Einsamkeit

Bundeskanzleri schrieb:Und ich habe bei jedem weiteren Umzug ins Neuland dazugelernt.
Ich habe auch gelernt, niedrigschwellige Kontakte zu genießen und sie nicht total doof zu finden.

So ging es mir auch ... ich habe auch gelernt, was Leute interessiert, wie viel Redeanteil ich haben sollte (alles ziemlich unterschiedlich, je nach Situation).

Mir sind z.T. niederschwellige Kontakte lieber ...

Ich bin im Laufe meines Lebens sehr oft umgezogen. Kaum war ich in einer neuen Wohnung, bzw. zuletzt im neuen Haus, habe ich gleich Kontakt zu NachbarInnen aufgenommen und mich vorgestellt. Menschen sind nun mal neugierig, und so wussten die dann gleich, was da für ein komischer Typ in der Nachbarschaft eingezogen ist und ich konnte abschätzen, wer von den NachbarInnen nett ist oder wer sich möglicherweise als problematisch herausstellen könnte. Manchmal täuschte natürlich der erste Eindruck, aber ich sah es stets als Gebot der Höflichkeit an, anderen zu zeigen, wer da "der Neue" ist.

Tatsächlich bin ich froh, wenn ich meine Ruhe habe und wenn man viel Stress hatte mit Menschen. Dann weiß man das erst Recht zu schätzen.

@Ridgway

Ein selbst gewählter Rückzug aus dem sozialen Leben ist ja auch etwas anderes als unfreiwillige Einsamkeit.

Doors schrieb:Ich bin im Laufe meines Lebens sehr oft umgezogen. Kaum war ich in einer neuen Wohnung, bzw. zuletzt im neuen Haus, habe ich gleich Kontakt zu NachbarInnen aufgenommen und mich vorgestellt.

Ich auch. Hier jetzt habe ich gleich dem einen den Parkplatz zugeparkt, weil seine Frau es uns erlaubt hatte, er es aber trotzdem nicht wollte, und angefangen hat, mich anzubrüllen.
Da sieht man doch gleich, wie gut offene Kommunikation funktioniert. Man muss da nur wollen, gelle?

Den Zweiten habe ich mehrmals verdächtigt, über mir zu laut zu sein, aber er ist es offenbar doch nicht immer. Jetzt schimpfen wir gemeinsam über den Dritten, den über ihn, der der Hauptlärmterrorist ist.
So schnell kann man also Gleichgesinnte finden.

Dem Dritten habe ich heute mit der Polizei gedroht, natürlich freundlich, wenn er nicht verdammt noch mal sofort damit aufhört, am Sonntag zu hämmern, zu bohren und zu stemmen. Schon drei Stunden lang.
Jetzt ist er ruhig und freut sich, dass die Polizei doch nicht kommt (und versucht, wie ein Kleinkind, doch noch ab und ab etwas über den Boden zu schaben ...)
Ja, genau so geht gute Nachbarschaft. Mit ein paar freundlichen Worten und ebenso freundlichen Drohungen ...

Scherz beiseite, mitunter nutzt die eigentliche Freundlichkeit rein gar nichts, wenn man auf Grantler oder auf Leute stößt, denen die andern am Allerwertesten vorbei gehen.

Doors schrieb:auch

Da hast du Recht, stimmt.

off-peak schrieb:Scherz beiseite, mitunter nutzt die eigentliche Freundlichkeit rein gar nichts, wenn man auf Grantler oder auf Leute stößt, denen die andern am Allerwertesten vorbei gehen.

Mr Mary arbeitet im Eventbereich und sagt immer, dass 10% der Leute unmöglich sind, um mit ihnen zusammenzuarbeiten, 80% sind ganz okay und 10% so nett, dass er mit ihnen auch freundschaftliche Beziehungen eingeht. Ich denke, so ähnlich ist es beim Bekanntennetz spannen auch. Man trifft 100 Leute und kann mit 10 gar nicht, mit 10 kann man sich vorstellen, auch mal ein Bier zu trinken und der Rest ist okay um "Hallo" zu sagen.

