AusLeipzig schrieb:A propos, ich will Mal versuchen die Hauptszenarien zusammenzufassen:
1. Die Schilderungen des Briefes und die Aussagen des Verwandten entsprechen mehr oder weniger der Wahrheit.
2. Die Schilderungen des Briefes entsprechen der Wahrheit, aber der Verwandte hatte klarere Infos bzw. mehr mitbekommen als er preisgab. - scheint mir ja wahrscheinlicher als 1, weil sich damit das Wissen um den Fundort als Täterwissen erklären lässt. Wie @Grillage herausgearbeitet hat ist ja sonst völlig unklar woher der Verwandte das Wissen soll.
3. Die Schilderungen des Briefes entsprechen der Wahrheit, aber der Verwandte war in das Verbrechen involviert oder war sogar selbst der Mörder und wir haben es mit verdrehter Gewissenserleichterung zu tun.
4. Der Brief ist ein Fake von irgendeinem Wichtigtuer. Was dagegen spricht habe ich ja schon angesprochen, ich kann mir zumindest nicht vorstellen, dass die Polizei diese Ansicht hat oder zumindest glaube ich nicht dass sie davon überzeugt ist.
5. Es handelt sich um einen Fake des Mörders
6. Es handelt sich um einen Fake der Polizei.
Mir gefällt diese Herangehensweise, alle Szenarien, die möglich erscheinen aufzulisten. Man kann das ja auch mal für die andere Seite, also die Polizei machen.
1. Die Polizei glaubt dem Briefeschreiber und hält die im Brief geschilderten Ereignisse und Personen für wahr.
2. Die Polizei hält den Brief für einen Fake, der von einer Person geschrieben wurde, die mit dem Fall nichts zu tun hatte und hat und sich mit dem Brief wichtig tun will und/oder die Polizei verkackeiern will.
3. Die Polizei hält die in dem Brief erzählte Geschichte vom Verwandten für erfunden, geht aber davon aus, dass der Schreiber tatsächlich etwas zum Fall und dessen Lösung beitragen kann, eventuell sogar selber der Täter ist.
4. Die Polizei hat den Brief selber geschrieben, um einen eventuellen Täter aus der Reserve zu locken (obiges Szenario 6.).
Bei Punkt 4 bin ich mir nicht sicher, ob die Polizei das wirklich machen würde und ob sie das darf. So einen Fake-Brief ohne konkreten Anlass zu einem 40 Jahre alten Fall herauszuhauen würde sicher keinen Sinn machen. Wenn überhaupt würde ich deshalb denken, dass sie das nur machen, wenn sie bereits eine konkrete Person im Visier haben.
Punkt 2 scheidet meiner Meinung nach aus, denn dann hätte man nicht den Aufwand betrieben, zu XY zu gehen und damit scheinbar auf die Forderungen des Schreibers einzugehen. Man hätte den Brief zur Akte CW gelegt und sicher keinen so großen Aufwand betrieben, nur um einen Witzbold zur Rechenschaft zu ziehen.
Es bleiben die Punkte 1 und 3 übrig. Hätte man bei Punkt 1 einen ganzen Film zu dem Fall drehen müssen? Ein Studiogespräch, bei dem der Komissar mit dem Brief wedelt und betont hätte, wie ernst man diesen nimmt und dass das darin geschilderte mit dem Ermittlugen übereinstimmt, vielleicht noch ein inständiger Appell an den Schreiber sich zu melden, hätte gereicht, um dem Briefeschreiber, der ja dann ein ehrlicher, besorgter, gewissensgeplagter Bürger wäre, zu ermutigen, sich zu melden. Selbst wenn man keine Täter-DNA hat, hätte man im Studiogespräch betonen können, dass man einen Täter sicher identifizieren bzw. Unschuldige ausschließen kann, dass es aber wichtig wäre, das zu klären.
Meiner Meinung nach ist Punkt 3 am wahrscheinlichsten. In dem Film und dem dazugehörigen Studiogespräch sehe ich mittlerweile einen Versuch der Ermittler, zum Schein auf die Forderung des Schreibers einzugehen (der Fall soll in XY präsentiert werden und man soll ihm mitteilen, ob man DNA hat), ihm zu signalisieren, dass man den Brief ernst nimmt, gleichzeitig aber den Filmfall so zu gestalten, dass Widersprüche zur Story erkennbar sind. Vielleicht auch Widersprüche, die den Schreiber/Täter in scheinbarer Sicherheit wiegen, wenn z.B. nach weiteren Opfern von jemandem gesucht wird, der im Auto rumcruist und junge Mädchen belästigt, es so jemanden in der Gegend zu der relevanten Zeit aber gar nicht gegeben hat. Vielleicht wollte man eine erneute Kontaktaufnahme provozieren.
Natürlich wird die Realität irgendwo dazwischen liegen. Vielleicht ist sich die Polizei zu 80 % sicher, dass der Brief gelogen ist, aber es besteht eine Restmöglichkeit, dass er doch wahr ist. Egal was für Experten, Sprachgutachter, Aussageforensiker etc. man da dran setzt, man wird immer nur Wahrscheinlichkeiten bekommen, nie eine 100% sichere Aussage.
Das, was mir wie viel zu viele Details und wie ein Indiz für eine Lügengeschichte rüberkommt kann eben auch einfach daran liegen, dass der Briefeschreiber ein schlechter Geschichtenerzähler ist, von Hölzchen auf Stöckchen und wieder zurück erzählt oder er vielleicht nervös war, als er das zu Papier brachte, weil die ganze Story ihn emotional sehr mitnimmt und er das als extrem uangenehme Episode in seinem Leben erlebt. Who knows....?!