Dogmatix schrieb:Vielleicht noch beunruhigender ist, dass wir offenbar gerade für junge Frauen in ein Viktimologie-Paradigma zurückkehren, in dem sie als so geschwächt wie viktorianische Hausfrauen wahrgenommen werden.
Dieses Argument wird aber immer nur angewandt, wenn es um einheimische Täter geht. Sind die Täter (mutmaßlich) "Südländer", gelten (zumindest einheimische) Frauen als Wesen, die unbedingt beschützt werden müssen.
Niemand hat angezweifelt, dass die Frauen in Köln belästigt wurden und das Straftaten waren. Die gleichen, die das zum Anlass nahmen, alle "Südländer" pauschal zu verunglimpfen und ausweisen zu wollen, machen sich jetzt über Frauen lustig, die sagen, dass Begrapschen und miese Anmachen mehr als nur "Ausrutscher" sind.
Ich komme gerne auf die Parallelen mit sonstigen Umgangsformen zurück: Wenn ein Mann von einem anderen Mann angepöbelt und beleidigt wird, dann verlangt niemand vom Opfer, herauszufinden, ob der Andere nur einsam ist und das eine ungeschickte Frage nach Zuwendung war. Es beschuldigt auch niemand das Opfer, dass es sich sicher provozierend verhalten/gekleidet hat, ohne die Situation genauer zu kennen.
Man ist sich einig, dass sich solches Verhalten (Anpöbeln,beleidigen) nicht gehört und dass es Aufgabe des Täters ist, sich zu ändern.
Andererseits gibt es Gesetze, Polizei und ein allgemein akzeptiertes Sozialverhalten (Schutz durch andere), die davor schützen sollen, dass einem so etwas unangenehmes und potentiell gefährliches passiert. Schüler lernen das schon in der Schule... sollten sie jedenfalls.
passepartout schrieb:„Für eine Frau kannst du ja richtig gut einparken/programmieren/schießen!“ und
„Das Kleid steht dir total, weil es deine Beine/Taille/Brüste* betont.“ werden beide nur Frauen gegenüber ausgesprochen. (Eben weil es Frauen sind.)
Beide könnten als Kompliment gemeint sein.
Allerdings empfinde ich den ersten einfach nur als chauvinistisch und vielleicht sogar beleidigend.
Der zweite ist für mich zunächst einmal ein ehrlich gemeintes Kompliment, bei dem sich der Sprecher Gedanken gemacht hat. Eventuell auch Hintergedanken, aber darauf muss ich ja nicht eingehen. Aber auch hier werde ich klar auf mein Geschlecht angesprochen.
Das zweite Kompliment kann eines sein, aber wenn es der Frau gilt, die zu einem ein rein berufliches Verhältnis hat und gerade einen Vortrag über ihr Sachgebiet halten oder eine Narkose geben soll, die mit dem Putzwagen vorbeikommt, oder die man überhaupt nicht kennt und die in der U-Bahn bis dahin keinen Blickkontakt gesucht und nicht freundlich geguckt hat, dann ist es eine (beleidigende) Reduzierung auf körperliche Attribute.
Sollte sich der Sprecher Gedanken gemacht haben, dann sollte er sie für sich behalten.
passepartout schrieb:Die angeflirtete Person wird also zunächst einmal wegen ihres Geschlechts angesprochen (und darauf reduziert?). Hätte sie das jeweilige andere, bekäme sie von der flirtenden Person keine derartige Aufmerksamkeit.
Es geht um eine Reduzierung auf körperliche Attribute, die situationsbedingt unangebracht ist.