Es gibt einfach Leute, denen fehlt jedes soziale Feingefühl ... wir hatten vor Jahren mal einen entfernten Bekannten bei einem Fasnachts-umzug getroffen (hier in der schwäbisch-alemannischen Fasnacht ist es so: nach dem Umzug gibt es jede Menge privat organisierte "Stüble", wo man nur durch persönliche Bekanntschaft reinkommt). Wir haben ihn mit in das Stüble unserer Freunde genommen - er kannte die Leute gar nicht, hat sich aber sofort am Buffet hoch- und runtergefressen und drei oder vier Bier reingeschüttet. Das läuft alles über Vertrauenskasse - er hat sich danach noch gebrüstet, dass er nun kostenfrei satt ist.

Mir war es so peinlich, dass ich dann nochmal 20€ für ihn ins Kässle geworfen habe - und ihm versucht habe zu erklären, dass das nicht geht - da war aber Hopfen und Malz verloren. So Leute werden es halt insgesamt immer schwer haben, jemanden zu treffen, der mit ihnen eine Freundschaft eingeht.

MissMary schrieb:So Leute werden es halt insgesamt immer schwer haben, jemanden zu treffen, der mit ihnen eine Freundschaft eingeht.

Zumindest nicht für längere Zeit.

MissMary schrieb:und der Rest ist okay um "Hallo" zu sagen.

Ja, das ist ungefähr das Gros der Leute, die mir so im Alltag begegnen. Auf den ersten Blick nicht unnett, aber es fehlen die Anknüpfungspunkte, um sich näher anzufreunden. Möglicherweise gibt es sie, aber oft fehlt auch einfach die Zeit oder die Gelegenheit, oder man unterhält sich nicht lange genug, um solche Gemeinsamkeit ausfindig zu machen.

Dazu kommt, dass anscheinend viele Leute einfach keinen Bedarf an neuen Bekanntschaften haben. Beispielsweise nehme ich immer mal wieder an Kursen, Workshops oder ehrenamtlichen Aktivitäten teil. Man unterhält sich, aber mehr wird nicht draus, einfach weil die anderen Leute bereits eingespannt sind mit ihren jeweiligen Familien oder Freundeskreisen.

martenot schrieb:Dazu kommt, dass anscheinend viele Leute einfach keinen Bedarf an neuen Bekanntschaften haben. Beispielsweise nehme ich immer mal wieder an Kursen, Workshops oder ehrenamtlichen Aktivitäten teil. Man unterhält sich, aber mehr wird nicht draus, einfach weil die anderen Leute bereits eingespannt sind mit ihren jeweiligen Familien oder Freundeskreisen.

Genau das ist auch meine Erfahrung, insbesondere ist das ab Ende 20 immer schlimmer geworden.

Und dann kommt so ein blöder Tipp, wie, "Mach halt Verein, VHS, Ehrenamtliche!", dass ist etwas, das funktioniert vielleicht noch mit Anfang 20, aber nicht, wenn alle Haus, Kind und Ehe haben, da erlebe ich, dass sich die meisten Menschen abgrenzen von der Außenwelt.

Das hinterlässt bei mir beispielsweise eine Art "Bist eh niemanden wirklich wichtig!"-Gefühl.

Mindslaver schrieb:da erlebe ich, dass sich die meisten Menschen abgrenzen von der Außenwelt.

Genau, das erlebe ich auch. Nicht immer, aber häufig.

Wobei ich im Lauf der Zeit recht unterschiedliche Leute getroffen habe. Da gibt es z.B. viele Menschen, denen wirklich nur ausschließlich die Kursinhalte wichtig sind. Kaum neigt sich die Unterrichtsstunde dem Ende zu, packen sie in Windeseile ihre Sachen zusammen und verschwinden ("Ciao, ich muss weg, bis nächste Woche..."). Wenn man mal gemeinsam hinterher noch was Essen oder Trinken gehen will, kommt kaum jemand mit, oder man lässt es mangels Interesse gleich ganz bleiben.

