@Heizenberch Ich hoffe ich lege
@shionoro jetzt nicht unbeabsichtigt Worte in den Mund, aber da er, wie auch ich, die Mathematik studiert, so möchte ich einmal einen Erklärungsversuch wagen, was er dir möglicherweise vermitteln möchte.
Dieses Rechnen, was damals stattfand und auch heute noch in den Grundschulen gelehrt wird, ist eher etwas intuitives, was man gern mit dem Zusammenzählen von Äpfeln zu vermitteln versucht.
Ich habe einen Apfel und nehme zwei Äpfel dazu und habe folglich drei Äpfel.
Oder eine Abstraktionsstufe niedriger: Wenn ich vorher etwas habe und etwas mehr davon dazu nehme, dann ich mehr als vorher.
Diese schlichte Beobachtung ist aber etwas, was auf einer sehr schlichten Logik bzw. Beobachtung beruht.
Die Mathematik ermöglicht eben solche Konzepte viel tiefgreifender zu verallgemeinern und teilweise auch die handelsübliche Intuition aufs Glatteis zu führen.
Die Operation etwas zu Addieren reicht ja viel weiter als nur festzustellen, dass 1+1=2 sein kann oder die Annahme, dass die Zahl 1 immer kleiner sein müsse als die Zahl 2.
Da ist nämlich immer die Frage, ob man die 1 und 2 als ganze Zahlen versteht oder ob man in der Lage ist eine Abstraktionsebene zu erreichen, in der "1" oder "2" lediglich als Bezeichnung verstanden werden, die aber nicht mit dem handelsüblichen Zahlenverständnis gleichgesetzt werden.
Schon die elementare Informatik mit dem dualen Zahlensystem zeigt ja schnell auf dass eine neue Definition der Additionsoperation dafür sorgt, dass plötzlich 1+1=0 ein völlig legitime Gleichung darstellt.
Genau an der Stelle ist eben notwendig, dass man in der Lage ist so weit Abstrahieren zu können, dass eine Zahl eine Zahl ist und eine Operation eine Operation ist und man beides mit strenger Mathematik auch sehr variabel umdefinieren kann und eine Aussage dadurch auch immer in einem gewissen Kontext zu verstehen ist.
Da steigen wir beispielsweise in die Gruppen-, Ring- oder Körpertheorie ein, auf die man in der Algebra trifft.
Es dort lernt man Konzepte kennen, die einem abstrakt erklären, was eine Rechenoperation sein kann und dort lernt man eben auch, dass man neben Addieren, Subtrahieren, Multiplizieren und Dividieren theoretisch alles mögliche zu einer Rechenoperation deklarieren kann, wenn man sauber definiert, wie es zu verstehen ist.
Und die elementare Algebra, ist nur ein kleiner Einblick in all die Möglichkeiten, die saubere Mathematik bietet.
Und verständlicherweise entfernt man sich dadurch auch ein Stück weit von der tagtäglichen "Realität". Kaum jemand weis überhaupt, was ein Zahlenkörper oder eine Restklassengruppe ist.
Und noch so viele hören einem gar nicht mehr zu, wenn man erklärt, dass dies nur einige wenige von einer Vielzahl elementarer Grundbegriffe sind, die einem das Tor in diese abstrakte Welt der Mathematik öffnen.
Aber so weltfremd dies auch erscheinen mag, je komplexer ein Problem oder ein System wird, umso mächtiger kann es sein, wenn man diese durch abstrakte Methoden formalisieren kann und erst dadurch überhaupt in der Lage ist, richtig schwierige Probleme zu lösen.
Klar konnte man früher auch schon Pyramiden bauen, aber auch wenn das nicht in den Geschichtsbüchern steht, möchte ich einmal behaupten, dass es eine große Anzahl an Fehlversuchen gab, bevor die Mauer von China oder die ägyptischen Pyramiden fertig aufgebaut waren.
Die Leute waren nicht dumm, aber ich vermute, dass denen diese Prachtbauten auch nicht beim ersten Versuch gelungen sind. So wie eben auch heute noch hier und da eine Brücke oder ein Haus irgendwann zusammenkracht.
Denn bei all dem Wissen, was damals mehr oder weniger vorhanden war, so zeigt die Geschichte der Mathematik gleichsam, dass eben vieles auch erst in den letzten 200-300 Jahren entstanden ist.
Die heutige Wahrscheinlichkeits- und Maßtheorie ist noch keine 200 Jahre alt.
Auch die Numerik und Differentialrechnung ist gleichsam "jung".
Klar gab es da Vorstufen. Aber so manche Fehlannahme oder Irrtum, wurde erst in den letzten 50 Jahren beseitigt.
Es ist eben eine große Kluft zwischen dem, was in den Schulen oftmals fälschlicherweise als Mathematik bezeichnet wird und dem, was Mathematik wirklich ausmacht, so dass nur ein ganz kleiner Bruchteil unserer Bevölkerung überhaupt erahnt, was diese Wissenschaft alles ermöglicht oder wo und wie sie Hilfsmittels bietet.