kelten-maisie schrieb:bedeutet das gleichzeitig, dass auch Beweis-u. Indizienmaterial nachträglich nicht hervorgeholt werden kann, und das man dazu
eine neue Verhandlung bräuchte? Das altes, bisher nicht herangezogenes Material nur in einer neuen Verhandlung, bzw. Prozess
beachtet werden darf für ein evtl. neues Urteil.
Das also niemand, auch JS nicht, so einfach darauf zurückgreifen kann, auch die Justiz nicht?
Da gehe ich jetzt mal davon aus, dass es JS nicht erlaubt worden wäre Material unter Verschluss halten zu dürfen, besonders dann
nicht, wenn es ihn belastet hätte. Sockenabdruck hin oder her.
Aber hier weiß @Rick_Blaine sicher mehr.
Ich versuch's mal, aber ich glaube, die Antwort hast Du schon selbst gefunden.
Erst einmal ist es grundsätzlich so, dass beide Seiten im bzw. vor dem Prozess gegenseitig offenlegen müssen, was sie an Beweismaterial haben bzw. in den Prozess einbringen wollen. Das nennen wir hier "discovery." In Deutschland ist es weitgehend mit dem Fachbegriff "Akteneinsicht" zu vergleichen. Interessant ist dabei, dass die Anklagevertretung auch entlastendes Material, auf das sie im Zuge der Ermittlungen gestossen ist, offenbaren muss.
Daher kann man davon ausgehen, dass beide Seiten weitgehend wissen, was die jeweils andere Seite an Material besitzt.
Müssen die Beteiligten nun dieses Material komplett nutzen und damit in der Regel es öffentlich machen? Nein. Einfaches Beispiel: Die Anklage wirft dem Theodor vor, den armen Oskar mitten auf dem Marktplatz von Garmisch um 12 Uhr am 4.5.2019 erschossen zu haben. Sie hat 42 Augenzeugen, welche das bestätigen. Nun alle 42 vor Gericht aussagen zu lassen wäre sicherlich overkill. Sie wird eine Handvoll Zeugen auswählen, die, die am besten gesehen haben, die gut beschreiben können, die ehrbar und über jeden Zweifel erhaben sind und so weiter. Sie kann dem Gericht anbieten (proffer) die anderen auch zu vernehmen, wenn notwendig, und das Gericht kann das ins Protokoll nehmen. Wenn nun im Prozess sagen wir mal nur 8 dieser Zeugen vernommen werden, dann wird die Öffentlichkeit vermutlich nie erfahren, wer die anderen 34 Zeugen waren und was sie den Ermittlern erzählt haben.
Allerdings, sollte der Verurteilte eines Tages meinen, die Aussagen dieser 34 hätten ein anderes Bild ergeben können und es war ein grober Kunstfehler seines Verteidigers, diese einfach abzuhaken, kann das in einer Revision eine Rolle spielen.
Ansonsten gilt: nach dem abgeschlossenen Prozess und der Rechtskraft der Urteils ist die Sache erledigt und die 34 Zeugenaussagen verschwinden in der Versenkung. Freilich ist es allen Beteiligten ungenommen, eines Tages ihr Wissen um diese Aussagen in Büchern, Interviews oder sonst was zu veröffentlichen, a la "Ich war der 34. Zeuge" oder "Das Geheimnis um Zeugin Nr. 31 - Sah sie Mutti Merkel am Tatort?" usw.
Muss also nun jede Erkenntnis im Zuge von Ermittlungen veröffentlicht und im Verfahren genutzt werden? Nein. Aber wenn eine Seite darauf besteht, dann geht kaum ein Weg daran vorbei. Wenn z.B. im obigen Beispiel die Verteidigung der Meinung ist, die Aussage von Zeugin Nr. 32 wird den Fall ganz anders darstellen, und die Anklage will Zeugin Nr. 32 nicht aufrufen, dann kann die Verteidigung das tun.
Gibt es nun im Fall JS geheime Ermittlungsergebnisse die bisher nie veröffentlicht wurden? Nun, da sie geheim sind, wissen wird das natürlich nicht
:) Aber es ist doch sehr unwahrscheinlich. Vor allem wenn es um solche gehen sollte, die sehr substantiell sind. Die Anklagevertretung hat in unserem Rechtssystem die Beweislast, das heisst sie muss die Schuld beweisen und sie wäre schön blöd, wenn sie dazu dienliche Beweise nicht verwertet.
Umgekehrt ging es im Prozess für JS um extrem viel - er wäre dumm, entlastendes Material nicht zu nutzen.
kelten-maisie schrieb:Meine Überlegung war, ob etwas nicht in den Prozess kam, da es für ein Schuld-Urteil nicht unbedingt nötig war, da es den
Sockenabdruck gab und der genügen sollte. Für den Fall das er nicht genügt hätte für die Jury, hätte man auch mehr präsentieren
können. Und ich wollte wissen, ob JS die Möglichkeit behabt hätte zu verlangen Material das in belastest nicht in den Prozess zu bringen.
kelten-maisie schrieb:Aber das macht irgendwie alles keinen Sinn, da man den Schuldspruch im ersten Moment riskiert hätte. Also wirklich sinnlos.
Vor allem stellt sich die Frage warum man nicht gleich alles Belastende verwendet hätte. Ein Gerichtsprozess steht damit nicht
gut da, wenn man wirklich belastendes zurückhält, bis man darauf zurückgreifen möchte um den Schuldspruch zu erreichen.
Meine Frage sollte damit geklärt sein. Danke dir.
Siehst Du, Du hast die Antwort bereits selbst gefunden.