Kräfte, deren gigantische Verschwörung als die
Triebkraft der gesamten Geschichte empfunden und dargestellt wird.
7. Im Falle der Paranoia, also dem Verschwörungs- und Verfolgungswahn, gehen mit der projektiven Konstruktion des Verfolgers feindselige und gewaltbereite Hassgefühle einher und es kann zu signifikanten aggressiven Durchbrüchen gegenüber dem vermeintlichen Verfolger kommen. Auch hier gibt es Übereinstimmungen zum kollektiven Wahn: der Abwehrkampf gegen die Gruppe der dämonischen Verschwörer nimmt, wie wir gesehen haben, den Charakter eines Kreuzzuges zur Ausrottung des Bösen an. „Für die Faschisten“, so Adorno und Horkheimer zu Beginn der Elemente des Antisemitismus, „sind die Juden nicht eine Minorität, sondern die Gegenrasse, das negative Prinzip als solches“. Einmal vom "absolut Bösen als das absolut Böse gebrandmarkt“ (Horkheimer/Adorno 1947: 177) solle von ihrer Ausrottung das Glück einer rein arischen Welt abhängen.
Glaubt schon jemand, das Gesabbel von Herrn Naidoo darin wiederzuerkennen?
[...]
Aber um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Die objektiven Verhältnisse lassen sich nicht aus dem Seelenleben der Individuen erklären und so warnt Adorno als einer der schärfsten Kritiker vereinfachender Psychologisierungen immer wieder davor, den Antisemitismus aus den Deformationen des Einzelnen abzuleiten. Dennoch ist ein Vergleich zwischen der Paranoia und einem Massenwahn wegen der in beiden Phänomenen vorherrschenden Wege und Mechanismen der Abwehr zulässig und für eine Analyse des Antisemitismus hilfreich.
Auch Adorno weist immer wieder auf den Zusammenhang beider Erscheinungen hin, etwa
wenn er schreibt: „Von kollektiven Wahnvorstellungen wie dem Antisemitismus wird die Pathologie des Einzelnen, der psychisch der Welt nicht mehr gewachsen sich zeigt und auf ein scheinhaftes inneres Königreich zurückgeworfen ist, bestätigt“ (Adorno 1959: 138).21
Adorno ist davon überzeugt, dass insbesondere der autoritätsgebundene Charakter eine spezifische Affinität zu totalitären Ideologien besitzt und wie alle extrem vorurteilsvollen Individuen zu einem „psychischen Totalitarismus“ neigt, „der fast ein mikroskopisches Bild des totalitären Staates ist, den es anstrebt“ (Adorno 1950: 143).
[...]
Selten aber wurden diese Verschränkungen und Übereinstimmungen zwischen privatem
und öffentlichem Wahn unter gleichzeitiger Betonung der Grenze möglicher Anwendungen klinischer Kategorien auf politische Phänomene gründlicher untersucht, als von dem
sozialistischen Arzt und Psychoanalytiker Ernst Simmel. „Simmel war der erste“, betont Horkheimer in seinem 1948 erschienenen Nachruf, „der dem Ausdruck ‚Massenwahn’ eine
mehr als metaphorische Bedeutung gab, indem er zeigte, dass der Rassenhaß den Psychosen, besonders der Paranoia, nähersteht als den Neurosen“ (Horkheimer 1948: 485; vgl. Pohl
2000).22 Das Hauptthema in Simmels massenpsychologischer Antisemitismus-Analyse ist die Verwandlung von gesellschaftlich induzierter Irrationalität in die Pseudo-Rationalität „normaler“ Zustände. Dabei werden zunächst auch von ihm die wahnhaften, an archaische Spaltungs- und Projektionsvorgänge gebundenen Züge des Antisemitismus bestätigt: „Dieses klinische Syndrom uneingeschränkter, aggressiver Destruktivität im Banne eines Wahns bei vollständiger Verleugnung der Realität ist uns als Psychose wohlbekannt, und zwar als paranoide Form der Schizophrenie“ (Simmel 1946: 64). Daraus leitet er seine erste zentrale These ab, als Massenphänomen sei der Antisemitismus keine Massenneurose, wie etwa von Otto Fenichel angenommen wird, sondern vielmehr eine Massenpsychose. Bei der Massenpsychose handele es sich um eine kollektive Paranoia, die es erlaube, „die Triebkräfte des primitiven Hasses und der Zerstörung“ (ebd.) an dem zum absoluten Feind deklarierten Juden festzumachen und über den Weg der Projektion, der realen Verfolgung und schließlich der Vernichtung kollektiv zu entfesseln.
