DerMüller71 schrieb:Entgegen der weit verbreiteten Stereotype, wonach die Quote der Falschanschuldigungen bei Vergewaltigung beträchtlich ist, liegt der Anteil bei nur 3%.
(https://www.frauenrechte.de/online/images/downloads/hgewalt/EU-DAPHNE_Strafverfolgung_von_Vergewaltigung_Laenderbericht_...)
Wie kommen die Autoren nun darauf? Ganz klar wird mir dieser Wert nicht. Ich kann daher nur spekulieren, dass man sich das aus den anderen Zahlen "zusammenreimt". Von den 100 Angeklagten wurden nämlich ganze 4 freigesprochen (wieso das nun 3% sind, kann ich dir auch nicht sagen..vielleicht weißt du ja mehr?).
Hm, ich würde sagen, diese drei Prozent sind die erwiesenen (bzw. die von justizieller Seite her so eingestuften) Falschanschuldigungen?
Die vier Prozent (bzw. vier Fälle) sind ja die vier Fälle im Hauptverfahren (das ist mMn der springende Punkt), in welchem dann der Richter freispricht (die drei Falschanschuldigungen laufen ja bereits früher auf).
DerMüller71 schrieb:Das Problem dabei ist aber recht offensichtlich. Es wurden nämlich nicht nur 4 freigesprochen, sondern auch sehr häufig keine Anklage erhoben (nur in 34% der Fälle - oder 43%, da widersprechen sich offenbar Text und Tabelle 1, was nicht gerade für eine saubere Methode spricht) bzw. kein Verfahren (nur in 28% der Fälle) eröffnet. Bei den 28 Verfahren gab es "nur" 23 Verurteilungen. Grund für die Einstellung des Verfahrens oder die fehlende Anklage waren häufig der Mangel an Beweisen oder Zweifel an der Tat selbst.
Bezüglich deines Einwands, die Autoren der Studie hätten nicht "sauber" gearbeitet, ist mMn ein Zahlendreher (finde ich jetzt nicht weiter schlimm, da der Satz an sich ja richtig ist:
gegen weniger als die Hälfte wurde Anklage erhoben
34 Anklageerhebungen insgesamt (auf hundert Fälle); vorher allerdings nur 74 Einvernahmen des Verdächtigen - also weniger als die Hälfte.
DerMüller71 schrieb:Mit anderen Worten, die Studienautoren schließen von 4% Freisprüche auf 4% Falschbeschuldigung. Nun kann es ja durchaus sein, dass viele echte Täter aus Mangel an Beweisen nicht verurteilt wurden! Das ist sogar wahrscheinlich! Nur ist es eben hanebüchener Unsinn, sich aus den vorliegenden Zahlen auf 4% festzulegen. Fakt ist, dass nur 23% verurteilt wurden, teilweise auch aus Mangel an beweisen. Wenn man es ganz genau nimmt, liegt die Rate der Falschbeschuldigungen anhand dieser Zahlen damit irgendwo zwischen 4 (gehen wir mal davon aus, dass die freigesprochenen tatsächlich unschuldig waren..wir gehen ja auch davon aus, dass die Verurteilten tatsächlich schuldig sind) und 77%. Die Studienautoren unterstellen insgeheim, dass z.B. auch bei Einstellung des Verfahrens keine Falschbeschuldigung (= Behauptung, ohne, dass es so stattgefunden hat) vorlag. Der Autor des Blogs hat mit dieser Kritik daher in meinen Augen absolut Recht. Egal, wo die Rate in der Realität liegt, die Studie sagt uns das nicht.
Wie genau kommst du auf 77 Prozent?
Wenn wir 100 angezeigte sexuelle Übergriffe (bzw., hier ging es ja um Vergewaltigung) haben, dann wurden in der ersten Phase der Strafverfolgung ja rund 20 Prozent gar nicht identifiziert. Natürlich kann man sagen, dass bereits hier ein Potential für Falschanschuldigungen zu finden sein könnte, aber wie wahrscheinlich ist das bitte? (Der einzige Fall, den ich mir dabei vorstellen könnte, wäre, dass jemand, der krankhaft nach Aufmerksamkeit sucht, irgendeinen ominösen Fremden bezichtigt, er hätte ihn/sie in einem dunklen Hauseingang gezerrt und vergewaltigt - die Quote hier dürfte aber sicherlich, auf alle angezeigten Vergewaltigungen gerechnet, bei weit weniger als 1 Prozent liegen.)
Also kann man bereits hier von 20 Prozent ausgehen, die man sehr ernst nehmen muss.
Interessant ist auch der Punkt bezüglich der "Rücknahme der Anzeige" - das sind die Fälle, in denen das Opfer in einer Beziehung mit dem Beschuldigten lebte (auch diese Gruppe kann man nicht einfach aus der wahrscheinlichen Tätergruppe herausrechnen, meine ich).
