Der Mensch Jens Söring
05.12.2019 um 13:29
Hallo @ all, unbekannterweise, denn ich bin neu hier 👋. Verfolge den Fall wie viele seit Jahren, jetzt wieder verstärkt, nachdem Söring außer Haft gelangt. Den Thread hier habe ich so ziemlich komplett durch und jetzt möchte ich gerne auch einmal meinen Senf dazu geben. (Seid bitte nicht zu streng mit mir 😉.)
Zunächst mal zu einigen der jüngeren Kommentare: Ich finde nicht, dass man nun vor dem Rückkehrer Furcht haben muss, wie hier geäußert wurde. Das ist schon ne arge Übertreibung, nach dem Motto: Jetzt wird es hier gefährlicher, weil der Söring wieder im Land ist - unfreiwillig komisch, denke ich. Außerdem kann ich auch nicht sehen, dass Söring zu einem ‚Messias‘ oder einem neuen ‚Mandela‘ hochgejazzt wird. Das ist doch Quatsch (und wenigstens gegenüber Mandela auch unfair 😉): Einige sind halt der Meinung, er hätte zu Unrecht gesessen, andere nicht. Aber insgesamt muss doch deshalb nicht ‚befürchtet werden‘, die alte Heimat könnte es zu gut mit Söring meinen. Meine Güte - und wenn? Wenn er ein Forum bekommt, seine Sympathisanten ihn noch weiter unterstützen und es ihm nicht schlecht gehen wird - wieso auch nicht? Nach deutscher und auch europäischer Rechtsauffassung hat er dazu dasselbe Recht (bei Tatbegehung Heranwachsender) wie jeder andere hier (- also wie jeder freie Bürger, der nicht gerade vorübergehend einen Teil seiner Freiheitsrechte am Anstaltstor abgeben musste). - Bin gespannt was er, neben Lanz, noch so draus machen wird. Weitere Bücher gehören bestimmt dazu. Von ‚Harz IV‘ braucht daher, anders als hier geschrieben wurde, nicht ausgegangen werden. (Wahrscheinlich war da eher der Wunsch Vater des Gedankens 😉).
Klar, zum Fall selbst habe ich auch eine Meinung, aber keine eigenen Argumente. Alles wurde schon tausendmal geschrieben, nicht nur hier. Bestenfalls unterscheiden sich die Einzelbeiträge durch eine individuelle Auswahl aus dem Pool von Fakten, Halbfakten und Mythen. Mir selbst z.B. erscheint Sörings Schuld ziemlich eindeutig zu sein. Die Gegner des finalen Urteils haben, außer vielleicht ne romantische Ader, fast nix. Vielleicht ein paar lässliche Verfahrensfehler - kein Grund, das Urteil einzukassieren. So beurteilen das jedenfalls die zuständigen Behörden juristisch und es gibt gute Gründe, diese Ansicht auch vom gesundem Menschenverstand aus zu teilen.
1. EH gilt allen immer als so manipulativ (Gutachter, Zeitungen, Polizisten, Urteilsgegner und -befürworter). Ich glaube das auch. Das heißt doch aber: Wozu - wenn nicht dazu, ihn zum Werkzeug zu machen - hätte sie sich Söring denn überhaupt angelacht haben sollen? Und wieso soll EH dann allein losgefahren sein, um ihre Eltern zu töten, ohne dass Söring auch nur davon wusste, obwohl beide wochenlang darüber fantasiert haben, die beiden aus dem Weg zu räumen. - Urteilsgegner: denkt mal drüber nach 😉. Das ist lächerlich. In der Beziehung ging es sehr wahrscheinlich sogar ganz maßgeblich darum, dass Söring tat, was EH wollte. Und dass sie wollte, dass ihre Eltern sterben ist ebenso dokumentiert, wie dass es stets um ihre Befriedigung ging.