[...]
Bedeutet diese Parallelität zwischen privatem und kollektivem Wahn nun, dass der einzelne Antisemit ein Paranoiker ist? Simmel verneint diese Frage entschieden und kommt an dieser Stelle zu seiner zweiten Grundthese: „Der einzelne Antisemit ist kein Psychotiker - er ist normal. Erst wenn er sich einer Gruppe anschließt, wenn er zum Bestandteil einer Masse wird, verliert er gewisse Eigenschaften, die die Normalität ausmachen, und trägt so dazu bei, einen Massenwahn zu erzeugen, an den sämtliche Mitglieder der Gruppe glauben“ (ebd.: 68). Auch diese Feststellung wird von Adorno und Horkheimer geteilt, die davon ausgehen, dass die paranoiden, zu einer massenpathologischen Vergesellschaftung führenden Bewusstseinsformen, den Anschein erwecken, als hätten die Mitglieder „Angst davor, ihren Wahnsinn allein zu glauben.“
An der Verfolgung der kollektiven Haß-Objekte „stärkte sich der krankhafte Zusammenhalt. Das normale Mitglied aber löst seine Paranoia durch die Teilnahme an der kollektiven ab und klammert leidenschaftlich sich an die objektivierten, kollektiven, bestätigten Formen des Wahns“ (Horkheimer/Adorno 1947: 206). Adorno verwendet einen sehr allgemein gehaltenen und unscharfen Paranoia-Begriff, aber gemeint ist sicherlich nicht das psychiatrische Krankheitsbild, sondern ein spezifisch regressiver, durch gesellschaftliche Krisen erzeugter und politisch verstärkter Modus im Umgang mit sich und der Welt, der wahnhaften Charakter annehmen kann (vgl. Rensmann 1998: 91 ff.). Erst der Anschluss an eine pathologische Masse löst die kollektiven Regressionen mit einem signifikanten Anstieg feindgerichteter Hass- und Gewaltbereitschaft aus, aber die Regression des einzelnen Mitglieds der Masse bleibt nur eine vorübergehende, die ihm im Vergleich mit dem echten Psychotiker einen wichtigen Vorteil verschafft: sein in der Masse aufgegangenes Ich kann die subjektiv erfahrene Ohnmacht und das Gefühl des Ausgeliefertseins an undurchschaubare äußere Mächte durch die Partizipation an erlaubte und verordnete „Orgien des Hasses und der Zerstörung“ kompensieren. Er erringt damit, so Simmel weiter, sowohl Triebfreiheit, als auch die Macht über einen Teil der Wirklichkeit, die ihm fehlt. „Dieser Umstand ermöglicht es ihm, mit Hilfe einer Massenpsychose zur Realität zurückzukehren, vor der der einzelne Psychotiker fliehen muss“ (Simmel 1946: 71).23
Daraus ergibt sich schließlich Simmels dritte Hauptthese, die eine entscheidende Differenz zwischen individueller und kollektiver Psychose festhält. Die Regression in der Masse ist kein dauerhafter Zustand, denn dieses Ich „rettet sich durch Untertauchen in einer pathologischen Masse vor individueller Regression, indem es kollektiv regrediert. Die Flucht in eine
Massenpsychose ist demnach nicht nur die Flucht vor der Realität, sondern auch vor dem
individuellen Wahnsinn“ (ebd.: 73) – Kollektive Wahnvorstellungen nach dem Muster des Antisemitismus könnten zwar, so die Pointierung dieser These Simmels durch Adorno, „den einzelnen Halbirren davon dispensieren, ein ganzer zu werden“ (Adorno 1959: 138). Man dürfe sich allerdings, so Adorno an anderer Stelle, „diejenigen, die psychologisch zu totalitären Systemen neigen“ nicht als „Psychotiker“ oder als „Irre“ vorstellen. „Vielmehr bewahrt das kollektive Wahnsystem, dem sie sich verschreiben (...) nach der Einsicht Ernst Simmels offenbar vollstreckt werden, und die Vollstreckung des Bösen übertrifft noch den bösen Inhalt der
Projektion“ (Horkheimer/Adorno 1947: 195).27
Achtung, direkter download
http://www.agpolpsy.de/wp-content/uploads/2009/05/rolf-pohl-der-antisemitische-wahn.pdfGhOuTa schrieb:Allerdings hast Du nur eine Aufzählungen von ganz anderen "Werken", in denen Ritualmord-Darstellungen, die dMn antisemitisch/antijüdisch sind, zusammengestellt und dann in logischem Kurzschluss behauptet, weil diese anderen Darstellungen von Ritualmorden aus ganz anderen Epochen in ganz anderer Darstellungsformen usw antisemitisch seien, müsste das das Lied Xavas/Naidoo auch sein. Wo ist da der Zusammenhang?
