So langsam dreht sich die Diskussion dahin, dass ein "Klaps auf den Po" mit dem Kachelmann-Prozess verglichen wird und zuletzt alle Männer arme, bemitleidenswerte, zu schützende Opfer sind, die jederzeit (!) falsche Anschuldigungen zu fürchten haben, die Karriere, Ruf und Familie zerstören.
Zeit für eine #-Kampagne für potentielle Opfer!
Weinstein? Die Schauspielerinnen sind doch sowieso alle psychisch gestört, und mehr als ein Klaps vor Jahren gab es nicht! Und jetzt ist der Ruf von dem armen Kerl zerstört! Nicht auszudenken, wie der jetzt auch psychisch zu leiden hat!
:cry:@schtabea Es darf also nichts an die Öffentlichkeit dringen, bis es eine rechtsgültige Verurteilung gibt?
Man darf über einen Regisseur oder Produzenten sagen, dass er menschlich total daneben ist, dass er ein Tyrann und Choleriker ist u.s.w., aber dass er Frauen belästigt, das muss verschwiegen werden, weil es eine Falschbeschuldigung sein könnte?
Eine Frage an alle: Wie viele Frauen kennt ihr persönlich, die schonmal Belästigungen, Misshandlungen, Übergriffen oder gar Vergewaltigungen ausgesetzt waren?
Und wie viele Männer kennt ihr, die Falschbeschuldigungen erlebten?
Sind Frauen wirklich die hochgefährlichen Biester, die danach lechzen, die Existenz von Männern zu zerstören?
Niemand ist vor Falschbeschuldigungen gefeit, ebenso wenig vor Mobbing, Rufmordkampagnen und ähnlichem in der Öffentlichkeit, durch Frauen ebenso wie durch Männer. Es kommt trotzdem selten vor.
Aber: Niemand ist vor sexueller Belästigung gefeit. Sie kommt sehr häufig vor.
Ich setze das in Relation, das bedeutet aber nicht, dass ich das Eine oder Andere verharmlose. Rufmordkampagnen gegen Unschuldige sind eine üble Straftat und gehören verfolgt, genau wie jede andere Falschbeschuldigung.
In einem "Der hat mich begrapscht" - "Nein, sie lügt" sehe ich aber ein Patt: Der Lüge und Falschbezichtigung beschuldigt zu werden, ist ebenso riskant. Umso mehr, wenn es um eine gravierende Straftat ging... die Existenz der Frau, die Kachelmann beschuldigte, dürfte auch Schaden genommen haben. Ihr Ruf ist ruiniert. Wer den Fall mitverfolgte, wird es sich dreimal überlegen, so etwas anzufangen.
Es kommt ganz sicher sehr viel häufiger vor, dass weder über die tatsächlich stattgefundene Tat gesprochen, noch Anzeige erstattet wird. Nicht selten geht der Übergriff im beruflichen Umfeld mit der Drohung einher, dass bei einer Anzeige der Job weg ist. Andere erstatten aus Scham keine Anzeige, weil sie sich mitschuldig fühlen (hat man den Täter vielleicht doch irgendwie ermuntert?), weil ja "nicht so viel" passiert ist, weil man das Ganze lieber vergessen möchte, weil der Täter vermutlich sowieso nie gefunden wird, weil man die Befragung bei der Polizei fürchtet (das hat sich zum Glück gebessert),
weil man nicht weiß wie man es beweisen soll.
Tussinelda schrieb:weil es so schwierig ist zu beweisen werden auch viele, die schuldig sind, nicht verurteilt. Und das sind mehr, als es Fälle sind, die falsch beschuldigt wurden.
Für mich kann ich sagen: Es gab ein gutes halbes Dutzend strafbare Übergriffe und ungezählte Belästigungen. Drei mal bin ich Vergewaltigungen mit Glück und Hilfe entgangen. Anzeige habe ich nie erstattet. Das würde ich heute anders handhaben, denn durch die #metoo-Kampagne ist klar geworden, dass jede nicht erstattete Anzeige möglicherweise zur Folge hat, dass der Täter meint, das nächste mal wieder davon zu kommen, und dann wieder, und noch ein mal... Andere, weniger starke Frauen oder junge Mädchen werden damit nicht so gut/noch schlechter umgehen können als ich und darum sollte ich Anzeige erstatten, wenn die Tat entsprechend schwerwiegend war. Ansonsten immer zumindest deutlich äußern, wenn etwas grenzüberschreitend ist.
Und wenn ich höre, dass jemand mit der gleichen Person ähnliches erlebte: #metoo.
Eine einzelne Aussage wird als Lappalie abgetan - wenn jemand aber über Jahre oder Jahrzehnte ständig Frauen belästigt hat, ist das nicht mehr abzutun und kann unterstützen, dass die, bei denen es nicht verjährt ist, Anzeige erstatten.
Solidarität zu zeigen und Schwache zu unterstützen heißt nicht, dass man sie für wehrlos hält, sondern dass man ihnen zeigt, dass sie sich wehren können.