Hin und wieder habe ich aber auch wirklich nette und aufgeschlossene Leute erlebt, die wirklich Lust hatten, sich kennenzulernen. Im Spanischkurs hat sich mal ein netter kleiner Kreis gebildet, mit dem wir uns auch eine Weile außerhalb des Unterrichts getroffen haben. Aber das ist eher die Ausnahme, nicht der Standardfall.

martenot schrieb:Kaum neigt sich die Unterrichtsstunde dem Ende zu, packen sie in Windeseile ihre Sachen zusammen und verschwinden ("Ciao, ich muss weg, bis nächste Woche..."). Wenn man mal gemeinsam hinterher noch was Essen oder Trinken gehen will, kommt kaum jemand mit,

Ja genau.
Auch das habe ich grundsätzlich immer so erlebt.
Und auf Nachfrage wurde auch erklärt, dass das hier nur Zweckgemeinschaften seien, und nicht dafür ausgelegt, neue Freunde zu finden.

Mein Eindruck und auch meine Erfahrung ist, dass man nur durch bereits bestehende soziale Netze irgendwo "hineinrutscht".
Nur sehr selten mal durch ein Zufallskontakt.

Da wird man durch Schulkameraden, Familienmitgliedern und so weiter in bereits bestehende Kontakte eingebunden. Man kann nur wieder unter Leute kommen, wenn man die Bereitschaft hat, sich von jemanden auf eine Party einladen zu lassen.
Das Vorhandensein dieser Bereitschaft ändert aber nichts an der Situation, wenn es niemanden gibt, der einen dazu einlädt.

Mindslaver schrieb:Und auf Nachfrage wurde auch erklärt, dass das hier nur Zweckgemeinschaften seien, und nicht dafür ausgelegt, neue Freunde zu finden.

Die besten Erfahrungen habe ich bisher mit umfangreicheren Projekten gemacht, wie z.B. Theater- oder Chorprojekten. Denn diese bringen es meistens mit sich, dass man sich gemeinsam mit einer Gruppe über einen längeren Zeitraum intensiv zusammentun muss. Da bleibt es nicht aus, dass man sich auch mal privat unterhält, und die Teilnehmer können nicht ohne weiteres in jeder Pause abhauen oder sich komplett zurückziehen. Wer das als reine Zweckgemeinschaft begreift, wird sich vermutlich schwertun (oder wahrscheinlich sowieso kein Interesse an Theaterarbeit haben).

Insbesondere bei Theaterprojekten besteht oft die Notwendigkeit, sich emotional zu öffnen. Da gibt es Übungen, um beispielsweise mit bestimmten Rollen und benötigen Emotionen vertraut zu werden, und das geht oft nur, indem man auch etwas von sich selbst preisgibt. Das hat zur Folge, dass man im Laufe eines solchen Projekts die anderen Leute besser kennenlernt und ggf. sogar Freundschaften entstehen können.

Mindslaver schrieb:Da wird man durch Schulkameraden, Familienmitgliedern und so weiter in bereits bestehende Kontakte eingebunden. Man kann nur wieder unter Leute kommen, wenn man die Bereitschaft hat, sich von jemanden auf eine Party einladen zu lassen.
Das Vorhandensein dieser Bereitschaft ändert aber nichts an der Situation, wenn es niemanden gibt, der einen dazu einlädt.

Gibt ja noch die Möglichkeit selber aktiv zu werden und der Einladende zu sein.

behind_eyes schrieb:Gibt ja noch die Möglichkeit selber aktiv zu werden und der Einladende zu sein.

Wie denn, wenn es niemanden gibt?

Mindslaver schrieb:Wie denn, wenn es niemanden gibt?

Du schriebst, es gibt niemanden der Dich einlädt.
Was hindert Dich daran andere Menschen einzuladen?

behind_eyes schrieb:Was hindert Dich daran andere Menschen einzuladen?

Kannst du lesen?

Mindslaver schrieb:Kannst du lesen?

Ja, deswegen frage ich ja.
Nur weil du nirgends eingeladen wirst, heißt doch das nicht das du niemanden einladen kannst. Wo ist das Problem?

behind_eyes schrieb:Wo ist das Problem?

Weil es niemanden gibt, denn ich einladen könnte?

Mindslaver schrieb:Weil es niemanden gibt, denn ich einladen könnte?

Das verstehe ich nicht, trotz dem was du geschrieben hast.
Du lebst in Deutschland in einer halbwegs besiedelten Gegend?