@Tussinelda Tussinelda schrieb:"normal" ist so, wie es dort in Zusammenhang gebracht wurde, eine Wertung, somit rassistisch. Es muss keine positive oder negative Wertung sein, um rassistisch zu sein.
Doch, genau so sagt es die Definition. Und diese negative Wertung muss zur Legitimation von Handlungen herangezogen werden. Rassimus ist ein immer mit Praxis verbunden.
Das Problem ist, dass "Rassimus" im gesamten Thread (und auch im öffentlichen Diskurs teilweise) als Leerformel gebraucht wird und selbstevident ist.
@fumo s Erklärung gestern Abend ist dafür ein Paradebeispiel, es wird keinerlei Zusammenhang aufgezeigt, sondern "es ist Rassimus, weil es nunmal Rassimus ist".
Jegliche Quellen, die hier herangezogen wurden (selbst unter Berücksichtigung der Verbrechen in Tageszeitungen o.ä.) haben dazu einen massiven Widerspruch dargestellt.
Um das nochmal zu sagen: Ich gehe völlig konform mit der Aussage, dass die Werbung, das Logo unangebracht/diskriminierend sind, dass das angesprochen werden muss und geändert gehört.
Was mich stört, ist dass sich an derlei Aussagen
Tussinelda schrieb:Da sollte man vielleicht mal mehr Awareness zeigen und bewusster mit Sprache umgehen.
nicht selbst gemessen wird.
Wie ich bereits sagte:
Fierna schrieb:Hier wird doch die ganze Zeit mit dem verantwortungsbewussten Gebrauch von Sprache argumentiert. Selbst wird darauf aber keine Rücksicht genommen, sondern es wird versucht jeglichen Vorwurf der Diskriminierung, ja, teilweise sogar lediglich Pauschalisierung, durch das Wort "Rassismus" zu maximieren.
Dann ist es auch kein Wunder mehr, wenn jegliche sachliche und fundierte Kritik mittlerweile mit "Nazikeule" und "Rassismuskeule" vom Tisch gewischt wird (obwohl dieser kausale Zusammenhang lediglich meine Meinung darstellt).
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Der Rassismus ist die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher oder fiktiver Unterschiede zum Nutzen des Anklägers und zum Schaden seines Opfers, mit der seine Privilegien oder seine Aggressionen gerechtfertigt werden sollen
Einmal geht sie von der Biologie, dann wieder von der Kultur aus, um daran anschließend allgemeine Rückschlüsse auf die Gesamtheit der Persönlichkeit, des Lebens und der Gruppe des Beschuldigten zu ziehen.
Albert Memmi - Rassimus S 103 , S165
Sie beinhaltet drei Elemente, die Memmi für wesentlich erachtet und denen auch in der aktuellen Rassismusforschung zentrale Bedeutung zukommt.[41] Memmi betont, dass keines dieser Elemente für sich allein schon den Rassismus ausmache, dieser entstehe erst durch die Verknüpfung
Differenz
[...] aber es ist nicht der Unterschied, der stets den Rassismus nach sich zieht, es ist vielmehr der Rassismus, der sich den Unterschied zunutze macht.
S. 167
Wertung
Der Rassismus liegt nicht in der Feststellung eines Unterschieds, sondern in dessen Verwendung gegen einen anderen.
S. 214
Verallgemeinerung
Die Beschuldigung richtet sich fast immer zumindest implizit gegen fast alle Mitglieder der Gruppe, so dass jedes andere Mitglied derselben Beschuldigung ausgesetzt ist, und sie ist zeitlich unbegrenzt, so dass kein denkbares Ereignis in der Zukunft dem Prozess jemals ein Ende machen kann.
S. 114
Zugleich verdient die gesamte Fremdgruppe, der das Stigma des Schädlichen und Aggressiven anhaftet, dass man sie angreift; umgekehrt verdient jeder Angehörige der Fremdgruppe a priori die Sanktion.
