blorgempire schrieb:Aber wenn man jetzt den Punkt "Brille" als Beweis dafür anführt, dass Söring nicht der Mörder oder nicht der alleine Mörder gewesen sein kann,
Es geht sich nicht um die Brille allein, sondern um das gesamtkonstrukt des Geständnisses. Das Geständnis ist ausgeschmückt mit Details. Bei jedem Detail muss man hinterfragen und überprüfen, ob es stimmig ist und welche Motivation der gestehende gehabt haben könnte, um dieses oder alle Details explizit zu erwähnen. Und danach muss auch das gesamtkonstrukt in Bezug auf Plausibilität und belegbarkeit und Motivation bewertet werden.
Im Falle von JS liegt also ein Geständnis vor, welches unter dem Einfluss von erfahrenen Ermittlungsbeamten gegenüber einem unerfahrenen und überforderten 18 jährigen bis dato unbescholtenen aber intelligenten Menschen entstanden ist. JS selber gibt mehrfach an, dass er EH unbedingt vor der Todesstrafe schützen wollte und deshalb die Schuld auf sich nahm. Dieses Geständnis wurde später zurückgenommen, abgewandelt usw. Trotz der Rücknahme und den Abwandlungen wird sich auf genau dieses erste Geständnis berufen als stünde es in der bibel. EH hat auch zb gestanden, ich war es, ich habe sie ermordet, ich bekam einen Kick, und trotzdem wird darauf gar nicht eingegangen. Hier im Forum nicht und auch seinerzeit nicht von den Ermittlern oder anderen beteiligten. Da hiess es lapidar, reden sie keinen Blödsinn, Thema beendet. Warum?
ich nehme jetzt nur Mal als Beispiel drei Punkte aus dem Geständnis heraus und betrachte sie näher zb Brille, Alkohol und Hund.
Warum hat er die Brille überhaupt erwähnt? Für ein Geständnis an sich war sie nicht notwendig. Aber das erwähnen hatte Vorteile für ihn. Zum einen ist es ein Detail, dass eine Story glaubwürdiger macht, je mehr Details, auch wenn irrelevant, desto glaubwürdiger die ganze Story. Es dramatisiert die Situation vor Ort ( was war da los, dass ihm sogar die Brille aus dem Gesicht geschlagen wurde lange bevor es überhaupt zu den morden kam) Gleichzeitig liesse die Brille aber auch noch ein Hintertürchen offen (ich konnte nichts mehr sehen, ich wurde von zwei Leuten angegriffen und musste mich halbblind wehren, ich hab einfach wild um mich herum gestochen und so kamen die zahlreichen Stichverletzungen zustande), das hat er zwar nicht benutzt, hätte er aber können. Liess sich die Brillenstory irgendwie beweisen oder überprüfen? Nein. Keine Beweise oder Augenzeugen. Selbst wenn die Ermittler gewollt hätten, eine Überprüfung war nicht möglich.
Warum hat er überhaupt den Hund erwähnt? Für ein Geständnis an sich war er nicht notwendig. Aber das erwähnen hatte auch diesmal Vorteile für ihn. Zum einen ist es ein Detail, dass eine Story glaubwürdiger macht, je mehr Details, auch wenn irrelevant, desto glaubwürdiger die ganze
Story. Gleichzeitig vermittelt es den Eindruck wie mitfühlend der Täter doch ist, lässt ihn ein verletztes oder totes Tier doch nicht kalt. Und wer sich Gedanken um ein Tier macht, der wird nicht im selben Atemzug grausam oder quälend andere ermorden. Liess sich die hundestory irgendwie beweisen oder überprüfen? Sie wurde nicht überprüft und bewiesen. Dabei hatten die Ermittler durchaus ermitteln können, ob ein verletztes oder totes Tier gefunden wurde, ob ein Nachbar einen Hund vermisste oder ob es entsprechende Spuren am Auto gab. Wurde aber alles nicht gemacht.
Warum hat er den Alkohol erwähnt. Für ein Geständnis an sich war er nicht notwendig. Aber das erwähnen hatte Vorteile für ihn. Zum einen ist es ein Detail, dass eine Story glaubwürdiger macht, je mehr Details, auch wenn irrelevant, desto glaubwürdiger die ganze Story. Der Alkohol liess ihm auch noch ein Hintertürchen offen, wenn man darauf spekuliert irgendwie noch unzurechnunfsfahigkeit anzuwenden. Liess sich die alkoholstory irgendwie beweisen oder überprüfen? Nein. Keine Beweise oder Augenzeugen.
Das ganze Geständnis strotzt vor unnotigen Details, die ihm Hintertüren offen ließ, die aber nicht bewiesen oder überprüft werden konnten oder seitens der Ermittler wollten? Dazu kamen auffällig viele Blackouts und Erinnerungslücken, die ungeklärt blieben und auch medizinisch nicht aufgeklärt wurden, auch wenn man dem hätte nachgehen können.
Ich kann nur erahnen, was er taktisch vorhatte, um aus dem Dilemma heraus zu kommen. Er hat die Schuld auf sich genommen um sie vor der Todesstrafe zu schützen, wollte aber gleichzeitig möglichst viel in der Hinterhand haben, um selber nicht allzu hart bestraft zu werden. Dafür bedarf es ein Geständnis, dass der Glaubwürdigkeit halber möglichst detailreich ist, aber gleichzeitig so schwammig, dass es wieder nichtssagend ist und nichts aus dem Geständnis sollte überprüfbar und beweisbar sein. Zugute kam ihm, dass die Ermittler das Geständnis dankbar annahmen und eigentlich nichts hinterfragten und überprüften. Es würde wie das Wort Gottes übernommen. Nicht zugute kam ihm, dass EH das Spiel nicht mitspielte und völlig andere Storys zum besten gab. Jeder reagierte auf die Storys des anderen mit immer neuen versionen.
Es wäre von vorneherein Aufgabe der Ermittler gewesen, jedes Detail und die gesamtkonstruktion abzuklopfen. Wurde nicht gemacht. Halte ich für einen groben Fehler. Aber was will man erwarten von Dorfpolizisten. Der ganze Fall hätte in die Hände von Profis gehört, die Verhandlung auch.
Letztendlich muss jeder für sich selbst entscheiden, wer oder was glaubwürdig ist. Ich halte dieses Geständnis mit seinen Lücken und Details nicht für glaubwürdig, es ist mir zu taktisch konstruiert, die Anzahl der nicht belegbaren Details zu hoch.