Lavan schrieb:EH und JS schreiben sich über mehrere Wochen erotisch aufgeladene Briefe, die um den Tod der Eltern kreisen, gipfelnd in einer Phantasie über JS als Nazi-Kommandant mit Bezug zum Roman „Sophies Welt“ sowie einer konkreten Frage, das Studium zu beenden und gemeinsam wegzugehen (mit klarer Rollenverteilung: er wird Diplomat und schafft das Geld ran, EH Künstlerin) oder die Eltern gleich zu beseitigen. Und JS bezieht sich auch auf seine „aggressive Seite“, die noch töten muss/will. Wieso sollte EH sich die Mühe machen, noch einen anderen so nah zu binden, um ihn „anzustiften“. Das war doch bestimmt auch ein großer Aufwand?! Zumal es ja auch um den von ihr dringend gebrauchten „Liebesbeweis“ ging.
In meiner Phantasie bin ich auch Superman ;-)
Aber mal im Ernst. Natürlich sind die Briefe strange. Ich habe jedenfalls keine Phantasien über Nazi-Kommandanten oder Nazi-Liebchen. Aber es gibt ja noch viiieeeeeeel abgedrehtere Rollenspiele bzgl. sexueller Phantasien. Ich habe bei diesen Briefen immer den Eindruck, dass JS versucht, auf EH´s Phantasien einzugehen; wirkt auf mich manchmal etwas unbeholfen. Egal.
Ich habe da auch schon drüber nachgedacht, was das für eine verstörende Konversation zwischen den beiden war.
Andererseits kann ich mich erinnern, dass es in der Pubertät so war, dass einem plötzlich die eigenen Eltern mega peinlich waren und man auch schon mal mit einem Stoßseufzer sagte: " Ich hasse meine Eltern." Und ich habe sicherlich auch oft darüber nachgedacht, wie ich meine Eltern loswerde.
Aber doch nicht so!!!!!!
Die Pubertät ist die Phase, in der man sich abnabelt, in der man sich aus der Abhängigkeit von den Eltern lösen und selbständig werden will. Man will seine eigenen Entscheidungen treffen und empfindet phasenweise jede Grenzziehung der Eltern als übergriffig und geradezu unerträglich. Man will da unbedingt raus, will endlich seine eigenen Entsheidungen treffen, will sich nicht mehr reinreden lassen, möchte so schnell wie möglich ausziehen und eigenes Geld verdienen, endlich unabhäng sein. Dass die Eltern meistens Recht haben, sieht man nicht. Man empfindet alles als Infragestellung der eigenen Souveränität.
Schlimme Phase.
Wenn man da durch ist, normalisiert sich das Verhältnis ja normalerweise auch wieder.
EH ist irgendwie in dieser Phase "stecken geblieben". Für mich klingt es so, als wäre dieses endlich unabhängig werden für sie zu einer fixen Idee geworden. Da ist etwas total aus dem Ruder gelaufen. Ich weiß nicht, ob das für ihr Umfeld auch so erkennbar war. Ich weiß nicht, was der Auslöser war.
Lavan schrieb:Ja, und dann hätte EH JS in der Tatnacht erzählen müssen, dass sie sich die Schuhe ausgezogen hat und mit Socken durch‘s Blut lief. Das ist doch komisch, oder?
Wieso hätte sie ihm das in der Tatnacht erzählen müssen? Sie hat den Sockenabruck doch selbst erst nach der Beerdigung entdeckt; bei der Tatortreinigung. Für mich ist es plausibel, wenn sie ihm von ihrem blutigen Sockenabruck am Tatort nach der Tatortreinigung bzw. dann erzählt hat, als Gardner sie aufforderte, Sockenabrücke abzugeben.
Wenn der Sockenabruck nicht von JS war, warum floh er dann, bevor er den Sockenabdruck bei Gardner abgab?
Ok, gehen wir mal davon aus, dass es so war, wie JS sagt. Dann hatte er also eine Mörderin gedeckt, ihr ein falsches Alibi gegeben und mithin die Polizei nach Strich und Faden belogen. Behinderung der Justiz, Strafvereitelung? Keine Ahnung, wie man das in den USA nennt. Aber mit Sicherheit wird dies auch in den USA bestraft. JS wäre also, wenn die Polizei herausfand, dass es EH´s Sockenabdruck ist und er sie gedeckt hat, nicht straffrei davon gekommen. Reicht das als Fluchtmotiv? Also mir hätte es an seiner Stelle gereicht ;-).
Außerdem war doch absehbar, dass die Sache nun rauskommt, wenn es EH´s Sockenabruck war. Wenn er sie also tatsächlich vor dem elektrischen Stuhl retten wollte, dann mußten die beiden jetzt abhauen.
Wenn wir davon ausgehen, dass es zwar nicht sein Sockenabruck war, aber er von Anfang an in die Modpläne eingeweiht war, dann hätte ihm dieselbe Strafe gedroht, wie dem Haupttäter.
Auch in diesem Fall hätte ich an seiner Stelle gesagt: Nix wie weg!
Man muß also nicht zwangsläufig von der Tätershaft JS ausgehen, um seine Flucht für plausibel zu halten.
Venice2009 schrieb:wobei doch Abweichungen im Geständnis völlig normal sind. Ich meine, Griffith hat auch nicht behauptet, dass JS unschuldig sei bzw. es annehme, sondern dass es lediglich Widersprüche im Geständnis gab. Interessant wäre zu erfahren, ob diese Widersprüche darauf hindeuten, dass er tatsächlich nicht der Täter ist, oder man sie anders erklären könnte.
Das hatte ich an anderer Stelle bereits beantwortet. Das falsche Geständnis beweist gar nichts, weder seine Schuld noch seine Unschuld. Es ist einfach nur falsch. Nicht mehr und nicht weniger. Es beweist nicht, dass er es war und es beweist nicht, dass er es nicht war.
Venice2009 schrieb:Für mich klingt eben dieses, nicht perfekte Geständnis, glaubhaft.
Nicht dein Ernst. Das ist nicht nicht perfekt. Es ist objektiv falsch. Genauso gut hätte er behaupten können, dass die Erde eine Scheibe ist. Das bleibt falsch, auch wenn er es über vier Jahre x-Mal wiederholt hätte. Schade.
borabora schrieb:Damit fällt Sörings Rettungsmotiv ;)
Über das Rettungsmotiv kann man ohnehin streiten. Er wäre auch ohne der Haupttäter zu sein, nicht straffrei davon gekomen (s.o.). Schon aus Eigennutz mußte er versuchen, eine Auslieferung in die USA zu verhindern.
borabora schrieb:Ich glaube, er hat die Fehler absichtlich eingebaut, um sich ein Hintertürchen offen zu lassen.
Das kann man glauben oder auch nicht. Er sagt während seine Prozesses ja selbst, dass er gar nicht verstehen konnte, dass Gardner und Updike ihm diesen "Mist" abkauften. Ob nun mit Absicht oder nicht: "Mist" bleibt "Mist".