S. 116
Individuelles und kollektives Merkmal stehen in einer Art dialektischem Verhältnis zueinander
S. 170
Rassismus entspringt einer Denkweise, wodurch «sie» sich von «uns» dauerhaft unterscheiden, ohne dass es die Möglichkeit gäbe, die Unterschiede zu überbrücken. Dieses Gefühl der Differenz liefert ein Motiv beziehungsweise eine Rechtfertigung dafür, dass «wir» unseren Machtvorteil einsetzen, um den ethnorassisch Anderen auf eine Weise zu behandeln, die wir als grausam oder ungerecht ansehen würden, wenn Mitglieder unserer eigenen Gruppe davon betroffen wären.
George M. Fredrickson
eine Ideologie, eine Struktur und ein Prozess, mittels derer bestimmte Gruppierungen auf der Grundlage tatsächlicher oder zugeschriebener biologischer oder kultureller Eigenschaften als wesensmäßig andersgeartete und minderwertige «Rassen» oder ethnische Gruppen angesehen werden. In der Folge dienen diese Unterschiede als Erklärung dafür, dass Mitglieder dieser Gruppierungen vom Zugang zu materiellen und nicht-materiellen Ressourcen ausgeschlossen werden. Rassismus schließt immer den Gruppenkonflikt hinsichtlich kultureller und materieller Ressourcen ein.
Philomena Essed
Dieser Sprachgebrauch hat dem Rassismus den Anschein einer Selbstverständlichkeit und den Charakter einer im Grunde simplen, wenn nicht gar ‹primitiven› Ideologie und ‹barbarischen› Praxis verliehen, der die tatsächliche Komplexität des Phänomens in gefährlicher Weise verschleiert.
Demgegenüber erscheint es sinnvoller, den Rassismus nüchtern und zugleich genauer als einen Versuch zu verstehen, in Zeiten verunsicherter Zugehörigkeit entweder hergebrachte oder aber neue Grenzen von Zugehörigkeit theoretisch zu begründen und praktisch herzustellen. Die theoretische Begründung erfolgt auf dem Wege der Produktion eines bestimmten Wissens, erstens, über die angeblich wahre Natur derjenigen, die in die eigene Gemeinschaft einzuschließen bzw. aus ihr auszuschließen sind, und zweitens, über die generelle und naturgewollte Lebensnotwendigkeit solcher Unterscheidungen zwischen dem Eigenen und dem Fremden. Ihre praktische Herstellung manifestiert sich dann in vielfältigen und oftmals gewaltsamen Bemühungen, die erfahrbare Wirklichkeit dem theoretischen Wissen anzupassen, die Welt also nach Maßgabe der Theorie zu gestalten und der angeblichen Natur ihr Recht zu verschaffen.
Darin liegt die besondere und unauflösliche Beziehung zwischen rassistischer Ideologie und rassistischer Praxis: sie plausibilisieren sich gegenseitig
[...]
Der Rassismus lebt von der Annahme, ein angenommener Naturzustand ließe sich mit Hilfe und unter Anwendung des Wissens über ihn auch praktisch herstellen und realisieren. Mehr noch: das Wissen, das der Rassismus produziert, ist von vorneherein auf seine praktische Anwendung und Umsetzung angelegt; ebenso wie umgekehrt die rassistische Praxis – so realitätsfern sie auch sein mag – sich immer schon im Horizont eines sicheren Wissens über die ‹wahre› Natur der Welt aufgehoben und gerechtfertigt fühlen kann. Das Verhältnis von Ideologie und Praxis ist damit ein wichtiger Indikator für die schwierige Frage, wann und wie Vorurteilsstrukturen, Animositäten und Feindbilder, die an sich kaum als hinreichende Wegbereiter oder gar Vorstufen des Rassismus anzusehen sind, sich in rassistische Ausgrenzung, Diffamierung und Anfeindung verwandeln.
Denn mit einer engeren Verschränkung von Ideologie und Praxis geht meist auch eine engere Verknüpfung der vom Rassismus imaginierten Schicksale des Eigenen und Fremden einher. Wenn diese Verknüpfung so weit reicht, daß Rettung oder Regeneration des Eigenen nurmehr durch Verschluß oder Verschwinden des Fremden möglich scheint, dann liegt eine ausgeprägte rassistische Logik vor.
Christian Geulen, Geschichte des Rassimus S. 8 - 9