2. Söring gilt allen immer als (damals) verliebter, dummer Junge. (Das ist die Story von Das Versprechen und das meist verbreitete Narrativ der Söring-Story - klar, ist ja auch seine Darstellung und wer, wenn nicht Söring selbst, hat seine Geschichte in der öffentlichen Wahrnehmung geprägt?). Ich glaube das nicht. Das Geständnis erfolgte nicht aus Liebe, ganz einfach deshalb, weil Söring längst zu seiner heutigen, wenig schmeichelhaften Darstellung von EH gewechselt war, als er trotzdem noch über Jahre an seinem Geständnis festhielt. (Er versuchte sogar, sie zu belasten bzw. ihr den Mord anzuhängen, als er noch bei seinem eigenen Geständnis verharrte. Nach dem Muster: Ich war da und habe sie verletzt, aber sie könnte nach mir auch noch da gewesen sein und sie getötet haben - bloody foot prints). Söring sprach zudem in einem Zug davon, dass EH ihn nur verarscht habe und räumte trotzdem gleichzeitig ein, dass er die Tat begangen habe. Der Grund für das Geständnis ist also nicht romantisch motiviert, sondern viel banaler, wahrhaftig. In seinen unzähligen und über Jahre aufrecht erhaltenen Geständnissen hat Söring die Taten eingeräumt, weil er sie begangen hat und weil er davon ausgehen musste, dass man ihm das auch nachweisen und ihn deshalb verurteilen wird.
Viel wahrscheinlicher als die Geschichte, er sein über Wochen, Monate und Jahre davon ausgegangen, als Sohn (!) eines Konsulatsangestellten könne man mit Doppelmord durchkommen, ist die Annahme, er sein der Meinung gewesen, ein (Teil-)Geständnis würde ihm eine mildere Strafe einbringen. Denkt mal darüber nach.
3. Bzgl. des Täterwissens suchen sich die Urteilsgegner meiner Meinung nach das Beste für sich raus, den Rest ignorieren sie dabei:
a) Söring hat oft (!) ausgesagt, er habe EH (in seiner Story) nicht über die Tat befragt. Das sei alles viel zu schrecklich für ihn gewesen. Vor dem Hintergrund hat sich sein Tatortwissen aber als viel zu umfassend erwiesen.
b) Söring hat nie vollständig gestanden, d.h. sich selbst nachvollziehbar bemüht, alle Unklarheiten auszuräumen. Stattdessen hat er sich, auch in seinen Geständnissen, stets auf ganz offensichtlich ‚taktische‘ Gedächtnislücken berufen. Teilweise hat er klare Antworten auch einfach verweigert. Der Grund ist, dass er - wie vermutlich auch mit dem Geständnis an sich - eine mildere Strafe erwirken wollte (zB für Totschlag anstatt für Mord etc.).
c) Neben taktischen Unklarheiten sind auch absichtliche Unwahrheiten in tatsächlich glaubwürdigen Geständnissen keine Seltenheit, sodass Lügen auch im Rahmen der Geständnisse von Söring vermutet werden können. (Er selbst bezeichnete sich ganz allgemein als begnadeter Lügner.) Gründe für solche Falschaussagen im Richtigen können zB juristisch aber auch psychologisch sein.
d) Weitere Unklarheiten bzw. Abweichungen von Sörings Aussagen gegenüber dem Tatortbefund lassen sich leicht mit der Ausnahmesituation erklären, in der er sich bei Tatbegehung befunden haben muss.
4. Alle Grundzüge des rekonstruierbaren Tatgeschehens lassen sich einwandfrei mit Sörings Geständnissen in Übereinstimmung bringen. Das ist klar. Somit spricht auch sein Tatort- bzw. Täterwissen klar dafür, dass seine Geständnisse glaubhaft sind.
5. Absolut unglaubhaft ist hingegen seine D.C.-Story:
Während EHsDarstellung grundsätzlich überzeugend ist, besitzt Sörings Geschichte keinerlei Plausibilität: Er lässt sie alleine fahren, er besorgt die Tickets als Alibi für die Eltern? Nein! - Sie lässt ihn alleine fahren, sie besorgt die Tickets als Alibi für die Polizei. Urteilsgegner: Denkt (noch einmal) darüber nach 😉.
6. Aller Wahrscheinlichkeit nach, wurde Söring daher zu Recht verurteilt und gilt entsprechend heute als überführter Doppelmörder. Nichtsdestotrotz hat er nach deutschem Rechtsverständnis längst ein Anrecht auf Freiheit und den vollen Erhalt seine Bürgerrechte. Das ist gut so. Hoffentlich gelingt es ihm, was gutes daraus zu machen.
Liebe Grüße
ColdWinter