Du wirfst mir jetzt irgendwas mit "anderen Epochen" vor, obwohl ich einen Vorfall von vor ca 30 Jahren zitierte, während du das alles mit "Völker und Religionen der Antike" und "Ketzer und Hexen" zu relativieren versucht hast?
GhOuTa schrieb:Ich hab sie nur verwendet in der Annahme, dass Dich Deine eigene Quelle evtl überzeugen würde. In der steht wie gesagt dass Ritualmorde zu allen Zeiten von und gegen alle möglichen Gruppen/Ethnien/Religionen usw ersonnen und verwendet wurden, oft als Rechtfertigung für Angriffe.
Ich glaube, ich habe hinreichende aufgezeigt, was für ein grober Unsinn dein dahingehendes Postulat war.
Du bist ja bezeichnenderweise auch auf absolut Nichts konkret eingegangen.
GhOuTa schrieb:Bezeichnend bei deiner Methodik ist, dass du offenbar nicht einmal merkst, dass der Antisemitismus der Werke, die Du als Referenz nimmst, aus den Werken selbst herauszulesen ist.
Doch, natürlich.
Das ist halt zwingend erforderlich. Würde ich einfach 2 Fälle von strukturellem Antisemitismus vergleichen, würdest du und deine Mitstreiter ja einfach bei beiden Fällen jeglichen Antisemitismus verneinen.
So muss ich also selbstverständlich einen Fall heranziehen, in dem man den Antisemitismus nicht einfach leugnen kann und die Parallelen zu dem hier diskutierten Fall aufzeigen.
GhOuTa schrieb:Es wird von Logen, Roben, Menschen die im Blitzlich lächeln gesprochen. Das sind keine Codes für Juden sondern für Elite, hohe Politiker, Wirtschaftsbosse usw.
Oder Bänker, richtig? Die hat er ja mal beim Namen genannt...und irgendwie sind die auch "die Elite", kontrollieren die Politiker....ja.
GhOuTa schrieb:Klar wenn man dann auch noch dem noch unhaltbaren Eingebung verfallen ist, dass auch Kritik an Eliten auch immer antisemtisch ist (und auch an den USA) dann ist das eigen gedankliche System natürlich komplett gegen Einflüsse von aussen versiegelt und in sich geschlossen.
Nicht jede Kritik an "Eliten" oder der USA ist antisemitisch.
Nur die mit den antisemitischen Narrativen.
GhOuTa schrieb:Oder kurz: Immer wieder Dreck schmeissen, denn es wird einiges hängen bleiben.
Tut es auch. 95% der Zuhörer werden nichts prüfen und die basale Aussage unreflektiert übernehmen.
Klar...seit über 10 Jahren kommt er mit dem Unsinn durch und hat davon keinen merklichen Schaden genommen...sogar unsinnige Gerichtsurteile erreicht, die ihn vor Kritik dahingehend schützen.
Was ihm jetzt zum Verhängnis wurde, war hingegen seine Aussagen zu "Gästen".
Also erzähl nicht so einen Müll.
GhOuTa schrieb:Der Effekt ist dann bei nicht wenigen, dass sie beim Thema Antisemitismus an Xavier Naidoo denken und nicht an die Leute die Juden tatsächlich häufig im deutschen Alttag Gewalt antun.
Das sind diese Muslime mit der dunklen Haut, die uns George Soros schickt, oder?