Dann könnte man dies so weiter fortführen - wie gesagt, wie du auf mögliche 70 Prozent Falschanschuldigung kommst, fände ich interessant.
Was ich dagegen als These für deine Behauptung, die Quote liege (bei den strafverfolgten Fällen) höher, ansehen würde, wäre die Aussage, dass bei der Hälfte der Fälle, bei denen die Strafverfolgung eingestellt wurde, Zweifel daran gehegt wurde, ob sich die Tat ereignet hat.
Das heißt im Umkehrschluss ja aber nicht, dass sie es nicht DOCH hat; ebenso, wie du selbst schon angeführt hast, dass "Mangel an Beweisen" nicht bedeutet, dass der Täter nicht eben doch schuldig ist.
Und ein ganz gewaltiger Aspekt wird in der ganzen Diskussion leider auch immer wieder übersehen:
Die Dunkelziffer bei sexuellen Übergriffen/Vergewaltigungen ist gewaltig!
Diese müsste man natürlich auch berücksichtigen.
Es gibt ja auch eine Langversion der Studie, leider hatte ich noch keine Zeit, diese durchzulesen (Link www.cwasu.org).
Im Übrigen kann ich nur unterstreichen, was
@FF hier schon schön ausgeführt hat:
FF schrieb:Man kann jetzt nicht einfach den Spieß umdrehen und behaupten, dass alle eingestellten Verfahren und Freisprüche auf Falschbeschuldigungen zurückgehen. Das wäre widerum eine Vorverurteilung derer, die erfolglos Anzeige erstattet haben.
Eine Falschbeschuldigung ist eine vorsätzliche Tat. Man kann aber nicht verlangen, dass ein Opfer nur Anzeige erstattet, wenn es den Täter, die Tat und die Beweise gerichtsvertig vorlegen kann. Das ist der Job der Polizei und Staatsanwaltschaft.
Wenn eine Frau im dunklen Park überfallen wurde, kann sie den Täter möglicherweise falsch identifizieren, ohne das zu beabsichtigen. Oder der Täter kann ein Alibi vorweisen, obwohl er die Tat begangen hat. Oder es kann nicht nachgewiesen werden, dass dieser Mann die Tat begangen hat, weil die Spurenlage dünn ist. Oder es steht Aussage gegen Aussage.... und so weiter.
Außerdem darf man nicht vergessen, dass immer noch sehr viele (auch gravierende) Fälle nicht zur Anzeige kommen. Denen und den angezeigten zusammen gegenüber sind die beabsichtigten Falschbeschuldigungen vermutlich, auch wenn diese Studie nicht exakt sein sollte, sehr wenige.
Was die Schwere der Tat (Beschuldigung) nicht mindert, aber der Panik, dass man jederzeit böswillig beschuldigt werden könnte, vielleicht etwas entgegen wirken kann.
Ich habe zuvor schon geschrieben, dass nach dem Kachelmann-Prozess auch klar geworden ist, welches Risiko man mit Lügen eingeht.
Dem ist eigentlich nichts weiter hinzuzufügen.
Was aber gar nicht geht, ist die Darstellung in diesem Blog:
DerMüller71 schrieb:Als Falschbschuldigungen werden bei Mädchenmannschaft und Mädchenblog nur die 3% angesehen, die wohl eigentlich die 4% Freisprüche sind. Die Studie selbst sagt dies aber so nicht. Sie geht vielmehr zunächst davon aus, dass 23% verurteilt werden. Beim Rest haben wir gerade mit der Aussage, dass die Staatsanwaltschaft 50% für falsch hält und weitere 4% freigesprochen werden und dann noch eine große Anzahl anderweitig eingestellt wird, die Schuld dort also auch nicht erwiesen ist, ein hohes Potential für Falschbeschuldigungen.
Die Staatsanwaltschaft hält nicht 50 Prozent für falsch (die Hälfte der Fälle ist in diesem Fall nicht fünfzig Prozent, weil mit "Hälfte" - woraus dann 50 Prozent gestrickt werden - sich hier auf die 19 Fälle bezieht, in welchen angezweifelt wird, ob die Tat so stattgefunden hat).
Wie gesagt, interessant wäre sicher die Lektüre der Langversion der Studie, dann könnte man auch genauer ersehen, bei welchen Fällen Zweifel gehegt wurde und weshalb.
Durchfall schrieb:Wenn eine Frau behauptet sexuel belästigt worden zu sein, dann sollte man das erstmal in Frage stellen.
Dann muss sie das akribisch beweisen.
Und ein Mann doch auch bitteschön^^
Ach ja, und dann bleibt dir eigentlich nur noch zu wünschen, dass du nichtmal in die Verlegenheit kommst, dann könnte es nämlich sein, dass du deine eben getätigte Überlegung doch noch einemal überdenken musst.
Ohne Worte, echt.