shionoro schrieb am 12.02.2023: Ehrlich gesagt habe ich mittlerweile das Gefühl, dass die meisten deutschen (vielleicht sogar westlichen) Menschen einsam sind.
Das glaube ich nicht - ich glaube eher, dass es Leute gibt, die es schaffen, aktiv ein gesundes Einsamkeit - Gesellschaft Gleichgewicht herzustellen und andere nicht. Das Problem ist, dass die zweite Gruppe nicht reflektieren kann, was sie einsam macht, die erste schon.
Bundeskanzleri schrieb am 12.02.2023:Auf emotionale Bedürftigkeit reagieren die Menschen doch eher abweisend, vielleicht aus Angst, in irgendeiner Verantwortung zu landen.
Es gibt einfach Leute, die dich dann so einspannen, dass du gar keine Lust hast, dich überhaupt jemals mit ihnen zu treffen, weil sie megaanstrengend sind - und Ansprüche daraus ableiten. Ergo: Du meidest den Kontakt komplett.
Es mag nun etwas kaltherzig klingen, aber im Prinzip sind Beziehungen doch auch auf win:win ausgelegt.
Beispiel: In unserem Dorf gibt es eine alte Frau, die in einer kleinen Wohnung von Mindestrente lebt. Sie ist aber unheimlich vielseitig und nett - und völlig umkompliziert. Sie geht gerne in die nahe Stadt (7km), allerdings schreckt sie der Buspreis (6€, hin- und zurück) ab. Manchmal fahre ich samstagnachmittags in die Schule wo ich arbeite - dann habe ich Freitagnachmittag und Samstag Unterricht vorbereitet und will noch kopieren, lasse die Tasche gleich da und habe 1,5 Tage dann "Ruhe". Wenn ich sie anrufe und anbiete mitzufahren, sagt sie eigentlich immer zu. Ich sage ihr dann grob, wie lange ich brauchen werde, schmeiße sie an einer Bushaltestelle raus - und mache mein Zeug. Treffe ich noch jemanden, ist das kein Problem, sie sortiert ihre Liste in "was sie tun muss" und "was noch nett ist". 10 Minuten, bevor ich losfahre, rufe ich sie kurz auf dem Handy an - sie steht immer pünktlich an der Haltestelle. Zeitaufwand für mich 60 Sekunden. Mache ich sehr gerne. Ich habe nichts davon, aber sie kann Wolle kaufen, beim Book Crossing Bücher tauschen, etwas bummeln, zufällig Leute treffen, in der Kirche ein Kerzchen anzünden, ....
Ich würde das nicht machen, wenn es mich nerven würde.
Doors schrieb am 14.02.2023:Als ich noch durch die Republik zog, von einem unsicheren Job zu einem anderen, habe ich regelmässig in Tageszeitungen oder Anzeigenblätter geguckt, welche Gruppen, Vereine, Parteien, Initiativen etc. sich wann und wo treffen.
Das ist glaube ich auch der Schlüssel dazu, Leute kennenzulernen.
Bundeskanzleri schrieb am 15.02.2023:Die Idee, man könne eine Kontaktaufnahme in sozialen Umfeldern überspringen, halte ich für nicht zielführend.
Nein, niemand trifft jemanden und man ist am nächsten Tag superdick befreundet.
Man ist doch nicht sofort befreundet oder vertraut, das ist doch immer ein Prozess.
Das sehe ich auch so.
off-peak schrieb:Aber keine Allzeit-Therapeuten. Es ist ja nicht so, dass man depressive Menschen nur mal anlächeln müsste, und ihr Problem wäre weg geblasen.
Vor allem sind gerade einsame Leute oft in ihrer Blase gefangen, haben einen sehr selbstzentrierten Blick auf sich selbst und reden oft sehr sehr viel .... das nervt dann mitunter echt.
SuiGeneris schrieb:Ich finde diese "Geh doch in einen Verein"-Tipps, ähnlich wie solche Tipps, dass Menschen die eine*einen Partner*in suchen, doch in einen "Tanzkurs" gehen mögen, mindestens etwas boomeresk und vor allem provinziell.
Es hilft aber tatsächlich ... ich lebe wieder in dem Kaff, in dem ich aufgewachsen bin, habe aber kaum noch alte Freunde (die meisten sind weggezogen). Als ich wiederkam, habe ich meinen gesamten neuen Freundeskreis über die Arbeit, die Kirchengemeinde und die Kinder kennengelernt. Da sind inzwischen gute Freunde dabei, aber auch Bekannte ....
martenot schrieb:Ja, denke ich auch. Aus der Einsamkeit kann man sich nicht unbedingt selbst befreien. Ich bin mal eine Weile in einem Selbsthilfeforum zu diesem Thema Mitglied gewesen, und meiner Erfahrung nach schaffen es viele Menschen eben nicht aus eigener Kraft, diesen Zustand zu beenden.
Das ist aber so eine Opfersicht ... Ich bin einsam und keiner hilft mir ... Man braucht glaube ich einfach Strategien. Ich bin nun oft Freitag- und Samstagabends alleine, meine Kinder groß, mein Mann arbeitet. Ich bin tatsächlich gerne daheim und entspanne mich, manchmal aber gehe ich weg - ganz alleine. Ich bin Mitglied in einer Gruppe, die sich 1x im Monat zum Abendessen in einem Restaurant trifft - da gehe ich gerne hin. Ich gehe auch alleine ins Kino oder Theater - oft poste ich auch einfach in meinen Status "gehe am Samstagabend um 19 Uhr in Film X - will jemand mit" - 9 von 10 Mal meldet sich jemand (da ist es mir auch egal, das kann unter die "Rubrik "entfernte Bekannte"" fallen.
Oft gehe ich auch mit einer spezifischen Fragestellung an die Bekannten ran - z.B. ich kaufe auf dem Flohmarkt ein neues Brettspiel. Dann frage ich halt Leute, die auch gerne spielen, ob sie nicht Lust haben, vorbeizukommen - klappt total oft.